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Lifestyle

Drei Konzepte für die Mode der Zukunft

Jan Tomes mr
26. Februar 2017

Mode ist schön, ihre Produktion schadet aber der Umwelt. Einige Designer suchen nach neuen Ideen für das 21. Jahrhundert. Sie wollen Kleidung ökologischer produzieren. Warum nicht selber Fasern herstellen?

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Fashion Mode Innovation Jan Tomes
Bild: Martine Jarlgaard London

Angesichts rasanter wissenschaftlicher Fortschritte hat sich in der Mode erstaunlich wenig getan in den letzten 100 Jahren. Noch immer muss für die Herstellung eines einfachen T-Shirts viel Aufwand betrieben werden: Es muss angepflanzt, geerntet, gekämmt, zu Garn gesponnen, zu Stoff gewebt und schließlich zu Kleidung verarbeitet werden. Danach muss es verpackt, verschickt, wieder ausgepackt und verkauft werden.

Nach Angaben des amerikanischen Wirtschaftsforschungsinstituts D&B Hoover von 2014 ist die Modeindustrie weltweit mehr als 1,2 Billionen Dollar wert. Dennoch, verglichen mit dem Produktdesign, das regelmäßig neue Materialien und Arbeitsabläufe einführt, oder der Kunst, welche jede neue Technologie aufgreift und spielerisch benutzt, sieht die Mode wie ein Relikt aus alten Zeiten aus und nicht als eine lebendige Industrie.

Die gerade zu Ende gehenden Fashion Weeks in New York und London zeigen, dass innovative Trends Mangelware sind. Altbackene Einfälle wie Blumenkleider, karierte Mäntel, Samt und unsymmetrische Schnitte bestimmen bisher die Laufstege der Herbst- und Winter-Saison 2017. Es besteht wenig Hoffnung, dass aus Mailand und Paris wie in vergangenen Jahren frische Impulse kommen werden.

Fashion Mode Innovation Jan Tomes
Eine Jacke hergestellt mit Suzanne Lees BioCouture TechnikBild: Suzanne Lee

Es gibt aber noch ein anderes gewichtiges Argument für einen Wandel in der Modewelt: Die Kleiderindustrie ist der zweitgrößte Umweltverschmutzer der Welt – gleich nach der Ölindustrie. Jedes Jahr verbraucht die Industrie bei der Herstellung von Polyester insgesamt 7,75 Billionen Liter Wasser und 10 Millionen Tonnen Erdöl.

Angesichts dieser alarmierenden Zahlen arbeiten Designer und Forscher an innovativen Strategien, um die visionäre Kraft der Mode neu zu beleben.

Bau deine eigene Kleidung an

Mit Hilfe eines Biologen hat die britische Forscherin Suzanne Lee begonnen, eine neue Methode zur Materialproduktion zu entwickeln: BioCouture benutzt Bakterien, um Fasern anzubauen.

Der Prozess klingt ganz einfach: Sie kocht bis zu 30 Liter Tee und mischt diesem, während er noch heiß ist, ein paar Kilo Zucker bei. Dann schüttet sie lebende Organismen und Essigsäure hinzu. Hält man das Ganze in der richtigen Temperatur, entwickelt sich daraus innerhalb von zwei oder drei Wochen eine dicke Schicht Gewebe. Diese muss ordentlich getrocknet werden, da der meiste Teil ihres Gewichts aus Wasser besteht.

Das Ergebnis ist ein leichtes, papierartiges Material, das Lee als "flexibles Pflanzenleder" beschreibt. Es verursacht keinen Müll, ist vollständig erneuerbar und kann, falls nötig, kompostiert werden.

2010 schaffte es Lee mit ihrer BioCouture in die jährlichen Top 50 Innovationen-Liste des Time Magazines. "Ich versuche, dem Material die Eigenschaften zu geben, die ich benötige. Ich möchte also zukünftig einem Tierchen sagen können: 'Spinn mir einen Faden und richte ihn in folgende Richtung aus. Mach ihn wasserabweisend. Und wenn du schon dabei bist, forme ihn um dieses 3D Objekt'", erklärt sie während eines Vortrags auf einer Innovationskonferenz.

Bangladesch Textilfabrik
Rouseks Prototyp möchte eine Alternative zu Sweatshops bietenBild: picture alliance/ZUMA Press

Ihre Forschung hat in der Branche großes Interesse hervorgerufen und Anregung für andere geliefert. Allein im vergangenen Jahr stellten zehn weitere Designer ihre Produkte basierend auf ähnlichen Ideen auf der Biofabricate vor, einer jährlichen Gipfelkonferenz zu Design, Biologie und Technologie, welche von Lee gegründet und von Adidas unterstützt wird.

Die unsichtbare Kette der Qual

Stoffe stehen nur am Anfang einer Fertigungskette, an deren Ende die fertige Kleidung im Geschäft gehört. Sie bleibt unsichtbar für die meisten Kunden, außer es kommt  zu einem Unglück – wie bei dem Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch 2013, bei dem 1129 Textilarbeiter getötet wurden.

