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Beim Essen Krebs vorbeugen

Brigitte Osterath4. Februar 2014

Obst und Gemüse sind gesund - stimmt. Aber für unser Krebsrisiko ist die Menge an Vitaminkost vielleicht gar nicht so entscheidend wie bisher gedacht. Da fällt ein anderer Faktor viel mehr ins Gewicht.

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Möhren und Äpfeln
Bild: Fotolia/Africa Studio

"Esst viel Obst und Gemüse!", heißt es. Und ja: Eine ausgewogene Ernährung ist unbedingt zu empfehlen. Da sind sich Ernährungswissenschaftler und Mediziner weitgehend einig. Aber was das Risiko angeht, an Krebs zu erkranken, wurde die positive Wirkung von Obst und Gemüse bisher vermutlich überschätzt.

Das sagt zumindest Rudolf Kaaks, Krebsforscher am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Er untersucht, welchen Einfluss die Ernährung darauf hat, ob jemand Krebs bekommt. Die Ergebnisse aus Langzeitstudien, sagt er, belegten nicht, "dass man das Krebsrisiko stark senken kann, indem man fünfmal am Tag Obst und Gemüse zu sich nimmt - wie man das in vielen Kampagnen vor zehn Jahren noch sehr befürwortet hatte."

Menschenbefragung versus Tierversuche

Im Tierversuch lässt sich leicht untersuchen, ob ein Lebensmittel Krebs erzeugt oder der Krankheit entgegenwirkt: Man füttert den Tieren eine hohe Dosis, wartet ab und vergleicht sie ein paar Wochen oder Monate später mit Kontrolltieren, die anderes Futter gefressen haben.

Beim Menschen ist die Untersuchung schwieriger. Bis vor einigen Jahren haben Forscher dafür Krebskranke nach ihrem Lebensstil befragt und mit den Antworten Nicht-Krebskranker verglichen. Demnach sollte ein regelmäßiger Verzehr von Obst und Gemüse das Krebsrisiko auf etwa die Hälfte senken, sagt Kaaks. Zu diesem Ergebnis kam der Bericht des World Cancer Research Fund noch im Jahr 1997.

Aber diese Art des Studiendesigns ist inzwischen überholt. "Personen, die schon erkrankt sind, beschäftigen sich sehr mit der Frage: Warum ich? Was habe ich getan? Und sie berichten nicht auf genau gleiche Art wie Kontrollpersonen."

Daher befragen Forscher inzwischen Gesunde nach ihrem Lebensstil und warten ab: Wer bekommt wann welchen Krebs? Dann vergleichen sie Erkrankte und Gesundgebliebene.

Nach dieser Methode geht auch EPIC vor, kurz für European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition, eine Langzeitstudie im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation. Versuchspersonen sind eine halbe Million Freiwillige in ganz Europa. Auch Kaaks arbeitet an EPIC mit.

Übergewichtige Frau beim Wandern
Krebs durch Übergewicht? Viel Bewegung senkt in jedem Fall das Krebsrisiko.Bild: Fotolia/runzelkorn

Brokkoli als Chemotherapie

"Wir sehen nur noch eine sehr leichte Senkung des Krebsrisikos durch Obst- und Gemüseverzehr", sagt Kaaks. Die Erkrankungswahrscheinlichkeit sinkt um etwa acht Prozent - allerdings nur bei Krebsarten, die vor allem bei Rauchern auftreten. Sprich: Ein Raucher, der regelmäßig Obst und Gemüse isst, reduziert sein Lungenkrebsrisiko durch die Vitaminkost um wenige Prozent. Das Rauchen an sich erhöht das Lungenkrebsrisiko aber bereits auf das 40-fache.

Andere Forscher sehen das etwas anders. Max Parkin von der Queen Mary Universität in London hat berechnet,wie viele Krebsfälle im Jahr 2010 in Großbritannien vermeidbar gewesen wären. Er fand, dass zu wenig Obst- und Gemüseverzehr immerhin für 4,7 Prozent aller Erkrankungen verantwortlich waren.

Auch wiesen zahlreiche Studien nach, dass Substanzen in Gemüse die Krebsentstehung hemmen. So fand Ingrid Herr vom Universitätsklinikum Heidelberg, dass Brokkoli-Inhaltsstoffe das Tumorwachstum hemmen. Kritiker stellen aber die Frage, ob ein Mensch die benötigte Menge der Inhaltsstoffen mit seiner Ernährung überhaupt aufnehmen kann.

