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Bayern können doch feiern

Tobias Oelmaier26. Mai 2013

Bayern-Fans gelten eher als stille Betrachter, sind nicht gerade bekannt für tolle Stimmung im Stadion. In Wembley zeigen sie ein ganz anderes Gesicht und brüllen den FCB zum Titel.

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Die Bayern-Fans zeigen eine Kurven-Choreographie in Wembley (Foto: imago/Ulmer)
Die Bayern-Fans zeigen eine Kurven-Choreographie in WembleyBild: imago sportfotodienst

Sonntagmorgen: Auf der Fähre zurück von Dover nach Calais ist kein Unterschied zu erkennen in den Gesichtern der Sieger und der Besiegten. Ausdruckslos, erschöpft wirken sie alle, egal ob rot oder schwarz-gelb. Sagen möchte keiner mehr etwas. Kaum einer von ihnen hat auch nur ein Auge zugemacht in der letzten Nacht, die meisten tragen immer noch ihre Fanutensilien bei sich. Der Geruch von Schweiß und Alkohol wabert durch die Luft auf Deck 7. Vereinzelt kurze Gesänge der bayerischen Minderheit an Bord: "Steht auf, wenn ihr Bayern seid."

Acht Stunden zuvor hatten sie noch alles gegeben für ihre Mannschaften. Im Wembley-Stadion, im Finale zwischen Borussia Dortmund und Bayern München. Von vornherein war klar: Nur eine Hälfte der Fans würde mit einem Glücksgefühl zurückreisen aus London. Dass es nun die Bayern waren, war einem Kullertor von Arjen Robben in der Schlussminute zu verdanken. Einem Treffer, der die Bayern-Anhänger für alle Mühen, für alle Entbehrungen, für alle Kosten entschädigte. Und der Lohn war für ihre unermüdlichen Anfeuerungen im Stadion.

Bayern-München-Fans feiern in Wembley mit bengalischen feuern (Foto: Andreas Gebert/dpa)
Bayern-Fans in Aktion: In Wembley geben die Münchener alles - auch wenn es verboten istBild: picture-alliance/dpa

Bayern-Fans waren bislang nicht unbedingt als Stimmungskanonen bekannt. Aber in London, an diesem Samstagabend, änderte sich das. Schon vor der Partie sangen und schrien sie mit der gleichen Inbrunst, wie es die Dortmunder auf der anderen Seite taten. Lieferten sich Anfeuerungsduelle, pfiffen, dass die Ohren schmerzten und feierten schließlich den Gewinn der Champions League bis zur totalen Verausgabung. Als zehn Minuten nach dem Schlusspfiff 30.000 kehlige Stimmen "football is coming home" anstimmten, die Hymne, die zur Europameisterschaft 1996 in England geschrieben worden war, wussten alle: Hier ist Großes passiert. Der Fußball ist wieder zu Hause, dessen konnten sie sich jetzt endlich gewiss sein.

Stimmungswandel bei den Bayern

Für die englischen Gastgeber, die wenigen von ihnen, die im Wembley-Stadion waren, muss das der Moment der fußballerischen Kapitulation gewesen sein. Zunächst hatten ja Bayern und Dortmund ihre Vertreter Arsenal London und Manchester City aus dem Wettbewerb geworfen, dazu begeisternden Fußball gezeigt. Dann waren es in den Stunden vor dem großen Finale die Borussen-Fans, die den Trafalgar Square symbolträchtig einnahmen. Und schließlich übernahmen auch noch die Bayern-Anhänger "ihre" Hymne, die sie wieder und wieder sangen nach dem Schlusspfiff. Keine Frage: Fußball-Deutschland steht jetzt auch stimmungsmäßig den dafür so berühmten Engländern in nichts mehr nach.

Zwei Dortmund-Fans sitzen enttäuscht auf ihren Plätzen in Wembley (Foto: Andreas Gebert/dpa)
Fußball kann so hart sein: Diese beiden Dortmund-Fans mussten das in Wembley am eigenen Leib erfahrenBild: picture-alliance/dpa

Die Fans von Borussia Dortmund hatten bald nach der Siegerehrung enttäuscht das Stadion verlassen, nur vereinzelt starrten noch Schwarz-Gelbe in den Stadionhimmel. Waren sie doch so guten Mutes vor dieser Partie. "Ihr müsst gewinnen, wir können", mussten sich die Bayern-Anhänger immer wieder anhören, "und deshalb gewinnt die Borussia." Sie wähnten alle Nicht-Bayern der Republik hinter sich im Kampf gegen die "Scheiß-Millionäre und Steuersünder", aber auch diese Unterstützung verhalf ihnen nicht zum Titelgewinn. Auch nicht die Pappkronen und der gelb lackierte Sightseeing-Bus mit der Aufschrift "From Dortmund with Love", der sich an den Sehenswürdigkeiten der Stadt vorbei durch London schlängelte. Sie hatten alles gegeben, sie hatten alles getan, die Fans, am Ende jubelten die Bayern. Viele ertränkten ihren Kummer in den Pubs in der Nähe des Stadions.

Enttäuschung bei den Siegessicheren

Von den Bayern war vor der Partie in London wenig zu sehen. "Wir haben uns halt für das Finale geschont", sagt Horst aus Plattling in Niederbayern, "und uns nicht schon in der Stadt verausgabt." Auch schienen die Wenigen, die da tagsüber durch London gelaufen waren, deutlich angespannter als die ausgelassenen Dortmund-Fans. Der Druck war da, das konnte man sehen, nicht nur bei den Spielern, auch bei den Schlachtenbummlern. "Herzinfarktgefahr", stammelt Dieter aus Nürnberg, als Ilkay Gündogan gerade per Foulelfmeter zum 1:1 ausgeglichen hat. Und man ist tatsächlich versucht, schon mal den Notarzt zu alarmieren, wenn man die Halsschlagader, den hochroten Kopf des vielleicht 60-Jährigen sieht, als Robben trifft. Tausendfach schnellen die Fäuste in den Himmel, tausendfach schreien sie sich die Seele aus dem Leib. Wembley hat gezeigt: Auch Bayern-Fans können feiern! Ob dieses Phänomen von Dauer ist, werden sie schon am kommenden Samstag zeigen können. "Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin", was sie im jetzt nur noch roten Wembleystadion skandierten, als die Feier langsam zu Ende ging, klang wie eine Drohung.