Bauernverband kritisiert Aldi, Lidl & Co.
29. Dezember 2009Bei den Landwirten in Deutschland rumort es ordentlich. Der Markt zahlt immer weniger für ihre Erzeugnisse und die großen Lebensmittelketten unterbieten sich mit Rabattschlachten. Mit den Niedrigpreisen derzeit sei "der Boden erreicht, so dass wir mit einem leichten Preisanstieg rechnen können", sagte Gerd Sonnleitner, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), der "Bild"-Zeitung vom Dienstag (29.12.2009). Höhere Lebensmittelpreise wären aus Sicht der Landwirte "mehr als fair", kommentierte Sonnleitner die Preisentwicklung. Dabei greift er die Konsumenten in Deutschland frontal an: Verbrauchern sei das Gefühl für angemessene Nahrungspreise verlorengegangen. "Die Deutschen definieren Nahrungsmittel über den Preis: Essen soll billig sein und nicht dick machen. Aber dass es Lebensqualität ist, Genuss, kommt zu kurz. So etwas wie 'Liebe geht durch den Magen‘ hört man nicht mehr."
Bauern leiden unter Wettbewerb der Discounter
Dabei kritisiert er vor allem Aldi, Lidl und Co.: Ursache der niedrigen Lebensmittelpreise sei der scharfe Wettbewerb unter den Lebensmittel-Discountern, sagte Sonnleitner. "340.000 Bauern stehen fünf große Discounter gegenüber, die den Markt so im Griff haben, dass sie alle ausspielen können." Das Fazit des Verbandspräsidenten: Der Lebensmitteleinzelhandel trage seinen Wettbewerb auf dem Rücken der Bauern aus. Und tatsächlich: Die Billig-Supermarktketten senkten im Jahr 2009 zwölf Mal dauerhaft die Preise für viele Produkte, darunter auch Milchprodukte wie Käse. Durch die massiven Preissenkungswellen versuchen die Supermarktketten ihre Marktanteile auszuweiten.
Die Konzentrationstendenzen auf dem Lebensmittelmarkt sind aus Sicht der Bauern gefährlich. Sonnleitner warnte vor Schäden des Preiskampfs der Discounter für die Landwirtschaft und die gesamte Gesellschaft. "Langfristig kriegt der Verbraucher die Rechnung, wenn die Landwirtschaft stirbt, die Versorgungssicherheit nicht mehr gewährleistet ist und wir abhängig werden von Import und extremen Preisschwankungen." Für Sonnleitner ist klar: die Lebensmittelpreise werden 2010 ansteigen. Das kommende Jahr dürfte aus Sicht des Bauernverbandes speziell für die Milchbauern Besserung bringen. Da sich für die nächsten Monate leichte Preiserhöhungen abzeichneten, könnte 2010 "ein deutlich besseres Jahr werden als 2009", erklärte der DBV. Demnach könnten Bauern demnächst für ihre Milch Erzeugerpreise von 26 bis 28 Cent pro Kilogramm bekommen. Im Oktober hatte der Preis noch bei 24,7 Cent gelegen.
Zucker und Kakaopreise ziehen an
Zudem zeichnen sich bei weiteren Nahrungsmitteln Aufschläge ab. So haben etwa die Kakaopreise angezogen und auch Zucker wurde teurer, sagte die Sprecherin der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, Sabine Eichner-Lisboa. Bei Molkereiprodukten zogen die Preise ebenfalls an. "Die Talsohle müsste bei den Preissenkungen erreicht sein", meinte Eichner-Lisboa. Mengenmäßig habe die Branche nicht weniger verkauft, erklärte sie. Jedoch seien die Verkaufspreise im Handel im Jahresverlauf um rund vier Prozent zurückgegangen, weshalb der Verband für 2009 mit einem Umsatzrückgang von ebenfalls vier Prozent auf 150 Milliarden Euro rechnet.
Mit steigender Arbeitslosigkeit könnten aber auch die Verbraucher im kommenden Jahr zurückhaltender werden, schlussfolgerte die Verbandssprecherin. Dennoch sieht sich die Branche als stabiler Anker in der Krise, denn bisher sparten die Menschen nicht am Essen. Laut Statistischem Bundesamt ist der Absatz von Nahrungsmitteln und Getränken trotz Krise bisher nicht eingebrochen. Der Ausblick der Lebensmittelindustrie auf 2010 sei "verhalten optimistisch", sagte Eichner-Lisboa. Doch bleibt die Qualität der Lebensmittel trotz des Preisdrucks weiter hoch? "Um bei steigenden Kosten oder bei gleichbleibenden Kosten und der Anforderung immer günstiger zu werden, mithalten zu können, ersetzen Erzeuger zunehmen teure Inhaltsstoffe durch günstigere. Das kann auch die Qualität der Produkte mindern", meint Jutta Jaksche vom Verbraucherzentralen Bundesverband. So monieren Verbraucherschützer Lebensmittel-Imitate wie Analog-Käse und Mogel-Schinken.
Niedrigste Inflationsrate seit zehn Jahren
Aus Sicht der Konsumforschung waren die günstigen Lebensmittelpreise 2009 eine hilfreiche Belebung der angeschlagenen Konjunktur. Wolfgang Twardawa vom Marktforschungsinstitut GfK lobte die günstigen Lebensmittelpreise im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AP als "größtes Konjunkturprogramm für die Verbraucher 2009". Die Lebenshaltungskosten in Deutschland sind in diesem Jahr nur minimal gestiegen: Die Inflationsrate betrug voraussichtlich 0,4 Prozent, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Dienstag mitteilte. Grund waren für die Statistiker vor allem die gesunkenen Preise für Benzin, Diesel und Heizöl - sowie die sehr moderaten Nahrungspreise. Mit 0,4 Prozent erreichte die Inflationsrate 2009 ein Zehn-Jahres-Tief. Zuletzt war die Jahresteuerungsrate 1999 ähnlich niedrig gewesen.
Autor: Marcus Bölz (AP, dpa)
Redaktion: Martin Schrader