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Bürgerplattform will politische Wende

Vitalie Calugareanu/Robert Schwartz16. September 2015

In der Republik Moldau nehmen die Proteste gegen Korruption kein Ende. Bisher waren sie auf die Hauptstadt begrenzt, aber sie sollen ausgeweitet werden. Die Angst vor Zusammenstößen wächst.

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Moldau Massendemonstration gegen die Regierung in Chisinau (Foto: Zaharia / Anadolu Agency)
Bild: picture-alliance/AA/I. Zaharia

"Aufwecken des Präsidenten": Unter diesem Motto zogen am Mittwochmorgen Demonstranten der pro-europäischen Bürgerplattform "Würde und Wahrheit" vor den Amtssitz des Staatschefs Nicolae Timofti und forderten lautstark seinen Rücktritt. Stunden später weiteten sich die Proteste vor dem Regierungsgebäude aus, in dem das Kabinett zu einer Sitzung zusammengekommen war.

Für den kommenden Sonntag haben die Veranstalter der Demonstrationen einen Autokorso in der Hauptstadt Chisinau sowie die Ausrufung eines landesweiten Generalstreiks angekündigt: "Die Behörden lehnen unsere Forderungen ab. Deshalb werden wir unsere Protestaktionen ausweiten", sagte Andrei Nastase, ein Vertreter der Bürgerplattform.

Mangelnde Korruptionsbekämpfung

Auslöser der Proteste, die vor zehn Tagen mit einer Massendemonstration in Chisinau begonnen hatten, war der noch immer nicht aufgeklärte Bankenskandal vom Mai 2015. Damals sind rund eine Milliarde Dollar regelrecht verschwunden. Drei Banken und etliche Politiker sollen in den Skandal verwickelt sein. Die Bürgerplattform "Würde und Wahrheit" wirft der pro-europäischen Regierung mangelnden Reformwillen vor und spricht sich für die Bildung einer sogenannten "Regierung des Volks-Vertrauens" aus.

Republik Moldau Proteste in Chisinau (Foto: Vitalie Calugareanu/DW)
Protest-Camps vor dem Sitz der Regierung in ChisinauBild: DW/V. Calugareanu

Transparency International Moldova verlangt von der Regierung, die Forderungen der Demonstranten ernst zu nehmen. Die vielen Korruptionsskandale und das mangelnde Interesse der Behörden an deren Aufdeckung würden nicht länger von den Menschen geduldet und führten zu begründeten Protesten, heißt es in einer öffentlichen Stellungnahme von TI Moldova. Sollte die Regierung keine Lösungen finden, drohe ein Machtvakuum, das die Sicherheit des Landes gefährden könne. Zu den Forderungen der Demonstranten gehören die Absetzung des Staatspräsidenten und der Regierung, des Chefs der Nationalbank und des Generalstaatsanwalts.

Staat vor dem Abgrund

Die Republik Moldau droht, im Würgegriff korrupter Politiker und Oligarchen zu ersticken. Thorbjoern Jagland, Generalsekretär des Europarats, hatte bereits vor Ausbruch der jüngsten Proteste davor gewarnt und gesagt, der Staat stehe kurz vor dem Abgrund.

Nach einem Bericht des "World Economic Forum" ist die Republik Moldau das Land mit der korruptesten Justiz (Platz 144 von 144 untersuchten Staaten). Die rumänische Politologin Laura Stefan glaubt nicht, dass die moldauischen Politiker die Kontrolle der Justiz leicht aufgeben würden. Auf einer Veranstaltung in Chisinau zum Thema Korruptionsbekämpfung erklärte sie, der mangelnde politische Wille und die weitere Politisierung der zuständigen Institutionen seien die größten Hürden im Kampf gegen das "Übel Korruption".

Sven Irmer, Leiter des Büros für Rumänien und die Republik Moldau der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), sieht die moldauische Regierung in der Verantwortung, das von der Bevölkerung verlorene Vertrauen in die europäische Integration wieder zu gewinnen. "Dazu gehört eine tiefgehende Reform der Justiz, wie auch der politischen Parteien selbst, die in ihrer Struktur und Finanzierung transparenter werden müssen", so Irmer im Gespräch mit der DW. Die Korruption müsse entschieden bekämpft werden, sagte er und fügte hinzu: "Zurzeit scheint es aber kaum den politischen Willen zu geben, in Chisinau eine ähnliche Institution wie die rumänische Antikorruptionsbehörde DNA aufzubauen und ihr freie Hand zu geben".

Am Mittwoch hat die EU-Vertretung in Chisinau eine europäische Staatsanwältin präsentiert, die der moldauischen Justiz zur Seite gestellt wurde. Es ist die frühere rumänische DNA-Staatsanwältin Mariana Alexandru, die unter anderem auch im Korruptionsfall um den ehemaligen rumänischen Premierminister Adrian Nastase ermittelt hat. Nastase saß mehrere Jahre im Gefängnis und wurde 2014 frühzeitig auf Bewährung entlassen.

Moldau Massendemonstration in Chisinau (Foto: EPA/DUMITRU DORU (c) dpa - Bildfunk)
Demonstranten fordern den Rücktritt des Staatschefs Nicolae TimoftiBild: picture-alliance/dpa/D. Doru

Eskalation jederzeit möglich

Noch kann niemand sagen, wie die Protestaktionen ausgehen werden. Vertreter der Bürgerplattform wollen nicht ausschließen, dass die Demonstrationen von bestimmten Kräften missbraucht werden könnten. Alexandru Slusari, einer der Unterhändler der Protestbewegung bei den Gesprächen mit der Regierung, warnte in einem TV-Interview, niemand könne garantieren, wie lange die Proteste friedlich bleiben würden.

Sven Irmer von der KAS sagte dazu im DW-Gespräch: "Wir sehen die Perspektive einer Eskalation darin, dass sich gegebenenfalls andere politische Kräfte - vor allem die pro-russischen Parteien - dieser Protestspirale anschließen." Einen Vergleich zum "Euro-Maidan" in der ukrainischen Hauptstadt Kiew, der im Februar 2014 in Straßenkämpfen mit über 80 Toten und der Flucht des Staatspräsidenten gipfelte, hält Irmer allerdings für überzogen.