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Avi Primor im Gespräch

Das Interview führte Ina Rottscheidt30. Juli 2007

US-Außenministerin Condoleezza Rice reist in den Nahen Osten, um den Friedensprozess wiederzubeleben. Avi Primor, der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, hält diese Bemühungen für reine Lippenbekenntnisse.

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Avi Primor, ehemaliger israelischer Botschafter in Deutschland (Archiv, dpa)
Avi Primor: Skeptisch, was einen neuen Friedensplan angehtBild: dpa - Fotoreport

DW-WORLD.DE: Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sagte in der vergangenen Woche, dass er ein Friedensabkommen bis Ende 2008 für möglich hält - unter anderem, weil US-Außenministerin Condoleeza Rice ihm das zugesichert habe. Ist das nicht eine Utopie?

Avi Primor: Ich halte Abbas für einen Optimisten, weil er sich diese Lösung auch wirklich wünscht: Er ist für einen Kompromiss, er ist für Frieden, er ist gegen Terrorismus. Nur hat er leider wenig Macht, nicht nur, weil die Hamas sein Gegner ist und er schon den Gazastreifen verloren hat, sondern auch im Westjordanland muss er sehr hart kämpfen, damit er seine Macht nicht an die Hamas verliert. Aber darum geht es nicht wirklich, es geht um die Frage: was kann Condoleezza Rice in Bewegung setzen? US-Präsident Bush hat am 16. Juli eine Rede gehalten, in der er einen neuen Friedensplan unterbreitet und zu einer internationalen Konferenz im Herbst gerufen hat, die von Condoleezza Rice präsidiert werden soll. Insofern ist Condoleezza Rice jetzt diejenige, die diesen Friedensplan in die Tat umsetzen soll.

Kann Condoleezza Rice bei diesen Gesprächen als eine von allen Seiten akzeptierte Vermittlerin fungieren?

Zweifellos wird sie von allen akzeptiert. Ob sie aber die Macht des Präsidenten hinter sich hat, um tatsächlich irgendeinen Weg zu erzwingen - weil man hier einen neuen Friedensprozess erzwingen muss -, da habe ich meine Zweifel. Ich glaube nicht, dass der Präsident das ernst meint, sondern dass dieser Friedensplan vielmehr ein Lippenbekenntnis war, um dem Druck unter anderem von Condoleezza Rice nachzugeben, aber eben nur scheinbar. Er sagt also: "Gut, dann spiel ein bisschen mit den Israelis und mit den Palästinensern, und vielleicht kannst du noch andere arabische Länder zu deiner Konferenz einladen, am besten wäre Saudi-Arabien, aber ich halte sehr wenig davon." Ich kann mich erinnern, dass Condoleezza Rice schon den Vorgänger von Blair, den ehemaligen Gesandten des Nahost-Quartetts James Wolfensohn, der auch Präsident der Weltbank war, unterstützen wollte: Da sie aber nicht die Unterstützung ihres Präsidenten hatte, scheiterte sie ebenso wie Herr Wolfensohn. Daran hat sich bis heute nichts geändert, denn ich glaube nicht, dass Bush bis zum Ende seiner Mandatszeit wirklich die Absicht hat, etwas in Bewegung zu setzen, obwohl er alle Mittel zur Verfügung hat, wenn er so etwas wollte.

Mit welcher Macht müsste Condoleezza Rice denn ausgestattet sein, damit es nicht nur bei diesen Lippenbekenntnissen bleibt?

Bush hat in seinem Friedensplan verschiedene Komponenten unterbreitet, die er schon in seiner ersten Rede zum Thema Nahost im Jahr 2002 geäußert hat, von daher ist das eine Wiederholung: Israel muss die Siedlungen räumen, die Palästinenser müssen den Terror bekämpfen, man müsse einen Kompromiss in Jerusalem erzielen, das Problem der Flüchtlinge lösen, einen unabhängigen Palästinenserstaat errichten und anerkennen und mit ihm kooperieren. Alles schöne Sachen, die auch die israelischen Politiker eigentlich anerkennen. Nur haben sie nicht die politische Macht dazu, um so etwas in die Tat umzusetzen, genau wie die palästinensische Regierung nicht die Macht hat, um den Kampf gegen den Terrorismus in die Tat umzusetzen. Hätte der Präsident sich mit aller Macht eingesetzt, wäre er auch bereit, Geld und vielleicht sogar Truppen einzusetzen für die Sicherheit, dann hätte er die beiden Regierungen dazu drängen können, seinen Plan zu akzeptieren. Das hat er seit dem Jahr 2002 nicht gemacht, dazu ist er offensichtlich auch heute nicht bereit - und insofern ist die Mission der Condoleezza Rice nur ein Lippenbekenntnis.

