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Berliner Krisendiplomatie, die vierte

Sabine Kinkartz21. Januar 2015

Außenminister Steinmeier unternimmt einen neuen Anlauf, um die Eskalation in der Ukraine zu stoppen. In der Villa Borsig spricht er mit seinen Kollegen aus der Ukraine und Russland. Aus Berlin Sabine Kinkartz.

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Villa Borsig - Außenministertreffen zur Ukraine 21.01.2015
Bild: Reuters/M. Sohn

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"Camp Borsig" wird das Gästehaus der Bundesregierung, die Berliner Villa Borsig, bereits genannt. Angelehnt an "Camp David", das Feriendomizil des amerikanischen Präsidenten, wo 1979 der Friedensvertrag zwischen Israel und Ägypten zustande kam. "Camp Borsig", mit diesem Begriff verbindet sich vor allem auch Hoffnung. Denn Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier verhandelt hier bereits zum vierten Mal in Folge, unterstützt von seinem französischen Amtskollegen Laurent Fabius, mit dem ukrainischen und dem russischen Außenminister, Pawlo Klimkin und Sergej Lawrow. Vor neun Tagen erst hatte das Quartett auf dem idyllisch am Tegeler See gelegenen Anwesen nach einer friedlichen Lösung im ungebrochen mörderischen Konflikt in der Ukraine gesucht. Ohne Ergebnis.

Inzwischen hat sich die Lage weiter verschlechtert. "Das Aufflammen der Kämpfe zeigt, dass die Lage noch gefährlicher wird", sagte Steinmeier zum Auftakt des Treffens in Berlin. Das hänge damit zusammen, dass "die Konfliktparteien nicht Willens oder nicht in der Lage sind, die Minsker Vereinbarung, die vor Wochen bereits ausverhandelt und unterschrieben wurde, umzusetzen." Der politische Preis dafür sei sehr hoch, zahlen würden ihn die Menschen, die unter dem Krieg zu leiden hätten. Mit der Wirtschaft in der Ukraine gehe es bergab, es sei ein Zustand erreicht, der so nicht anhalten dürfe.

Gedämpfte Erwartungen

Doch wie kann die Lage befriedet werden? "Unsere Hoffnung ist, dass der russische und der ukrainische Außenminister mit Vollmachten nach Berlin kommen, um Kompromissschritte gehen zu können", hatte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, ein paar Stunden vor dem Treffen gesagt. "Aber die Wahrheit ist auch, dass wir angesichts der Erfahrungen der letzten Wochen, auch der letzten Beratungen in der Villa Borsig, jetzt nicht im Überschwang fest mit einer großartigen Lösung rechnen, die den ganzen Knoten entwirrt und wir dann morgen sagen können, der Frieden ist gemacht."

Es wäre schon als Erfolg zu werten, wenn eine neue Verschärfung der militärischen Lage verhindert und damit auch eine neue politische Eskalation vermieden werden könnte. Ohne einen Rückzug der schweren Waffen von der in der Minsker Vereinbarung festgelegten Demarkationslinie werde es keine Beruhigung der Lage geben, betonte Steinmeier. Am 5. September letzten Jahres hatten die Konfliktparteien in Minsk zwölf Punkte vereinbart, um den Krieg im Osten der Ukraine zu beenden. Am 9. Dezember war eine Feuerpause in Kraft getreten, die am Ende aber auch nur wenige Wochen hielt.

Villa Borsig - Gästehaus des Auswärtigen Amtes in Berlin
Villa Borsig - Gästehaus des Auswärtigen Amtes in BerlinBild: Imago/J. Schulz

Gesprächskanäle offen halten

Auch die Bundeskanzlerin will nicht allzu viele Erwartungen in das Außenministertreffen in Berlin setzen. Die Lage in der Ukraine bewege sich derzeit eher vom Minsker Abkommen weg als auf es zu, so Angela Merkel. Sie hoffe, dass bei der Zusammenkunft ein Fundament für einen späteren Vierer-Gipfel zwischen ihr und den Präsidenten Frankreichs, der Ukraine und Russlands, François Hollande, Petro Poroschenko und Wladimir Putin, in der kasachischen Hauptstadt Astana in Astana gelegt werden könne, sagte Angela Merkel. "Aber sicher bin ich nicht, ich will jetzt keine übergroßen Hoffnungen erzeugen", fügte sie hinzu. Ein Gipfel in Astana stehe daher weiter nicht auf dem Plan, sagte Merkel. Sie wolle nicht wieder ein Treffen, "das zum Schluss keine Ergebnisse bringt".

Merkel und Steinmeier sind davon überzeugt, dass es in der Ukraine keine militärische Lösung geben kann. Keine der Konfliktparteien könne militärisch gewinnen. Eine politische Lösung sei der einzig mögliche Weg. Weshalb sich die Kanzlerin und ihr Außenminister "seit Monaten ein Bein ausreißen würden", um die Gesprächskanäle nach Kiew und Moskau, aber auch zwischen den beiden Hauptstädten "am laufen zu halten", heißt es aus dem Auswärtigen Amt. Beide Seiten müssten aber bereit sein, Kompromisse einzugehen, "die man als schmerzhaft empfinden mag, die aber notwendig sind im Sinne eines fairen Gebens und Nehmens, um einer Lösung näher zu kommen".

Vorwürfe in Davos

Doch von Kompromissbereitschaft ist wenig zu erkennen. Im Gegenteil. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat die erneute Militäroffensive gegen die Separatisten verteidigt.

Die Armee habe im Krisengebiet Donbass auf Angriffe der moskautreuen Aufständischen reagieren müssen, sagte Poroschenko beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Mehr als 9000 russische Soldaten würden sich mittlerweile samt Panzern und anderer Militärtechnik im Osten seines Landes aufhalten. Die ukrainische Regierung will daher noch mehr Soldaten mobil machen und 50.000 Ukrainer zusätzlich bewaffnen.

Davos WEF Auftritt Poroschenko mit Bus Trümmerteil 21.01.2015
Poroschenko präsentierte in Davos das Trümmerteil eines Busses. Dieser sei von einer russischen Rakete beschossen wordenBild: Reuters/R. Sprich

Russland warnt Kiew davor, den Konflikt mit Gewalt beenden zu wollen. Auf eine militärische Lösung der Krise zu setzen, sei ein strategischer Fehler, zitierte die Nachrichtenagentur Interfax den stellvertretenden Außenminister Grigori Karasin. Dies könne "zu unumkehrbaren Konsequenzen" für das Staatsgefüge der Ukraine führen. Außenminister Lawrow sagte vor seinem Abflug nach Berlin, die russische Regierung werde alles in ihrer Macht stehende tun, um die Krise zu beenden. Zum Vorwurf der Regierung in Kiew, russische Truppen hätten ukrainische Einheiten angegriffen, sagte Lawrow aber, es gebe keine Beweise, dass Soldaten seines Landes die Grenze überquert hätten. Kiew solle Fakten vorlegen.