Belgien lässt Vorwürfe gegen Scientology fallen
11. März 2016Der vorsitzende Richter Yves Régimont machte den Ermittlern schwere Vorwürfe. Zu dem Verfahren sei es "vor allem" gekommen, "weil die Angeklagten Anhänger von Scientology sind", kritisierte er. Die Betroffenen hätten sich zuerst wegen ihrer Zughörigkeit zu der Gemeinschaft rechtfertigen müssen und seien "die meiste Zeit als schuldig betrachtet worden".
Die Staatsanwaltschaft habe in dem Prozess dann "lückenhafte" Schlussfolgerungen präsentiert. Angeklagt waren zwei Scientology-Organisationen und elf führende Vertreter der Gemeinschaft. Bei einer Einstufung als kriminelle Organisation hätte ein Verbot in Belgien gedroht.
Klare Aussage des Gerichts
"Nichts hat Bestand gehabt", sagte der für Scientology tätige Anwalt Pascal Vanderveeren. Die Anklage sei "nachlässig" vorgegangen und von dem Wunsch geleitet gewesen, seine Mandanten anzugreifen. Die klare Aussage des Gerichts sei wichtig, fügte der Scientology-Vertreter Eric Roux hinzu.
Der Prozess in Brüssel hatte im vergangenen Oktober begonnen, nachdem die Staatsanwaltschaft fast zwanzig Jahre lang ermittelt hatte. 1997 hatten zunächst ehemalige Anhänger geklagt. sie forderten Geld zurück, das sie an die Organisation gezahlt hatten. Ein zweites Verfahren war 2008 nach einer Klage des Brüsseler Arbeitsamtes eröffnet worden. Es warf Scientology vor, falsche Jobangebote veröffentlicht zu haben, um damit Anhänger zu gewinnen.
Sekte oder nicht?
Die in den 1950er Jahren vom Science-Fiction-Autor L. Ron Hubbard gegründete Bewegung will nicht als Sekte bezeichnet werden. Sie gilt in den USA als Religionsgemeinschaft. In mehreren europäischen Ländern wird sie indes als Sekte eingestuft. In Deutschland wird sie in einigen Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet. Verboten ist sie nicht.
Nach Auffassung der deutschen Bundesregierung ist sie weder eine Religions- noch eine Weltanschauungsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion vom vergangenen Dezember heißt es dazu, ihre Ziele seien eindeutig auf wirtschaftliche Aktivitäten ausgerichtet. Konkret gehe es um die "entgeltliche Vermittlung von Leistungen und die Werbung hierfür". Das Bundesarbeitsgericht habe dies in einer Entscheidung von 1995 explizit festgestellt, heißt es in der Antwort weiter. "Die religiösen und weltanschaulichen Lehren seien nur ein Vorwand für die Verfolgung wirtschaftlicher Ziele."
uh/mak (afp, rtr, kna)