Ist denn der Konflikt nicht schon lange zu einem Stellvertreterkrieg geworden, bei dem auf der einen Seite der Iran und Syrien Einfluss suchen und auf der anderen Seite die USA und der Westen stehen?

Ich glaube, dass man Syrien vom Iran trennen kann, weil Syrien mit Israel verhandeln und Frieden schließen will, aber die Amerikaner verhindern das. Zwar ist auch die israelische Regierung nicht begeistert davon, weil sie nicht die Macht hat, auf die Golan-Höhen zu verzichten. Aber im Grunde hätte sie das Angebot des syrischen Präsidenten akzeptiert, wenn die Amerikaner damit zufrieden wären. Sind sie aber nicht. Aber ich glaube, dass es einen Weg gibt. Alle Friedenspläne, sie es seit dem Jahr 2000 gab - vom ersten Clinton-Plan über den Bush-Plan und den des Quartetts oder den Saudi-Arabiens - sie alle hatten die gleichen Komponenten. Jeder weiß, wie man das Problem eigentlich lösen soll und kann, aber keiner hat die Macht, es in die Tat umzusetzen. Das Problem ist im Grunde genommen die Sicherheit: Wenn es jemanden gäbe, der bereit wäre, Truppen in den besetzten Gebieten einzusetzen, nachdem Israel sie befreit hat - robuste Truppen, die tatsächlich für Sicherheit sorgen können -, dann wären glaube ich die Regierungen stark genug, um die verschiedenen Friedenspläne in die Tat umzusetzen. Die einzigen, die so etwas heute leisten könnten und vielleicht auch den Willen dazu haben, sind die Europäer - vorausgesetzt, dass die Amerikaner sich dem nicht widersetzen. Und da könnten sowohl Condoleezza Rice als auch Tony Blair behilflich sein.

Welcher Schritt müsste als nächstes passieren, um sich einem realistischen Friedensabkommen zu nähern?

Die Europäische Union muss einen Friedensplan entwerfen. Das ist kein Problem, denn alle Friedenspläne ähneln sich sowieso; aber diesmal sollte es die Initiative der Europäischen Union sein, sie sollte robuste Truppen in den Nahen Osten schicken. Das müssen nicht ausschließlich europäische Truppen sein, das können auch arabische Truppen sein, wie etwa die von Saudi-Arabien, Ägypten, Jordanien, oder islamische Truppen wie die Türken zum Beispiel, und vielleicht auch die NATO. Die sollten dann die Macht in den besetzten Gebieten übernehmen, damit Israel die Gebiete befreien kann. Aber all dies kann nur geschehen, wenn die Amerikaner sich dem nicht widersetzen.

Wie sind denn Ihre Erwartungen an die Reise von Condoleezza Rice und an ihre Möglichkeiten bei der Nahost-Konferenz im Herbst?

Sehr gering, weil ich wie gesagt davon ausgehe, dass der amerikanische Präsident nicht wirklich dahinter steht, sondern dass es für ihn nur Lippenbekenntnisse sind. Und so werden alle nur Lippenbekenntnisse zollen, sowohl die israelische als auch die palästinensische Regierung. Ich weiß auch gar nicht, ob die Saudi-Regierung wie von Bush gewünscht an dieser Konferenz teilnehmen wird. Die werden es nicht tun, wenn sie nicht sicher sind, dass die Amerikaner tatsächlich ernsthaft dahinter stehen - und das ist eben nicht der Fall. Ich glaube, das Ganze wird nur ein Spektakel sein.