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Obama und Springsteen: zwei Abtrünnige

Stuart Braun
26. Oktober 2021

Wie lässt sich die Spaltung der USA überwinden? Antworten geben Obama und Springsteen in "Renegades: Born in the USA" - erst als Podcast und jetzt als Buch.

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Bruce Springsteen und Barack Obama sitzen an einem Tisch, vor ihnen Mikrofone.
Vertraut und herzlich: Bruce Springsteen (l.) und Barack Obama bei der Podcastaufzeichnung in Springsteens Tonstudio in New JerseyBild: Rob DeMartin/Spotify/AP Photo/picture alliance

Barack Obama und Bruce Springsteen sind seit vielen Jahren befreundet. Kennengelernt haben sie sich 2008, als der legendäre Rockmusiker auf der Wahlkampftour des damaligen Senators auftrat, der Präsident der Vereinigten Staaten werden wollte. Acht Jahre später erhielt Springsteen von Präsident Obama im Weißen Haus die Presidential Medal of Freedom für sein ziviles Engagement.

Als sich Jahre später das Land wegen der Black-Lives-Matter-Proteste und der Corona-Pandemie spaltete, trat Obama mit einer Idee an "The Boss" heran: Wie wäre es, in einem Podcast gemeinsam den Zustand der Nation zu reflektieren - und dabei auch vom eigenen Erwachsenwerden in der US-amerikanischen Gesellschaft zu erzählen?

Als "Renegades: Born in the USA" stürmte dieser Gesprächspodcast im Februar 2021 die Charts der Streamingplattform Spotify. Die selbsternannten "Renegades", also "Abtrünnige", erzählen darin, wie sie sich den US-amerikanischen Traum erfüllten und es als Außenseiter an die Spitze ihres jeweiligen Gebiets schafften. In dem Buch, das an den Erfolg des Renegades-Podcast anknüpft, erkunden Obama und Springsteen die Kämpfe und Widersprüche ihrer Nation.

Cover des Buches "Renegades: Born in the USA" zeigt Barack Obama lächelnd und einander zugewandt.
Die beiden langjährigen Freunde Barack Obama und Bruce Springsteen sprechen über Träume, Mythen und MusikBild: Crown/AP Photo/picture alliance

Gemeinsame Reise

"Bruce und ich hatten beide das Gefühl, dass es notwendig war, die Geschichte (der USA) Revue passieren zu lassen, um sie inklusiv zu machen", sagte Obama am Sonntag (24. Oktober 2021) in einem Interview beim US-Sender CBS. "Die Menschen müssen das Land als das anerkennen, was es ist, mit seinen Fehlern, aber auch mit seinen Segnungen", fügte Springsteen hinzu.

In einem Gespräch mit der deutschen TV-Anstalt ARD bezeichnete der 44. US-Präsident seinen Podcast-Kollegen als "einen großartigen Chronisten des amerikanischen Lebens, einen Geschichtenerzähler, der viele seiner Widersprüche einfängt". 

Sie beide hätten sich auf ihre jeweils eigene Art auf eine ähnliche Reise begeben und versucht, ihr Land zu verstehen, das ihnen so viel gegeben habe, schreibt Barack Obama in der Einleitung des Buches. 

In ihrer vertrauten, eindringlichen Podcast-Reihe berühren die beiden viele wichtige Themen: von Rassismus im Wahlkampf über die Bürgerrechtsbewegung und Watergate bis hin zu den Visionen der Gründungsväter. Aufgenommen werden die Gespräche in Springsteens Studio, das mit Gitarren und Verstärkern vollgestellt ist. Und so ist auch Musik natürlich ein weiteres unvermeidliches Thema - von Bob Dylan bis zum Hip-Hop und dem Einfluss schwarzer Musiker wie Aretha Franklin und James Brown.

Barack Obama steht hinter Bruce Springsteen und legt ihm eine Medaille um.
Präsident Barack Obama überreichte Bruce Springsteen 2016 die Presidential Medal of FreedomBild: Reuters/Y. Gripas

Sieg der Abtrünnigen

Das Duo kommt aus sehr unterschiedlichen Verhältnissen und scheint Welten voneinander entfernt zu sein. Barack Obama war aufgrund seines Namens und seiner Hautfarbe ein "Abtrünniger", als er in den 1960er- und 1970er-Jahren auf Hawaii aufwuchs. Gemeinsam ist den Podcastern ein weitgehend abwesender Vater und der Kampf, diese Lücke zu füllen.

"Als ich jung war, fühlte ich mich sprachlos und unsichtbar, aber ich kämpfte darum herauszufinden, wo ich hingehöre", sagte der in New Jersey aufgewachsene Springsteen im CBS-Interview. Die erste Gitarre kaufte dem 1949 geborenen Musiker seine alleinerziehende Mutter - mit einem Bankkredit. Doch trotz dieser schwierigen Startbedingungen schaffte er es zum Superstar des Rocks.

Abgesehen von dem mythischen Amerika, das er 1975 auf seinem bahnbrechenden Album "Born to Run" besang, ist der "Boss" auch ein scharfer Kritiker der USA, insbesondere des Vietnamkriegs. Diesem Thema widmete er sich in seinem größten Hit: In "Born in the U.S.A." (1984) geht es um einen Vietnam-Veteranen, der durch seinen Dienst als Soldat auf Anerkennung hofft und stattdessen bei seiner Rückkehr in der Heimat auf Ablehnung stößt.

Der Song legte, so Obama und Springsteen, die Spannungen in den USA offen - und um die geht es auch im Podcast und im gleichnamigen Buch. Die Rassenfrage und die weißen Ressentiments der Trump-Ära tauchen wieder auf, nicht nur im Hinblick auf die Rassenunterschiede, die Obama überwinden musste: Es geht auch um Springsteens Bemühungen, diese Unterschiede zu überwinden. So trat seine E Street Band jahrzehntelang mit dem schwarzen Saxophonisten Clarence Clemons auf - der auch auf dem ikonischen Cover von "Born to Run" verewigt ist.

Bruce Springsteen, im Hintergrund sind die Sterne der US-amerikanischen Flagge zu sehen.
"Born in the U.S.A.": Bruce Springsteen 1985 bei einem Abschlusskonzert der Welttournee in Los AngelesBild: picture-alliance/AP/L. McLendon

Vom Podcast zum Buch

Das am 26. Oktober weltweit veröffentlichte Buch "Renegades: Born in the USA" erweckt die vertrauten Gespräche des Podcasts in einem illustrierten Buchformat, das auch Fotos aus den Privatsammlungen der Autoren enthält, zum Leben. Hinzu kommt seltenes Archivmaterial, darunter Springsteens handgeschriebene Songtexte und Obamas kommentierte Präsidentschaftsreden - wie seine herausragende Rede zum 50. Gedenktag des "Bloody Sunday" in Selma (Alabama); damals attackierte die Polizei schwarze Bürgerrechtsvertreter.

Während das ungleiche Paar über Ehe, Vaterschaft, Männlichkeit und Bürgerrechte nachdenkt, kommen beide immer wieder auf ein zentrales Thema zurück: Können die von Grund auf gespaltenen USA jemals wieder vereint werden?

Wie Springsteen in der Einleitung des Buches schreibt, besteht die Herausforderung jetzt darin, sich mit zerstörerischen Kräften auseinanderzusetzen. "Es ist eine Zeit der Wachsamkeit, in der wir ernsthaft auf die Probe gestellt werden." 

Adaption aus dem Englischen: Nadine Wojcik. 

DW Autor l Kommentatorenfoto Stuart Braun
Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.