Übergewicht auf Platz zwei der Krebsauslöser

Wie viel wir essen, hat EPIC zufolge viel mehr Einfluss auf unser Krebsrisiko als die täglichen Portionen an Obst und Gemüse. Übergewichtige bekommen häufiger und früher Krebs als Normalgewichtige.

"Beim Übergewicht hat man zum Beispiel erhöhte Insulinspiegel", erklärt Kaaks. "Und Insulin kann als Wachstumsfaktor von Zellen fungieren und dadurch das Wachstum von Tumoren fördern."

Steak auf Grill
Forscher sind sich uneins: Ist das Steak an sich krebserregend oder ist es das Grillen insbesondere?Bild: Fotolia/stockcreations

Außerdem bilden übergewichtige Frauen nach den Wechseljahren viele weibliche Geschlechtshormone im Fettgewebe. Das führt dazu, dass sie häufiger an Brustkrebs und Gebärmutterkrebs erkranken. Jeder fünfte Brusttumor nach den Wechseljahren gehe auf das Konto von Übergewicht, heißt es in einer Mitteilung des DKFZ. Übergewicht ist inzwischen nach dem Rauchen der zweithäufigste Krebsauslöser.

"Deshalb ist die Empfehlung: Gewichtszunahme von Anfang an vermeiden", sagt Kaaks. "Viel besser ist es, schon in jungen Jahren eine gewisse Disziplin einzuhalten, als später zu versuchen, die zehn oder 15 Kilo, die man dann zu viel hat, wieder abzunehmen."

Rotes Fleisch führt zu Darmkrebs - Ursache unbekannt

In einem Punkt ist die Zusammensetzung unseres Essens aber doch entscheidend: Mit Sicherheit löst rotes Fleisch Darmkrebs aus. In Ländern, in denen viel rotes Fleisch, vor allem Rindfleisch, gegessen wird, erkranken besonders viele Menschen daran, so auch in Deutschland. In Indien, wo viele Menschen aufgrund ihrer religiösen Überzeugung kein Rindfleisch essen, ist Darmkrebs hingegen sehr selten.

"Für die Menschen, die ihr Leben lang rotes Fleisch konsumieren, erhöht sich das Risiko um 20 bis 30 Prozent", sagt Krebsforscher und Nobelpreisträger Harald zur Hausen vom DKFZ.

Japan kannte bis zum Jahr 1975 nur wenige Darmkrebsfälle. Aber nachdem man dort angefangen hatte, rotes Fleisch zu importieren, verdoppelte sich innerhalb von 20 Jahren die Darmkrebsrate. Inzwischen gibt es keine Unterschiede zu den westlichen Industrieländern mehr. In Südkorea trat das gleiche Phänomen 20 Jahre später auf.

Darmkrebs-Neuerkrankungen pro Jahr auf 100.000 Einwohner

Aber die Biologie dahinter, warum rotes Fleisch Darmkrebs verursachen, ist bis heute unbekannt.

Harald zur Hausen vermutet, dass Viren im rohen Rindfleisch Infektionen im Darm auslösen und so die Grundlage für einen Tumor legen. Diese Infektionen würden dann zusammen mit den chemischen Substanzen, die beim Anbraten von Fleisch entstehen, die Krebserkrankung verursachen. "Aber das sind alles nur Spekulationen", sagt er selbst.

Grillpartys absagen?

Fleisch vom Holzkohlegrill enthält viele chemische Substanzen, die bei Versuchstieren Krebs auslösen. Forscher sind sich aber noch uneins, ob das auch beim Menschen gilt.

Einige Forscher sind der Ansicht, es sei nur eine Frage der Zeit, bis die krebserregende Wirkung von Grillfleisch beim Menschen nachweisbar sei. Sabine Rohrmann von der Universität Zürich ergänzt: "Es gibt durchaus Studien, die zeigen, dass bei gleichem Verzehr von rotem Fleisch diejenigen Personen ein höheres Risiko haben, die es grillen oder braten."

Andere Forscher geben Entwarnung: "Insgesamt weist alles darauf hin, dass es keinen Unterschied macht, wie man sein Fleisch zubereitet", sagt Elio Riboli vom Imperial College London, Leiter der EPIC-Studie. "Das Wichtige ist vielmehr, dass man sich ausgewogen ernährt und nicht zweimal am Tag und sieben Tage die Woche Fleisch isst."

Und da sind Obst und Gemüse sicher eine gute Alternative.