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Politik

Baerbock kritisiert Ausschluss von Frauen an Universitäten

21. Dezember 2022

Mit dem Ausschluss von Frauen an Universitäten zerstören die Taliban laut Bundesaußenministerin Baerbock die Zukunft des Landes. Auch der afghanische Ex-Bildungsminister Basir kritisierte die Entscheidung scharf.

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Bundesaußenministerin Annalena Baerbock
Bundesaußenministerin Annalena BaerbockBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat den Ausschluss von Frauen an afghanischen Universitäten scharf kritisiert. "Indem sie die Zukunft von Mädchen und Frauen in Afghanistan zerstören, haben die Taliban beschlossen, die Zukunft ihres eigenen Landes zu zerstören", twitterte die Grünen-Politikerin. Sie werde das Thema auf die Agenda der G7-Gruppe der wichtigen Industriestaaten setzen. Deutschland hat noch bis Jahresende den Vorsitz. 

Dr. Abas Basir, afghanischer Minister für Höhere Bildung bis August 2021, nannte den Schritt der Taliban gegenüber der Deutschen Welle unislamisch und beschämend. "Alle Professoren und Studenten sollten sich zusammenschließen, damit die Taliban wieder die Tore der Universitäten und Schulen für Mädchen öffnen. Wenn sie gemeinsam kündigen und die Universitäten und Schulen verlassen, kann das zu einem guten Ende führen." Der ehemalige Präsident Afghanistans, Hamid Karsai, verurteilte das Universitätsverbot für Frauen ebenfalls scharf in einem Tweet.

"Erschreckender und gemeiner Schlag"

Empört reagierte auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Er sprach von einem "weltweit einzigartigen Schritt", der die Rechte der Afghaninnen und Afghanen verletze. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, nannte das Verbot des Universitätsbesuchs für Frauen "einen erschreckenden und gemeinen Schlag" und einen "zutiefst bedauerlichen Rückschlag für das ganze Land". Man denke nur an all die Ärztinnen, Anwältinnen und Lehrerinnen, die für die Entwicklung des Landes verloren gegangen seien und "noch verloren gehen werden", sagte Türk.

Bewaffnete Taliban hindern Studentinnen daran, das Universitätsgelände von Kabul zu betreten
Bewaffnete Taliban hindern Studentinnen daran, das Universitätsgelände von Kabul zu betretenBild: Ali Khara/REUTERS

"Die Taliban können nicht erwarten, ein legitimes Mitglied der internationalen Gemeinschaft zu werden, solange sie nicht die Rechte aller Afghanen respektieren, insbesondere die Menschenrechte und die Grundfreiheit von Frauen und Mädchen", sagte der US-Vertreter bei den Vereinten Nationen, Robert Wood. Kritik kam auch von dem deutschen Diplomaten Markus Potzel. Der stellvertretende UN-Sondergesandte für Afghanistan rief die Männer in dem Land dazu auf, der zunehmend restriktiven Frauenpolitik des Taliban-Regimes zu widersprechen. 

Frauen mit sofortiger Wirkung ausgeschlossen

Die radikalislamischen Taliban in Afghanistan hatten Frauen mit sofortiger Wirkung den Besuch privater und staatlicher Universitäten verboten. Eine entsprechende Erklärung ist vom Minister für Höhere Bildung, Scheich Neda Mohammed Nadim, unterzeichnet worden. Begründet wurde die Entscheidung nicht.

Nach dem Verbot verwehrten bewaffnete Taliban und Polizisten hunderten Studentinnen den Zugang zur Hochschule in der Hauptstadt Kabul. "Wir sind am Ende, jetzt haben wir alles verloren", sagte eine junge Frau, die ihren Namen nicht nennen wollte, der Nachrichtenagentur AFP in Kabul. Die meisten Universitäten haben derzeit Winterferien, waren bisher aber für Personal und Studierende zugänglich. 

Schrittweise überhaupt keine Rechte mehr 

Seit der erneuten Machtübernahme im August 2021 haben die Taliban die Entfaltungsmöglichkeiten von Frauen massiv eingeschränkt. Afghaninnen sind vom öffentlichen Leben weitgehend ausgeschlossen. Mädchen dürfen auch keine weiterführenden Schulen ab der siebten Klasse mehr besuchen. In der Hauptstadt Kabul sind Frauen seit einigen Monaten sogar der Besuch öffentlicher Parks und das Training in Fitnessstudios untersagt. Trotz internationaler Kritik halten die Taliban bisher an ihrem Kurs fest.

Immer wieder Terror

Mit Blick auf die anhaltende Terrorgefahr hat sich die neue UN-Sondergesandte für Afghanistan in ihrer ersten Rede vor dem Sicherheitsrat besorgt geäußert. Rosa Otunbajewa sagte in New York, die Taliban hätten im Wesentlichen die Kontrolle über das Land. Sie seien jedoch "nicht in der Lage, zufriedenstellend gegen terroristische Gruppen vorzugehen, die innerhalb Afghanistans operieren".

Afghanistan Frauenbildung
Viele Menschen haben - wie diese Familie in Kabul - Angehörige bei Selbstmordattacken verloren (Archivbild)Bild: Ebrahim Noroozi/AP Photo/picture alliance

Die Zahl ziviler Opfer bei Terroranschlägen wie jüngst gegen ausländische Botschaften und ein Hotel sei "nach wie vor hoch". Während die Taliban in früheren Jahren selbst regelmäßig Sprengstoffattentate verübten, sind inzwischen meist rivalisierende Terrorgruppen wie der "Islamische Staat" (IS) für die Anschläge verantwortlich.

Gleichzeitig prangerte die Chefin der UN-Mission in Afghanistan die drakonische Durchsetzung der Scharia, des islamischen Rechts, an. Otunbajewa kritisierte etwa die öffentliche Hinrichtung eines Mannes Anfang Dezember wegen Raubmords. Beobachter werfen den Taliban zudem gezielte Racheaktionen und die Tötung von Kritikern vor. Die humanitäre Lage in dem Land am Hindukusch hat sich massiv verschlechtert. Millionen Menschen sind auf Unterstützung und Lebensmittelhilfen angewiesen.

se/kle/los/jj/sti (afp, epd, dpa, rtr)