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Bendel: "Ausschiffen von Flüchtlingen verletzt ihr Recht auf Asyl"

Sabrina Pabst15. April 2014

Die EU-Grenzschutzagentur Frontex darf künftig Einwandererboote nicht mehr zur Umkehr aufs offene Meer zwingen. Viele Einsätze bleiben aber weiterhin völkerrechtlich umstritten, meint Migrationsexpertin Petra Bendel.

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Petra Bendel bei einer Rede (Foto: Jonas Banken)
Bild: Jonas Banken

Deutsche Welle: Die Europäische Flüchtlingspolitik ist heftig umstritten. Besonders Einsätze der Europäischen Grenzschutzagentur Frontex stehen in der Kritik. Sie würden, wie im Fall Lampedusa, in Seenot geratene Flüchtlinge nicht retten. Was können die neuen Einsatzregeln verhindern?

Petra Bendel: Ziel dieser neuen Verordnung ist es zwar, die EU-Außengrenzen gegen irreguläre Migration und grenzüberschreitende Kriminalität abzuschirmen. Aber es ist auch das Ziel, Leben zu schützen. Ihr Leben bewahren wollten auch die vielen Menschen, die auf der Suche nach Schutz in der Europäischen Union waren und auf dem Weg dorthin in überfüllten und seeuntüchtigen Booten ihr Leben verloren haben.

Positiv ist die Verpflichtung der Grenzschutzagentur Frontex, jeder in Seenot geratenen Person Unterstützung zukommen zu lassen. Hier ist klar geregelt worden, wann ein Fall von Seenotrettung vorliegt und wie die Mitgliedsstaaten dies untereinander zu koordinieren haben.

Darüber hinaus wird Frontex das Ausschiffen von geretteten oder aufgegriffenen Personen in solche Länder verboten, in denen sie ernsthaften Schaden für Leib und Leben erleiden könnten. Das ist eine Bestärkung des völkerrechtlichen Grundsatzes des Artikels 33 der Genfer Flüchtlingskonvention. Dort ist die Nichtzurückweisung von Personen, denen Gefahr für Leben oder Freiheit droht, festgeschrieben. Und positiv ist auch, dass die Rechte der betroffenen Personen geregelt werden, wenn sie in einen Drittstaat gebracht werden.

Wie kann Frontex das leisten?

Die Einheiten von Frontex müssen sicherstellen, dass der Drittstaat, in den sie diese Personen bringen, die Menschenrechte respektiert. Frontex muss gewährleisten, dass die Betroffenen überhaupt darüber informiert werden, wohin sie gebracht werden - und dass sie das auch verstehen.

Frontex muss ihnen auch die Möglichkeit geben, Einwände gegen einen vorgeschlagenen Ort vorzubringen, falls sie denken, dass es für sie eine Verletzung des Flüchtlingsprinzips der Nichtzurückweisung bedeuten könnte.

Die Menschen sitzen alle zusammen in einem Boot: junge Männer, die auf der Suche nach Arbeit in Europa sind, und Familien, die vor Bürgerkriegen flüchten oder politisch verfolgt werden. Wie sollen die Frontex-Beamten alle auseinanderhalten? Um die Forderungen zu gewährleisten, müssten demnach bei allen Operationen Frontex-Beamte, medizinisches Personal, Juristen und Dolmetscher an Bord sein.

Das Personal muss geschult werden, um auf den Booten erkennen zu können, welche Personen internationalen Schutzes bedürfen. In der neuen Verordnung steht nur, dass dieses Personal erreichbar sein muss. Es bleibt im Ermessen von Frontex, wann sie "dies für notwendig" erachtet.

Das ist beim Ausschiffen in Drittstaaten schwierig. Hier fehlen Garantieren für Dolmetscher, für juristischen Beistand und auch Verfahrensgarantien, die aufschiebende Wirkung haben, wenn eine betroffene Person tatsächlich ein Recht auf Asyl hat. Diese Regelungen können durchaus das Prinzip der Nichtzurückweisung von Personen untergraben, die vor Verfolgung oder Krieg flüchten und Schutz benötigen. Das ist rechtsstaatlich höchst bedenklich.

Von Menschenrechtsorganisationen sind vor allem die Push-Back-Aktionen von Frontex, aber auch von Grenzschützern einzelner EU-Staaten heftig umstritten. Die seeuntüchtigen Boote sind bei diesen Aktionen oft gekentert und Menschen dabei ertrunken. Werden diese Methoden jetzt aufhören?

Die Einsatzregelungen beziehen sich nur auf die Operationen, die von Frontex koordiniert werden, nicht aber auf das Handeln von Grenzschutzbehörden einzelner EU-Staaten. Diese dürfen auch nach dem Kompromissvorschlag zwischen den EU-Ländern, der Kommission und dem Parlament noch immer den Kurs eines in ihren Hoheitsgewässern aufgegriffenen Bootes abändern und es zu einem anderen Drittstaat bringen, wenn es innerhalb der 12 Meilen-Zone eines Mitgliedsstaates aufgegriffen wird.

Das ist natürlich sehr kritisch, denn in der Ägäis sind das gesamte Meer und diese vielen kleinen Inseln Teil der 12-Meilen-Zone Griechenlands. Die Nichtregierungsorganisation ProAsyl hat zu Recht kritisiert, dass all die Einsätze, die in diesem Meeresabschnitt stattfinden, künftig weiterhin von sogenannten Push-Backs in Richtung Türkei betroffen sein werden.

Prof. Petra Bendel ist Politikwissenschaftlerin und in Personalunion Akademische Direktorin und Geschäftsführerin des Zentralinstituts für Regionenforschung an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.