Böll-Stiftung schließt Äthiopien-Büro
14. November 2012"Die Auflösung der Präsenz der Stiftung in Äthiopien soll daher (auch) ein Zeichen des Protests gegen die fortschreitende Einschränkung von Bürgerrechten und demokratischer Entwicklung bedeuten." Mit diesem Satz begründet die der Grünen-Partei nahestehende Heinrich-Böll-Stiftung die Schließung ihres Büros in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba.
Der Auftrag, gemeinsam mit lokalen Partnern für Demokratie, Geschlechtergerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung einzutreten, sei unter den gegebenen Umständen nicht mehr vertretbar, schreiben die Autoren, Stiftungs-Vorstandsmitglied Barbara Unmüßig und Landesdirektor Patrick Berg in einem gemeinsamen Papier. Sie beziehen sich dabei konkret auf die Einschränkung der Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit in den vergangenen Jahren, die mit der "Charities and Societies Proclamation" (CSO) von 2009 einen vorläufigen unrühmlichen Höhepunkt fand.
Gesetz verschlechtert Menschenrechtslage
Die kurz "NGO-Gesetz" genannte Rechtssprechung, die sich gegen das Engagement von Nichtregierungsorganisationen (NGO) richtet, beschnitt die Arbeit von Menschenrechtsgruppen erheblich und zielte unter anderem auf die beiden größten äthiopischen Menschenrechtsorganisationen. Laut Amnesty International wurden nach Inkrafttreten des Gesetzes das Bankguthaben des seit 1991 aktiven äthiopischen Menschenrechtsrates (HRCO) eingefroren, neun der zwölf Büros mussten geschlossen und 85 Prozent der Mitarbeiter entlassen werden. Die Frauenrechtsorganisation "Ethiopian Woman Lawyers Organization" (EWLA) war gezwungen, 75 Prozent ihrer Mitarbeiter zu entlassen. Auch ihr Bankguthaben in Höhe von 595.000 US-Dollar wurde eingefroren. Zuvor hatte die Organisation für knapp 20.000 Frauen kostenlos Rechtshilfe geleistet. Heute sei sie kaum arbeitsfähig, so Amnesty International.
Drei Jahre lang bemühte sich die Böll-Stiftung um ein bilaterales Abkommen mit der Regierung, das ihr einen größeren Handlungsspielraum als einer unter dem NGO-Gesetz registrierten Nichtregierungsorganisation gewähren sollte. Trotz engagierter Fürsprecher wie Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel, der das Thema bei seinen Besuchen in Addis Abeba forcierte, gab es kein Zugeständnis der Gastregierung. "Wir mussten zu der Erkenntnis kommen, dass wir die Arbeit, die in unserem Mandat verankert ist, nicht mehr fortsetzen, und die Arbeit unserer langjährigen äthiopischen Partner nicht mehr unterstützen können", so der zum Jahresende scheidende Landesvertreter Patrick Berg im Gespräch mit der DW. Das NGO-Gesetz sei ein Stein in dem "Mosaik", das sich seit den Wahlen 2005 mit einer "zunehmenden Verschlechterung der Menschenrechtslage und einer Einschränkung des politischen Raumes" zeige, so Berg. Damals waren bei Demonstrationen gegen Wahlfälschungen 200 Demonstranten ums Leben gekommen.
Hoffnung auf Verbesserung verschwunden
Somit "könne das Landesbüro den Auftrag, demokratische Teilhabe, Geschlechtergerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung zu fördern, auf absehbare Zeit nicht erfüllen", hieß es nun in der Begründung. Aus den Zeilen spricht neben Frustration über das Verhalten der Äthiopier auch die Enttäuschung, dass sich die politischen Verhältnisse nach dem Tod von Premierminister Meles Zenawi im August 2012 nicht geändert haben. Tatsächlich hatten eine großzügige Amnestie für politische Häftlinge im September und historische Annäherungsgespräche mit der als Terrororganisation gebrandmarkten Befreiungsfront für den Landesteil Ogaden (ONLF) zunächst Hoffungen auf ein Tauwetter in Addis Abeba geweckt. Doch das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten machte diese jedoch bald zunichte.
Die Deutsche Presse-Agentur dpa zitiert Regierungssprecher Bereket Simon mit den Worten, seine Regierung würde sich "freuen, wenn die Heinrich-Böll-Stiftung weiterarbeiten würde". Dazu wird es nach sechs Jahren Stiftungsarbeit zu den Themenschwerpunkten Frauen und Umwelt vorerst wohl nicht kommen. Mit der Schließung des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung ist nun mit der Friedrich-Ebert-Stiftung nur noch eine einzige politische Stiftung Deutschlands im geostrategisch wichtigen Partnerland Äthiopien vertreten. "Mit einer Lockerung von Presse- und Meinungsfreiheit sowie der NGO-Gesetzgebung sei in absehbarer Zukunft nicht zu rechnen", schließen die Autoren der Böll-Stiftung die Begründung.