Wie das BAMF funktioniert
28. Mai 2018Was sind die Aufgaben des BAMF?
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) existiert in Deutschland erst seit 2005. Nach einer Umstrukturierung hatte sich die "Bundesdienststelle für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge" einen neuen Namen gegeben. Der Vorläufer des BAMF wurde 1953 gegründet, nachdem Deutschland der Genfer Flüchtlingskonvention beigetreten war. Gerade einmal 40 Mitarbeiter waren in den 1950er Jahren in der Bundesrepublik für die Asylanträge von Flüchtlingen zuständig. In den ersten Jahrzehnten nach ihrer Gründung zog es nur wenige nicht-deutsche Flüchtlinge in die Bundesrepublik.
Diese Lage änderte sich dramatisch mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Nach der Wiedervereinigung baute die Behörde 48 Außenstellen auf, die über das ganze Bundesgebiet verteilt wurden. Der Personalbestand der Bundesdienststelle wuchs auf mehr als 4000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Mit der Umstrukturierung 2005 wurden die Kompetenzen des BAMF erweitert. Neben der Bearbeitung von Asylanträgen ist die Behörde seitdem auch für die ersten Integrations- und Sprachkurse der Geflüchteten zuständig. Auch die Regelung der Rückkehr abgelehnter Asylbewerber obliegt dem BAMF.
Wer in Deutschland um Asyl bittet, wird zunächst in den Ankunftszentren des BAMF ärztlich untersucht und stellt einen Asylantrag. Außerdem wird hier die Identität des Flüchtlings geprüft. Erforderlich ist dazu auch eine persönliche Anhörung. Eigentlich.
Was ist eine Anhörung und warum ist sie wichtig?
Die Anhörung ist gesetzlich vorgeschrieben. Der Asylantragsteller muss persönlich vorsprechen und seine Verfolgung glaubhaft darlegen können. Genau das geschah offenbar über einen langen Zeitraum in der Außenstelle Bremen nicht oder nur unzureichend. Rund 1200 positive Bescheide sollen ohne Anhörung oder eindeutige Identitätsfeststellung ergangen worden sein.
Aber nicht nur in Bremen wurde offenbar nachlässig gearbeitet. Dem deutschen Bundeswehrsoldaten Franco A. gelang es in einer anderen BAMF-Außenstelle. sich als syrischer Flüchtling registrieren zu lassen. Weder seine Geschichte noch seine angeblich durch einen Angriff der Terrororganisation IS verursachte Verletzung wurden überprüft.
Anhörungen kosten Zeit. Zeit, die spätestens mit der großen Einwanderungswelle 2015 immer knapper wurde. Der "Spiegel" zitiert einen Mitarbeiter, der von bis zu 12 Anhörungen pro Tag spricht.
Wer arbeitet beim BAMF?
Bereits 2014, als die Zahl der Asylanträge stark anstieg, verlängerte sich die Bearbeitungsdauer massiv. Zusätzliche Mitarbeiter bekam die Behörde von der Bundesregierung aber nicht bewilligt. Mit der großen Einwanderungswelle 2015 verschärfte sich die Situation noch einmal, als insgesamt rund 890.000 Asylsuchende ins Land kamen. Das BAMF geriet in die Kritik, weil sich die Bearbeitung der Fälle immer weiter verzögerte.
Auf Wunsch von Bundeskanzlerin Angela Merkel übernimmt 2016 Frank-Jürgen Weise die Leitung der Behörde. Der Chef der Bundesagentur für Arbeit gilt als exzellenter Verwaltungsfachmann und soll die Behörde effizienter organisieren - und dafür sorgen, dass die Anträge schneller abgearbeitet werden. Mittlerweile sind die Antragsstapel den Mitarbeitern über den Kopf gewachsen.
Die Bundesregierung stockt das Personal des BAMF auf 7.300 Mitarbeiter auf. Außerdem leiht sich Weise etwa 1600 Beamte unter anderem von der Post, der Bahn, der Bundesagentur für Arbeit (BA) und der Bundeswehr. Temporär angestellte Laien, denen in Crashkursen das Entscheiden über Asylanträge vermittelt wird. Etwa 1500 Entscheider sind nur befristet angestellt.
Zwei Mitarbeiter des BAMF berichteten der ARD von erheblichen Mängeln in der Einarbeitung der fachfremden Personen. Diese seien nur kurz mit dem Ausländerrecht und dem Asylverfahrensgesetz vertraut gemacht worden, aber schon nach wenigen Wochen in Anhörungen und für Asylbescheide eingesetzt worden.
Wer kontrolliert das BAMF?
Die Aufsichtsbehörde des BAMF ist das Bundesministerium des Innern und deshalb seit dem Amtsantritt der neuen Bundesregierung Horst Seehofers Sorgenkind. Eine neutrale Instanz, die das Bundesamt kontrolliert, gibt es nicht.
2013 befreite das Bundesinnenministerium das BAMF von der Pflicht, die Quote der anerkannten Asylanträge jeder Außenstelle regelmäßig nach Berlin zu melden. So fielen die übermäßig vielen positiven Bescheide in Bremen, Bingen und anderen Außenstellen lange nicht auf. Mittlerweile wurde die Meldepflicht wieder eingeführt.
"Die Qualität der Bescheide muss noch besser werden", sagt Horst Seehofers parlamentarischer Staatssekretär Stephan Mayer in der Talkshow "Anne Will". Einiges sei schon verbessert worden, sagt Mayer und verweist auf das Vier-Augen-Prinzip, das seit dem 1. September 2017 gilt. "Jeder Bescheid muss seitdem von mindestens zwei Mitarbeitern erlassen werden."
Was passiert jetzt mit dem BAMF?
In der Außenstelle Bremen sollen nun alle Bescheide geprüft werden, die seit 2000 dort ergangen sind. Laut Innenminister Horst Seehofer wird dafür ein Zeitraum von drei Monaten angesetzt. Außerdem hat Seehofer entschieden, dass das Ankunftszentrum in Bremen ab sofort und bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens keine Asylentscheidungen mehr treffen darf.
In zehn weiteren Außenstellen der Behörde sollen Verdachtsfälle geprüft werden. Zur Aufklärung des BAMF-Skandals ist zunächst an diesem Dienstag eine Sondersitzung des Innenausschusses anberaumt, an der auch die amtierende BAMF-Präsidentin Jutta Cordt teilnehmen wird. Außerdem droht die Opposition mit einem Untersuchungsausschuss.
Laut "Spiegel" ist zur Aufklärung des Skandals nun auch das Bundeskriminalamt (BKA) und das Bundesamt für Verfassungsschutz einbezogen worden. Von den laschen Überprüfungen der Asylbewerber könnten schließlich auch Menschen mit kriminellen Absichten profitiert haben.