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Bayern berät über "Notwehr"

9. Oktober 2015

Der Freistaat will die hohe Zahl einreisender Flüchtlinge verringern. Maßnahmen dazu will das Kabinett heute vorstellen. Landeschef Seehofer kündigte an, Flüchtlinge auch direkt in andere Bundesländer weiterzuleiten.

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Flüchtlinge am Passauer Bahnhof in Niederbayern (Foto: dpa)
Flüchtlinge am Passauer Bahnhof in NiederbayernBild: picture-alliance/dpa/T. Hase

Angesichts der weiter hohen Flüchtlingszahlen berät das bayerische Kabinett über einen möglichen Alleingang. Vor der heutigen Sitzung der Landesregierung hat Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) in der "Bild"-Zeitung "Maßnahmen der Notwehr zur Begrenzung der Zuwanderung" angedroht. Als Beispiele nannte er "Zurückweisungen an der Grenze zu Österreich und unmittelbare Weiterleitung neu eintreffender Asylbewerber innerhalb Deutschlands". Der bayerische Landeschef kritisierte erneut Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). "In den Flüchtlingslagern in Nahost ist durch falsche Signale aus Deutschland eine Sogwirkung entstanden mit der Botschaft: Die Deutschen wollen ja, dass wir kommen", sagte Seehofer der Zeitung.

Merkel wandte sich erneut gegen die pauschale Zurückweisung von Flüchtlingen. Jeden Fall müsse man sich genau anschauen. Gerade christliche Parteien mit einem "C" im Namen trügen eine besondere Verantwortung bei dem Thema, sagte die CDU-Chefin in Wuppertal."Zäune um Deutschland herum werden nicht helfen", sagte Merkel.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (Foto: dpa)
Bayerns Ministerpräsident Horst SeehoferBild: picture-alliance/dpa/M. Balk

Wien warnt vor Zurückweisungen

Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner warnte vor einer Rückschiebung von Flüchtlingen. "Sollte Bayern tatsächlich vorhaben, Flüchtlinge, die in Deutschland bleiben wollen, nach Österreich zurückzubringen, könnte uns eine humanitäre Krise neuen Ausmaßes in Österreich drohen", sagte sie in Luxemburg. Es seien zudem Ausschreitungen zu befürchten, wenn Flüchtlinge, die in Deutschland bleiben wollten, nach Österreich zurückgeschoben würden. Wenn Bayern die Zuwanderung durch Zurückweisungen an der Grenze drosseln wolle, werde auch Österreich das tun.

Das an Bayern grenzende österreichische Bundesland Salzburg reagierte zunächst gelassen auf die Ankündigung bayerischer Maßnahmen. "Warten wir ab, was Bayern wirklich macht. Grenzschutz ist in Deutschland Bundessache, und Angela Merkel hat sich zuletzt mehrfach klar zu dem Thema geäußert», sagte ein Sprecher des Ministerpräsidenten Wilfried Haslauer (ÖVP). Die Migranten würden sich auch von Sperren und Abschiebungen nicht von ihrem Ziel Deutschland abhalten lassen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Diskussion mit der CDU-Basis (Foto: dpa)
Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Diskussion mit der CDU-BasisBild: picture-alliance/dpa/M. Becker

Mahnungen von der SPD

Unterdessen werden auch bei der SPD die Stimmen lauter, die auf eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen dringen. Vizekanzler Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnten im Magazin "Spiegel" in einem gemeinsamen Beitrag: "Wir können nicht dauerhaft in jedem Jahr mehr als eine Million Flüchtlinge aufnehmen und integrieren." Trotz der hohen Hilfsbereitschaft der Deutschen müsse das Mögliche getan werden, damit die Zuwanderungszahlen nach Deutschland wieder sinken. "Unsere Politik wird nur dann auf Dauer mitgetragen, wenn wir die Hilfsbereitschaft der Menschen in unserem Land nicht überfordern", erklärten die beiden SPD-Minister.

Die Meinung der Deutschen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise hat sich dem ZDF-"Politbarometer" zufolge gewandelt. In der am Freitag veröffentlichten Umfrage äußerten nur noch 45 Prozent die Meinung, dass die Bundesrepublik die große Zahl an Flüchtlingen verkraften kann. 51 Prozent sehen das hingegen nicht so. Vor zwei Wochen waren die Deutschen noch zuversichtlicher: Damals war eine Mehrheit von 57 Prozent der Ansicht, dass die Flüchtlingszahlen zu bewältigen sind, nur 40 Prozent waren skeptisch.

Hinweise auf Terroristen

Nach Angaben der Minister für Inneres und Justiz, Heiko Maas (SPD) und Thomas de Maizière (CDU), gab es in diesem Jahr bereits 490 Straftaten gegen Asylbewerberunterkünfte. "Das ist eine bittere Bilanz", erklärte Maas. Der Anstieg sei beschämend für das Land. Nach Angaben von de Maizière verfügt die Regierung über Informationen, dass mit den Flüchtlingen auch Terroristen nach Deutschland kommen könnten. Entsprechenden Hinweisen werde nachgegangen.

ago/ml (epd, dpa, rtrt, afp)