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Berlin mit Flüchtlingsgipfel zufrieden

8. März 2016

Die Vereinbarungen des EU-Türkei-Gipfels zur Flüchtlingspolitik sind in Deutschland auf ein geteiltes Echo gestoßen. Merkel wirbt um mehr Zeit für den Deal mit der Türkei.

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Brüssel EU-Gipfel Ahmet Davutoglu Angela Merkel
Bild: picture-alliance/dpa/T. Monasse

Vertreter der Bundesregierung begrüßten den Vorschlag der Türkei, alle irregulär in Griechenland ankommenden Migranten zurückzunehmen, als "wichtigen Schritt". "Das könnte sich im Nachhinein als ein Durchbruch erweisen", sagte Innenminister Thomas de Maizière in Berlin. Nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel (im Artikelbild mit dem türkischen Regierungschef Davutoglu) soll damit der Anreiz für Flüchtlinge wegfallen, die gefährliche Überfahrt über die Ägäis auf die griechischen Inseln zu wagen.

"In die richtige Richtung"

Merkel sagte nach ihrer Rückkehr vom Brüssler EU-Türkei-Gipfel in Berlin, man müsse Wege finden, "dass nicht 800 Leute im Jahr in der Ägäis ertrinken". In einem Gespräch mit dem Südwestrundfunk warb die Kanzlerin um mehr Zeit für den angestrebten europäischen Flüchtlingspakt mit der Türkei. "Manchmal könnte es schneller gehen. Aber ich glaube, insgesamt bewegt sich die Sache in die richtige Richtung", sagte Merkel. Für eine endgültige Vereinbarung bis zum nächsten Gipfel am 17. und 18. März gebe es noch viel Arbeit zu erledigen.

Die EU und die Türkei hatten sich in der Nacht zum Dienstag in Brüssel auf ein Grundgerüst zur Bewältigung der Flüchtlingskrise geeinigt. Die Türkei ist demnach bereit, die illegale Migration Richtung Griechenland komplett zu stoppen und Flüchtlinge zurückzunehmen. Im Gegenzug soll die EU Aslysuchende direkt aus der Türkei aufnehmen. Unklar blieb in Brüssel, welche EU-Staaten dies wollen.

Zudem fordert Ankara eine Verdoppelung der EU-Hilfszusagen für in der Türkei lebende Flüchtlinge von drei auf sechs Milliarden Euro. Ferner verlangte Ministerpräsident Ahmet Davutoglu bei den Verhandlungen mit den EU-Staats- und Regierungschef Visafreiheit für seine Landsleute bei Reisen in die EU sowie die Beschleunigung der Verhandlungen über den Beitritt der Türkei zur EU.

Gabriel gegen raschen EU-Beitritt

Der SPD-Vorsitzende und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel bezeichnete die angestrebten Vereinbarungen als den besten Weg, "um den Menschenhändlern und Schleppern das Handwerk zu legen". Ein rascher Beitritt der Türkei zur EU ist laut Gabriel aber kein Thema. Man müsse sehr klar sagen, dass es keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Flüchtlingspolitik und einem EU-Beitritt gebe.

"Die Europäische Union ist nicht in dem Zustand, in dem sie die Türkei aufnehmen könnte. Die Türkei ist nicht in einem Zustand, in dem sie Mitglied der Europäischen Union werden könnte", betonte Gabriel.

Seehofer sieht Beratungsbedarf

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer sieht nach dem EU-Flüchtlingsgipfel noch viel Beratungsbedarf. "Leistung und Gegenleistung müssen übereinstimmen", betonte der CSU-Vorsitzende in München. Bayern habe "größte Bedenken" türkische Zugeständnisse mit einer Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU und der vollen Visafreiheit für türkische Bürger zu verbinden.

Kritik der Opposition

Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht beurteilte die Vereinbarungen zwischen der EU und der Türkei als "letzten Sargnagel für die moralische Glaubwürdigkeit der EU". Den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bezeichnete sie als "Menschenrechtsverletzer", "Kriegstreiber" und "Schutzgelderpresser", dem Merkel nun die Tür zur EU aufhalte."Merkel ist in Brüssel gescheitert", resümierte Wagenknecht.

Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter äußerte sein Unbehagen darüber, dass die EU auf ein Einvernehmen mit Erdogan angewiesen sei. Die EU mache sich "kleiner als sie ist und manövriert sich so weiter in die Rolle des Bittstellers", kritisierte Hofreiter in der "Passauer Neuen Presse". Erdogan könne darauf setzen, dass die EU zu den "brutalen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei" schweige.

wl/uh (dpa, rtr, afp, epd)