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Bemühen um Deeskalation im Karikaturstreit

6. Februar 2006

Mit scharfer Kritik haben Vertreter aus Politik und Religion auf die weiter eskalierende Gewalt in der arabischen Welt reagiert. Gleichzeitig riefen viele zu einer Fortsetzung des Dialogs mit den Muslimen auf.

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Am Sonntag brannte die Dänische Botschaft in der libanesischen Hauptstadt BeirutBild: AP

Es müsse zum Ausdruck gebracht werden, "dass wir Respekt haben, aber Gewalt und Zerstörung nicht akzeptieren", sagte Bundespräsident Horst Köhler am Sonntag (5.2.2006) in Dresden bei einem Treffen mit sechs weiteren europäischen Präsidenten. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilte die Ausschreitungen scharf: Sie verstehe zwar, dass die Mohammed-Karikaturen in einigen Zeitungen die religiösen Gefühle von Muslimen verletzt hätten. Die antidänischen Gewalttaten als Reaktion auf die Karikaturen seien aber inakzeptabel. Außenminister Frank-Walter Steinmeier beobachtet die Entwicklungen nach eigenen Worten mit großer Sorge und appellierte an "alle Kräfte der Vernunft, falschen Propheten des Kulturkampfes entgegenzutreten". Einen "Kampf der Kulturen" sehe er noch nicht.

Auch UN-Generalsekretär Kofi Annan hat nach den Ausschreitungen gegen diplomatische Einrichtungen in Syrien und Libanon erneut ein Ende der Gewalt im Zusammenhang mit der Publikation von Karikaturen des Propheten Mohammed gefordert. Der Generalsekretär sei "beunruhigt" durch die Gewalt und die Angriffe auf diplomatische Einrichtungen in Syrien, Libanon und anderen Ländern in den vergangenen Tagen, hieß es in einer Erklärung seines Sprechers Stephane Dujarric vom Sonntag in New York.

Treffen geplant

Die Organisation der islamischen Konferenz (OIC), ein Zusammenschluss von 57 islamischen Ländern, hat am Sonntag einem Treffen mit dem dänischen Außenminister Per Stig Møller über die umstrittenen Mohammed-Karikaturen zugestimmt. Die Organisation der Islamischen
Konferenz (OIC) kritisierte gleichzeitig die Angriffe auf die Botschaften Dänemarks und Norwegens in Damaskus. Er missbillige diese "bedauernswerten" Zwischenfälle, erklärte OIC-Generalsekretär Ekmeleddin Ihsanoglu am Sonntag im saudiarabischen Dschiddah. Diese "Überreaktionen" von Demonstranten seien "gefährlich und den Bemühungen abträglich, das berechtigte Anliegen der moslemischen Welt zu verteidigen".

Proteste auch in der Türkei
Auch in der Türkei gingen Muslime auf die StraßeBild: AP

Wie aus dem Außenministerium in Kopenhagen weiter verlautete, soll das Ziel des Treffens sein, die in den den vergangenen Tagen ausgeweiteten Straßenproteste gegen die in Dänemark von der Zeitung "Jyllands-Posten" veröffentlichten Zeichnungen einzudämmen. Die OIC hatte hatte zu Beginn der Protestwelle vor zehn Tagen eine offizielle Entschuldigung der dänischen Regierung für die Veröffentlichung verlangt.

Karsai ruft zur Vergebung auf

Der afghanische Präsident Hamid Karsai hat im Karikatur-Streit die Muslime weltweit um Vergebung aufgerufen. Die Muslime sollte über der Auseinandersetzung stehen und sich nicht auf die gleiche Stufe mit jenen stellen, die die Karikaturen veröffentlicht hätten, sagte Karsai am Sonntag dem US-Nachrichtensender CNN. Der Prophet Mohammed sei viel zu erhaben, um durch diese Karikaturen beleidigt zu werden. Außerdem liebe Gott die Vergebung. Karsai forderte die westliche Welt auf, die Mohammed-Karikaturen nicht mehr zu veröffentlichen. Außerdem sollten die westlichen Regierungen die Nachdrucke verurteilen.

Brennende Botschaften

Muslime im Libanon fordern Respekt
Protestanten in BeirutBild: AP

Die Proteste in der islamischen Welt gegen die umstrittenen Mohammed-Karikaturen haben sich am Wochenende in zunehmender Gewalt gegen westliche Einrichtungen entladen. In Damaskus und Beirut wurden skandinavische Vertretungen in Brand gesetzt. Die syrischen Behörden hatten eine aufgebrachte Menschenmenge in Damaskus am Samstag praktisch ungehindert das dänische Botschaftsgebäude stürmen und in Brand setzen lassen. In Flammen gingen auch die im selben Haus untergebrachten Vertretungen Schwedens und Chiles auf. Nachdem Demonstranten ebenfalls ungehindert die norwegische Botschaft in Brand setzen konnten, stellten sich syrische Polizeikräfte erst in den Weg, als der Demonstrationszug sich den Vertretungen der USA und Frankreichs näherte. Alle Vertretungen waren zum Zeitpunkt der Attacken unbesetzt. Es wurde niemand verletzt.

Am Sonntag konnten starke Polizei- und Armeekräfte in Beirut militante Gruppen unter den mehr als 20.000 Demonstranten auch mit Tränengas und Wasserwerfern nicht vom Sturm auf das dänische Konsulat abhalten, das sie in Brand setzten. Daneben attackierten die militanten Gruppen auch eine Kirche sowie Geschäfte, Autos und Wohnhäuser in einem von Christen bewohnten Stadtteil. Wenige Stunden nach dem Angriff auf die Botschaft trat der libanesische Innenminister Hassan al-Sabaa zurück. Er habe sein Amt während einer Krisensitzung der Regierung zur Verfügung gestellt, sagte Sabaa am Sonntagabend.

Bereits am Samstag hatten Palästinenser die deutsche Vertretung in Gaza mit Steinen beworfen, Scheiben eingeschlagen und Mobiliar zertrümmert, berichteten Augenzeugen. "Die deutsche Fahne wurde heruntergerissen und angezündet", sagte ein Nachbar. Die Bundesregierung protestierte bei der palästinensischen Autonomiebehörde gegen die Attacke. (kas/stl)