Lange Haft für Lukaschenkos Gegner Nummer 1
6. Juli 2021Es ist eine der härtesten Strafen, die seit Beginn der Proteste gegen den autoritären Machthaber Alexander Lukaschenko vor rund einem Jahr in Belarus gegen Oppositionelle verhängt wurden. Am Dienstag hat das Oberste Gericht in der Hauptstadt Minsk den früheren Banker und Oppositionspolitiker Viktor Babariko zu 14 Jahren Strafkolonie und einer Geldstrafe in Höhe von umgerechnet rund 18 Millionen US-Dollar verurteilt. Die Anklage hatte 15 Jahre Haft gefordert.
Dem 57-jährigen früheren Chef der "Belgazprombank" und einem halben Dutzend seiner Top-Manager wurde vorgeworfen, Schmiergeldzahlungen erhalten und Geld gewaschen zu haben. Babariko bestritt die Vorwürfe und sprach von einem politischen Prozess. Die anderen Angeklagten legten Geständnisse ab und bekamen deutlich mildere Strafen: zwischen drei und sechseinhalb Jahren Haft.
Ein Banker, der Lukaschenko herausforderte
Als Viktor Babariko im Mai 2020 überraschend seinen Rücktritt als Banker und seine Präsidentschaftskandidatur verkündete, wirkte es wie ein Aufstand der Eliten. Bis dahin war er zwanzig Jahre Vorstandsvorsitzender der "Belgazprombank" gewesen, der größten privaten Bank in Belarus, die vom russischen Energiekonzern "Gazprom" kontrolliert wird. Als Banker hatte Babariko keinerlei politische Ambitionen erkennen lassen. Er verhielt sich loyal gegenüber Lukaschenko und genoss einen Ruf als Kunstliebhaber und Mäzen.
Der seit über 25 Jahren regierende Lukaschenko glaubte offenbar, seine erneute Wiederwahl sei sicher. Das änderte sich jedoch schlagartig nach Babarikos Ankündigung, in den Wahlkampf einzusteigen. Er galt als stärkster Herausforderer des Präsidenten, die Zahl seiner Anhänger stieg rasant. Zuverlässige Meinungsumfragen gab es damals nicht. Nach diversen Schätzungen lag Babariko entweder gleichauf mit Lukaschenko oder sogar vor ihm.
Zu einer Kandidatur kam es jedoch nicht. Babariko und sein Sohn Eduard, der seinen Wahlkampf organisierte, wurden Mitte Juni 2020 verhaftet. Auch einige seiner Mitstreiter landeten in Untersuchungshaft. Das berühmteste Beispiel ist Maria Kolesnikowa - eine Musikerin und Leiterin von Babarikos Wahlkampfteam. Nach seiner Verhaftung spielte die 39-Jährige eine prominente Rolle in der Oppositionsbewegung - vor und nach der Präsidentenwahl am 9. August 2020. Hunderttausende protestierten monatelang gegen Lukaschenko und seinen erklärten Sieg. Polizeikräfte schlugen den Aufstand brutal nieder, tausende Menschen wurden verhaftet. Kolesnikowa wurde im Oktober verhaftet. Ihr droht nun eine Haftstrafe von bis zu zwölf Jahren, unter anderem wegen "Gründung einer extremistischen Vereinigung".
In einem Interview aus der U-Haft für die DW sagte Babariko, es handele sich "faktisch um einen Krieg der Regierungsspitze, die sich auf Sicherheitskräfte stützt, also einer Junta, gegen Teile des eigenen Volks". Ein "Bürgerkrieg" sei möglich.
EU-Politiker fordern Babarikos Freilassung
Die im Exil lebende Oppositionspolitikerin und ehemalige Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja verurteilte die Gerichtsentscheidung im Fall Babariko. "Es ist eine wahnsinnige Frist für einen Menschen, der in die Politik ging und zu einem der Anführer wurde, die das Land aus einem langen Schlaf erweckt haben", schrieb Tichanowskaja in ihrem Telegram-Kanal.
In der Europäischen Union haben Politiker Patenschaften für Babariko und seinen Sohn übernommen. Einer von ihnen ist Peter Heidt, Bundestagsabgeordnete von der FDP. Man wolle Aufmerksamkeit auf das Schicksal von Viktor Babariko lenken und dafür sorgen, dass er aus der Haft entlassen werde, sagte Heidt gegenüber der DW. Der Prozess gegen den Oppositionspolitiker sei mit "fadenscheinigen Gründen" geführt worden.
Babariko sei zu einem "starken Konkurrenten" für Lukaschenko geworden, erklärte der litauische EU-Abgeordnete Petras Auštrevičius gegenüber DW. Auch er hat eine Patenschaft übernommen. "Babariko ist zu einem Symbol geworden. Er ist seit rund einem Jahr hinter Gittern und hat selbst nicht die Ereignisse auf den Straßen gesehen", so Auštrevičius. Babariko sei ein "politischer Häftling" und "eine Schande für das Regime in Minsk".
Kommt eine neue Oppositionspartei?
Der Weg in die Berufung gegen seine Verurteilung ist für Babariko in Belarus gesperrt. Dadurch, dass sein Fall direkt vor dem Obersten Gericht und nicht in einer niedrigeren Instanz verhandelt wurde, ist ihm diese Möglichkeit verwehrt. Trotzdem will seine Verteidigung alle noch verbleibenden Möglichkeiten ausschöpfen, darunter eine Beschwerde vor dem UN-Menschenrechtsausschuss, teilte sein Anwalt mit.
Bereits in der Untersuchungshaft stieß Babariko die Gründung einer neuen Oppositionspartei an, die "Razam" ("Zusammen") heißen und diverse oppositionelle Kräfte bündeln soll. Ob sie zugelassen wird, ist unklar.