"Es gibt viel Leid in der Branche", sagt Petr Rokusek, ein tschechischer Unternehmer, dessen Ziel es ist, die Mode komplett unabhängig von menschlichen Arbeitskräften zu gestalten. Oder zumindest eine Alternative zu den traditionellen Strukturen zu bieten.

Seine Maschine ist noch ein Prototyp. Sie basiert auf einem personalisierten digitalen Körpermodell, das Informationen über den Benutzer speichert, sodass man vorgeladene Designs auf den Körper des zukünftigen Träger projizieren und anpassen kann. Sobald der Kunde die Bestellung abschickt, kann das Gerät selbständig den Stoff drucken und schneiden.

Fashion Mode Innovation Jan Tomes
Designerin Monika Drapalova benutze Rokuseks Erfindung für ihre Kollektion. Sie wurde auf der Prager Fashion Week letzten Herbst vorgestelltBild: MBPFW

Dieser Ansatz ist nicht ganz neu, aber Rokuseks Apparat geht noch einen Schritt weiter: Mit Hilfe von computergesteuerten Armen kann er die Schnitte zusammenschweißen, ohne einen einzigen Faden oder eine Nadel zu benutzen. Weil er erst auf Kundenbestellung produziert, liefert er nur die benötigte Menge Kleidung.

"Was wir machen, könnte die komplette Modebranche umwerfen und dezentralisieren", behauptet Rokusek.

Auch wenn die Modeindustrie ein Ausbeutungsbetrieb ist, bemühen sich inzwischen sowohl Modeketten als auch Luxus- und Premiummarken darum, dies zu ändern.

Wenn Virtuelles Wirklichkeit wird

Martine Jarlgaard beschloss deshalb ihre eigene Marke zu gründen, nachdem sie für Firmen wie Vivienne Westwood und Diesel gearbeitet hatte. "Die schnelle Massenproduktion hat einen übersättigter Markt und langsames Wachstum hervorgebracht. Das Ergebnis ist ein sehr unstabiles Konstrukt. Kreativität, Originalität und Vielfalt leiden", sagt sie. "Mit Vorkollektionen und immer mehr Fashion Weeks, Handelsmessen und Veranstaltungen erlebt die Mode eine Art Inflation."

Mal abgesehen davon, dass Jarlgaard Kollektionen lokal produziert, wurde Jarlgaard bekannt dafür, die Modewelt an sich zu hinterfragen. "Mit meiner Arbeit möchte ich die Technologie voranbringen. Neugierde und Entdeckungsfreude sollen entstehen statt Passivität."

Während der London Fashion Week im letzten September stellte sie ihr neustes Angebot nicht auf einem herkömmlichen Laufsteg vor. Sie nutzte die neue Technik der Augmented Reality für sich, also eine computergestützte Darstellung, welche die reale Welt um virtuelle Aspekte erweitert. Außerdem verwendete sie 3D-Brillen: "Die Kollektion dreidimensional erleben zu können, ist optimal, da du die Stücke wie Skulpturen sehen kannst; ganz nah oder von Ferne, wie du möchtest. Außerdem kann man sich die Kollektion beliebig oft anschauen, ohne dass man auf eine umfangreiche Showproduktion angewiesen ist."

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Ein Kleid aus Martine Jarlgaards Kollektion, mit Augmented Reality auf der Londoner Fashion Week vorgestelltBild: Martine Jarlgaard London

Die Existenz von Fashion Weeks wurde in letzter Zeit sogar von etablierten Modezeitschriften in Frage gestellt. In Zeiten der Sozialen Medien und sofortigem Zugriff auf Informationen sei die seit 70 Jahren bestehende Struktur eher überholt. "Modeschauen, die digitale und reale Inhalte vermischen, sind der Weg in eine interaktivere, forschungsfreudigere Zukunft, in der Konsumenten angezogen werden von Erfahrung, Ethik, Authentizität und einer Vision, die über bloße Ästhetik hinaus geht", sagt Jarlgaard. "Ich hoffe, dass sich immer mehr Marken vom Modesystem unabhängig machen."

Welcher Weg weist in die Zukunft der Mode?

Auch wenn die vorgestellten Innovationen allesamt spannend sind, ist es von der Idee zur Umsetzung ein langer Weg. Petr Rokusek erklärt den Grund so: "Stellen Sie sich vor Sie hätten hunderte Milliarden Dollar in eine Infrastruktur gesteckt. Ich glaube, Sie würden sie nicht aufgeben wollen, auch wenn Sie wissen, dass sie nicht mehr gut funktioniert. Aus dem gleichen Grund fahren wir immer noch Autos mit Verbrennungsmotoren, obwohl es schon seit den 60er Jahren Elektroautos gibt."

Eins ist sicher: Es wird nicht leicht fallen, das Alte hinter sich zu lassen und das Neue zu akzeptieren. Lee, Rokusek und Jarlgaard vertreten nur einen Bruchteil der Innovationen der Modewelt: Sie machen Hoffnung, dass die Lösung nur eine Mikrobe, ein neue Maschine oder einen Klick entfernt sind.