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Benzinmangel verschärft sich in Venezuela

16. September 2020

Tagelanges Warten an den Zapfsäulen: Das ölreichste Land der Welt leidet derzeit unter einem schweren Benzinmangel, der die Wirtschaft des Landes und Millionen von Menschen direkt betrifft.

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Menschen warten vor ihren Autos in Caracas vor einer Tankstelle
Die Warteschlangen vor den Tankstellen in Caracas sind langBild: Getty Images/AFP/F. Parra

In venezolanischen sozialen Netzwerken verbreiten sich wieder Videos von Menschen, die im ölreichsten Land der Welt für Benzin anstehen. Einige dieser Videos zeigen die Solidarität und die Bindungen, die entstehen, wenn man gemeinsam Tage und Nächte ausharrt, um maximal 40 Liter Benzin für einen halben Dollar pro Liter tanken zu können. In den viral gegangenen Videos sieht man jedoch auch die Wut und die Konflikte, die der Treibstoffmangel in Venezuela hervorruft.

Im Landesinneren herrscht seit mindestens sieben Jahren Benzinmangel. Dennoch können sich die Venezolaner immer noch nicht an die Einschränkungen gewöhnen, die der Staat zur Rationierung der Brennstoffversorgung verhängt hat. Für zusätzliche Empörung hat die offenkundige Korruption bei einigen Beamten, die den Treibstoff verwalten und die Leitungen bewachen, gesorgt.

Kurz vor einem allgemeinen Energiekollaps

Sobald sich die Brennstoffknappheit in Caracas manifestiert, ist dies der Zeitpunkt, an dem Ölanalysten beginnen, sich über einen Energiekollaps im ganzen Land Sorgen zu machen. Die Verschlechterung der Infrastruktur, die allgemeine Korruption und die politischen Konflikte, die zu Sanktionen gegen Venezuela geführt haben, sind die Zutaten für den desaströsen Zustand der venezolanischen Ölindustrie im Jahr 2020.

Eine Gruppe von Menschen mit Mund-Nasen-Schutz
Sie haben die Benzinrationierung satt: Proteste in der Stadt Guacara vergangenen FreitagBild: Imago Images/Zuma/J.C. Hernandez

Doch wie konnte es zu diesem Niedergang kommen? Immerhin war Venezuela vor 2009 nicht nur in der Lage, sein gesamtes Staatsgebiet mit Brennstoff zu versorgen, sondern diesen auch zu exportieren. Im Gespräch mit der DW erklärt der venezolanische Analyst Rudi Cressa, dass die Hauptursache "die Abnutzung, der Mangel an Investitionen und die mangelhafte Wartung der Raffinerien" gewesen seien. Dies habe dazu geführt, dass nun Treibstoffimporte fast den gesamten Inlandsverbrauch abdecken. "Bis Februar 2020 wurden etwa 80 Prozent dieser Importe über den russischen Ölkonzern Rosneft abgewickelt, ein Unternehmen, das von den USA mit Sanktionen belegt wurde", erklärt Cressa.

Im März und April gelang es der venezolanischen Regierung, den Treibstoffmangel besser unter Kontrolle zu bringen, als strenge Einschränkungen der Bewegungsfreiheit als Maßnahme gegen die Verbreitung von COVID-19 verhängt wurden. Auf diese Weise gelang es den Verbrauch so lange zu senken, bis Venezuela einen neuen Verbündeten und Treibstofflieferanten fand: den 14.000 Kilometer entfernten Iran.

Allerdings haben die US-Sanktionen "Druck auf die unter Vertrag genommenen Reedereien und auf jene Schiffe ausgeübt, die nicht unter der Flagge Irans fahren. Dies ist ein zusätzliches Hindernis, da es die Versorgung von der Verfügbarkeit von Schiffen unter iranischer Flagge abhängig macht und die Rückreise etwa zwei Monate dauern kann", erklärt Cressa.

Drohung mit neuen Sanktionen

Jüngste geopolitische Konflikte haben zudem die Gefahr eines totalen Zusammenbruchs in Venezuela erhöht. Nach einem Bericht des Londoner Energie-Informationsdienstes Argus Media erwägt die US-Regierung im Oktober eine Verschärfung der Sanktionen gegen Venezuela. Die angeblichen Sanktionen würden auf Unternehmen in Europa und Asien abzielen. Die Nachricht veranlasste mehrere NGOs, einen offenen Brief an Donald Trump zu schreiben, um ihn dazu zu bringen, Maßnahmen zu überdenken, die die humanitäre Krise in Venezuela gerade während der gegenwärtigen Pandemie noch weiter verschärfen könnten.

Venezuela Caracas | Schlangen vor Tankstellen
Die Wirtschaft Venezuelas litt ohnehin schon - jetzt wird auch noch der Sprit knappBild: Getty Images/AFP/F. Parra

Die venezolanische Regierung unter Präsident Nicolás Maduro versucht derweil, den totalen Kollaps zu vermeiden. Vor Kurzem verhängte die Regierung eine 180-tägige Besetzung der venezolanischen Anlagen des deutschen Konzerns Linde, der Stickstoff an das Staatsunternehmen PDVSA liefert.

Mit der Besetzung dieser Anlagen wolle die Regierung die Lieferung von Stickstoff an die Raffinerien des Landes sicherstellen, so der Ölexperte Professor Rafael Quiróz im Gespräch mit der DW. "Die Raffinerien sind in einem miserablen Zustand. Die drei wichtigsten produzieren gerade mal 40 Tausend Barrel Erdöl pro Tag. Dabei verbraucht der Großraum Caracas allein schon 35 Tausend Barrel täglich."

Für Rafael Quiróz gibt es klare Unterschiede zwischen der verschärften Treibstoffverknappung jetzt und derjenigen zu Beginn dieses Jahres. Als die iranischen Tanker im Mai in Venezuela eintrafen, sagte Quiroz voraus, dass der Treibstoff nur zwei Wochen reichen würde. Doch die Corona-Beschränkungen haben dazu beigetragen, die Versorgung im Land gerade noch aufrechtzuerhalten. "Der Unterschied ist, dass jetzt alle Bestände praktisch aufgebraucht sind und wir komplett auf Importe aus dem Iran angewiesen sind", so Quiróz.