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Axel Witsel: Als "Sechser" oft im Schatten

Danya Barsalona
30. Januar 2020

"Ich habe kein Problem damit, nicht so im Scheinwerferlicht zu stehen", sagt BVB-Mittelfeldspieler Axel Witsel im DW-Interview. Seine oft unterbewertete Position sei für das Team genauso wichtig, wie die eines Stürmers.

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Fußball Bundesliga |  Eintracht Frankfurt vs  Borussia Dortmund | 0:1
Bild: imago images/T. Frey

Als "Sechser" wird im Fußball der defensivste Mittelfeldspieler bezeichnet, der meistens die Position zentral vor der Abwehr bekleidet. Dabei hat der "Sechser" nicht nur defensive Aufgaben. Er fungiert als Bindeglied zwischen Abwehr und Mittelfeld und als strategischer Ballverteiler im Spielaufbau. Oft ist der "Sechser" ein sehr erfahrener, umsichtiger Spieler. Wir haben mit Axel Witsel über seine Rolle als "Sechser" bei Borussia Dortmund gesprochen. 

DW: Axel Witsel, wenn Sie jemandem Ihre Position als defensiver Mittelfeldspieler erklären müssten, wie würden Sie die erklären?

Axel Witsel: Das ist keine Position, wo jedermann sofort die Qualität des Spielers sieht und erkennt, wie wichtig er für das Team ist. Normalerweise ist es doch so: Wenn man gewinnt, ist es der Stürmer, der die Treffer erzielt oder die Vorlagen gibt. Aber am Ende haben wir alle einen wirklich wichtigen Job. Nicht immer, aber häufig, agieren wir etwas im Schatten. In meiner Position wird eine Menge Druck auf mich auf dem Platz ausgeübt. Man muss klug agieren, wenn man im Ballbesitz ist. Außerdem muss man immer cool und ruhig bleiben. Auf meiner Position kann man es sich nicht erlauben, nervös zu sein. 

Sie sind in der Zeit von Ronaldo und Zidane groß geworden. Warum haben Sie sich entschieden, ein defensiver Mittelfeldspieler zu werden?

Als ich vier Jahre alt war, habe ich in einem kleinen Klub in meiner Heimatstadt angefangen. Dann bin ich mit neun Jahren zu Standard Lüttich gegangen. In diesem Alter, ungefähr bis 14 oder 15, spielst Du ja auf jeder Position. Ich war auf der Außenbahn und ein Stürmer, weil ich zu der Zeit recht schnell war - heute bin ich dafür nicht mehr schnell genug. Als ich etwa 15 war, hat einer der Trainer mich als "Sechser" und als "Achter" [Anm. d. Red.: zentraler, offensiver Mittelfeldspieler] spielen lassen, und dabei bin ich geblieben. Als ich dann meine Profikarriere bei Standard Lüttich begann, hatte ich allerdings nicht genug Erfahrung, weil ich immer als Außenstürmer unterwegs war.

Aufgabenteilung bei der "Doppelsechs"

Ist es wichtig, ein gutes Fußball-Verständnis zu haben als Sechser?

Ich denke schon, dass das wichtig ist, selbst wenn du nicht den Ball hast. Ein Beispiel? Zu unseren Aufgaben gehört es, auf eine defensive Position zu wechseln, wenn der zentrale Abwehrspieler gerade offensiv agiert. Das bedeutet: Auch wenn du nicht am Ball bist, musst du die ganze Zeit mitdenken. Im Ballbesitz ist es dann wirklich wichtig, zu verhindern, dass der Gegner einen Konter starten kann.

Belgien Fußball Nationalmannschaft | Axel Witsel & Kevin De Bruyne
In der belgischen Nationalmannschaft: Axel Witsel und Kevin De Bruyne (r.)Bild: picture-alliance/dpa/NurPhoto/M. Kireev

Und wenn die Mannschaft mit zwei Sechsern agiert, wie ändert sich dann Ihre Rolle?

In der belgischen Nationalmannschaft spiele ich auf dieser Position neben Kevin de Bruyne. Er ist ein fantastischer Fußballer und es ist leicht, mit ihm zu spielen. Er denkt ja eher offensiv, da habe ich dann ja eher einen defensiven Job. Das erlaubt es De Bruyne, freier zu agieren. Außerdem habe ich ja die Fähigkeit, das Spiel aufzubauen, also bleibe ich in unserer eigenen Hälfte und versuche, den richtigen Pass zu spielen.

Ex-Profi Jamie Carragher vom FC Liverpool hat einmal gesagt, dass ein Verein für einen "Sechser" nicht so viel Geld ausgeben sollte. Was sagen Sie dazu?

Der denkt vielleicht so, weil ein "Sechser" ja keine 30 Tore in der Saison macht. Aber schauen Sie sich Claude Makélélé an [Anm. d. Red.: früherer französischer Nationalspieler, heute Trainer]. Er war phantastisch auf dieser Position und für das Team genauso wichtig wie die Spieler im Angriff.

"Manchmal treffe ich doch!"

Was glauben Sie? Warum ist die Position mit der Nummer Sechs unterbewertet?

Leute, die sich im Fußball auskennen, sehen das ja anders. Wie ich schon gesagt habe: Wir stehen eher im Schatten, aber ich hab' damit gar kein Problem. Ich habe kein Problem damit, nicht so im Scheinwerferlicht zu stehen.

Also ist Toreschießen nicht so wichtig für Sie?

Manchmal treffe ich doch! Ich habe in dieser Saison drei Tore für Dortmund erzielt, und wenn ich Glück habe, kommen noch vier bis fünf bis zum Ende der Spielzeit dazu. Aber, alles in allem, ist Toreschießen nicht meine Aufgabe.

Mit Belgien zum Titel? 

Sie haben zwei Töchter. Würden Sie die beiden unterstützen, wenn sie für Borussia Dortmund spielen wollten?

Wenn sie für Dortmund spielen wollen, müssen die hier eine Frauenmannschaft aufbauen. Ich glaube, dass sollten sie machen, denn es gibt ja schon eine ganze Reihe starker Frauenmannschaften. Lyon und Manchester City zum Beispiel sind sehr gut. Jeder große Verein sollte eine Frauenmannschaft haben - Frauenfußball genießt ja inzwischen eine enorme Popularität.

Die belgischen Nationalmannschaft kann auf eine "Goldene Generation" zurückgreifen. Wie sind Belgiens Chancen bei der EURO 2020?

Ja klar, aber wir haben bislang noch nichts gewonnen. Doch wir haben ein wirklich starkes und talentiertes Team, das hat sich ja beim letzten World Cup in Russland gezeigt. Darauf wollen wir nun aufbauen. Die Qualität, die wir haben; die Spieler, die wir haben, die Atmosphäre im Team und unsere phantastischen Fans ... aber wir müssen nun versuchen, den World Cup oder eine Europameisterschaft zu gewinnen. Wir werden alles geben. Es wird nicht einfach werden, doch wenn wir solche Trophäen holen wollen, dann müssen wir wirklich unser Spitzenlevel erreichen.

Axel Witsel (31) spielt seit 2018 bei Borussia Dortmund im zentralen und defensiven Mittelfeld. Der in Lüttich geborene Fußballer kann außerdem inzwischen auf 105 Einsätze in der belgischen Nationalmannschaft zurückblicken.

Das Interview führte Danya Barsalona.