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Berlins neue Stimme im Dialog mit Moskau

Roman Goncharenko15. Januar 2014

Die Ernennung Gernot Erlers zum Russland-Beauftragten der Bundesregierung sei ein Zeichen für neue Töne im Dialog mit Moskau, meinen Experten. Kritik werde weniger öffentlich, ein Kurswechsel sei das aber nicht.

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Portrait von Gernot Erler (Foto: Patrick Seeger/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Im Dialog mit Russland werde Deutschland künftig auf weniger Kritik setzen - zumindest öffentlich. So reagiert man in Fachkreisen auf die Nachricht, der SPD-Bundestagsabgeordnete Gernot Erler werde neuer Russland-Koordinator für die zwischengesellschaftlichen Beziehungen im Auswärtigen Amt. Die Bundesregierung will über die Personalie des 69-Jährigen in den kommenden Tagen entscheiden.

Erler spricht Russisch und gilt als ein besonders guter Kenner Osteuropas. Auch in der Regierung ist er kein Neuling. In der ersten großen Koalition zwischen 2005 und 2009 war Erler Staatsminister im Auswärtigen Amt, das damals wie jetzt von seinem SPD-Kollegen Frank-Walter Steinmeier geleitet wird.

Vorgänger fiel in Moskau in Ungnade

Portrait von Andreas Schockenhoff (Foto: Hannibal dpa/lbn)
Andreas Schockenhoff kritisierte oft die innenpolitischen Entwicklungen in RusslandBild: picture-alliance/dpa

Als Russland-Beauftragter löst Erler Andreas Schockenhoff ab. Der CDU-Politiker fiel in Moskau in Ungnade, weil er die innenpolitischen Entwicklungen in Russland öffentlich scharf kritisiert hatte. In Deutschland wird Schockenhoffs Bilanz unterschiedlich eingeschätzt. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck sagt, sie sei traurig, dass Schockenhoff abgelöst wurde. "Er hat sehr viel getan für die russische Zivilgesellschaft", so Beck im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Peter Schulze von der Universität Göttingen dagegen hält Schockenhoffs Ansatz für gescheitert. Mit Erler verbinde er eine Anknüpfung an die Russland-Politik der ersten großen Koalition, sagt Schulze. "Das heißt: die Betonung von Partnerschaft in allen Facetten", so der Experte, der früher für die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung in Moskau gearbeitet hat.

Verständnis für Entwicklungen in Russland

Schulze glaubt, dass der SPD-Politiker keine einfache Aufgabe vor sich habe: "Russland lässt sich von Außen nichts sagen, genauso wie die USA." Mit solchen Länder müsse man "in einen permanten Dialog treten", so Schulze. "Ich glaube, das ist die entscheidende Sache, die Erler machen kann." Er könne Moskau nahelegen, eine "etwas andere Politik" sei in Russlands eigenem Interesse.

Erler selbst sagt, er werde Russland nicht weniger als sein Vorgänger kritisieren. "Aber man sollte auch versuchen, die Position der anderen Seite auch vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen und der Vergangenheit zu verstehen", so Erler im DW-Gespräch.

Fortsetzung der SPD-Ostpolitik

Portrait von Angela Merkel (Foto:REUTERS/Francois Lenoir)
Berlins Außenpolitik wird weiterhin Bundeskanzlerin Angela Merkel bestimmenBild: Reuters

Experten wie Hans-Henning Schröder von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) meinen, man solle die Ernennung Erlers nicht überbewerten. "Der Ton wird zurückhaltender", meint Schröder. Auch generell rechne er mit einer Belebung der Russland- und Osteuropapolitik der Bundesregierung. Ein radikaler Kurswechsel sei jedoch nicht zu erwarten. Berlins Außenpolitik werde weiterhin von Bundeskanzlerin Angela Merkel bestimmt.

Alexander Rahr, Forschungsdirektor beim Deutsch-Russischen Forum, sieht das anders. Aus seiner Sicht haben die Sozialdemokraten "faktisch die Möglichkeit bekommen, ihre Sicht der deutschen Russland-Politik umzusetzen". Berlins Ton gegenüber Moskau werde deshalb "pragmatisch". Der Experte verweist dabei auf die Russland-Passage im Koalitionsvertrag, in der es um "gemeinsame Interessen und nicht nur Werte" gehe. Rahr sieht das im Kontext der historischen SPD-Ostpolitik, die vom Ansatz "Wandel durch Annäherung" geprägt worden sei.

Erler will "konstruktiven Dialog" mit Russland

In Moskau begrüßen Experten die Ernennung eines SPD-Politikers zum Russland-Beauftragten - allerdings ohne große Euphorie. "Erler ist nicht weniger kritisch und die russische Seite muss sich darauf einstellen, dass er konkrete Handlungen der Regierung kritisieren wird", sagt Wladislaw Below, Leiter des Zentrums für Deutschland-Studien an der Russischen Akademie der Wissenschaften. "Nur der Ton der Kritik wird vorsichtiger", vermutet der Experte.

Fjodor Lukjanow, Vorstandsvorsitzender des russischen Rats für Außen- und Verteidigungspolitik, glaubt, Erler wäre in der Lage, die abgekühlten Beziehungen Berlins mit Moskau wiederbeleben zu können. "Kritik wird man höchstwahrscheinlich weniger öffentlich äußern", sagt Lukjanow. Dieser Ansatz könne "erfolgreicher" sein, als der bisherige.

Erler selbst sieht seine Aufgabe darin, einen "konstruktiven Dialog" mit Russland zu führen. Wichtig dabei sei, Moskau "eine Möglichkeit zu lassen, das Gesicht zu wahren". Das sei seine Erfahrung.