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Politik

Lucke: "Es ist falsch, die AfD zu dämonisieren"

Sumi Somaskanda jdw
19. Juni 2017

Den Rechtsruck der AfD ging er nicht mit, seine Euro-Skepsis bleibt. Statt die Alternative für Deutschland zu verteufeln, will Gründungsvorstand Bernd Lucke mit seiner neuen Partei LKR im Bundestag dagegen halten.

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Deutschland Bernd Lucke
Bild: picture alliance/dpa/K. Nietfeld

DW: Herr Lucke, als Mitgründer der Alternative für Deutschland (AfD) haben Sie die Partei Mitte 2015 verlassen. Warum?

Lucke: Ich war mit der Richtung, die die Partei damals einschlug, nicht einverstanden. Sie bewegte sich hin zu einer Anti-Islam-Linie, die teils auf Ausländerfeindlichkeit beruhte. Man begann Deutschlands Westbindung in Frage zu stellen - insbesondere die Mitgliedschaft in der NATO, aber auch in der EU. Und man stellte sich eindeutig gegen Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA. Das waren zunächst graduelle Veränderungen. Augenfällig wurde das zum ersten Mal mit der Annexion der Krim: Eine wachsende Minderheit in der AfD sympathisierte mit der russischen Position und wertete die Annexion nicht als Verletzung des Internationalen Rechts. Das war ein klares Signal für mich.

Sie haben die AfD als euroskeptische Kampagne gegründet. Inzwischen gilt sie vielen als rechtspopulistische Partei. In manchen deutschen Medien wird Ihnen deshalb vorgeworfen, Sie hätten ein Monster erschaffen. Wie sehen Sie das?

Ich lehne solche Anschuldigungen kategorisch. Wir dürfen nicht vergessen, dass es einer Partei erlaubt ist, Ansichten wie die der AfD zu vertreten. Es sind nicht meine politischen Überzeugungen, aber das sind die Positionen der Sozialdemokraten und der Linken auch nicht. Ich glaube, dass es absolut falsch ist, die AfD zu dämonisieren oder als Monster zu bezeichnen.

Aber anscheinend rückt die AfD immer weiter nach rechts. Spekulationen zufolge soll die Parteivorsitzende Frauke Petry bald von ihrem Posten entfernt werden, weil sie zu moderat, zu nah an der Mitte sei. Überrascht Sie diese Entwicklung?

Das ist keine Überraschung, sondern der Grund, aus dem ich die Partei verlassen habe. Schon 2015 war klar, dass die Partei nach rechts driften würde, und das tut sie weiterhin. Frau Petry hat die Partei absichtlich dorthin gelenkt. Sie hat die Partei in dieselbe Position wie die FPÖ ("Freiheitliche Partei Österreichs"), Frankreichs "Front National" und die niederländische PVV ("Partei für die Freiheit") manövriert und ist mit offenen Armen auf die Anführer dieser Parteien zugegangen. Die Medien hier vermitteln manchmal, Frauke Petry sei eine moderate Politikerin, aber da bin ich völlig anderer Meinung.

AfD - Bundesparteitag der Alternative für Deutschland
AfD-Parteitag 2015 in Essen: Lucke unterliegt Petry im parteiinternen Richtungsstreit. Daraufhin tritt er aus.Bild: Reuters/W. Rattay

Nach Ihrem Austritt aus der AfD haben Sie die "Allianz für Fortschritt und Aufbruch" (ALFA) gegründet, die inzwischen LKR ("Liberal-Konservativen Reformer") heißt. Worum geht es da?

Ich bin in die Politik gegangen, um die Euro-Politik grundlegend zu überarbeiten, um die EU zu reformieren und zu dezentralisieren. Diese Ziele stehen auch bei der LKR im Zentrum. Aber wir behandeln inzwischen auch andere Themen, zum Beispiel die Flüchtlingskrise: Die LKR steht für eine klar geregelte Flüchtlingspolitik, die das Grundrecht auf Asyl und die Genfer Konventionen respektiert, aber auch eine Obergrenze für die Zahl der Flüchtlinge setzt - insbesondere in Fällen, in denen keine unmittelbare Verfolgung droht.

Wie erfolgreich waren Sie mit dieser Botschaft bei den deutschen Wählern?

Bisher waren wir nicht besonders erfolgreich. In Umfragen kennen viele Menschen die LKR noch gar nicht, und bei Landtagswahlen hatten wir bisher keine guten Ergebnisse. Wir kämpfen für mehr Aufmerksamkeit bei den Medien, die allerdings schwer zu bekommen ist ohne gute Wahlresultate. Aber ohne Berichterstattung ist es unmöglich, gute Wahlresultate zu erzielen.

Sie sind Abgeordneter im Europäischen Parlament. Wie bringen Sie dort die Themen der LKR ein?

Als Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft und Währung gestalte ich die Wirtschaftspolitik mit. Ich vertrete die Meinung, dass wir strikt den Vertrag von Maastricht einhalten und die bestehenden Defizit- und Schuldenquoten respektieren sollten. Ich habe mich deutlich gegen die Schaffung einer Transferunion innerhalb der Europäischen Union ausgesprochen. Und ich bin auch dagegen, die europäische Integration voranzutreiben, weil ich glaube, dass Haftung und Verantwortung für Entscheidungen nicht voneinander getrennt werden dürfen.

Haben Sie also den Brexit unterstützt und würden Sie ein solches Referendum für Deutschland unterstützen?

Nein, das würde ich nicht. Ich glaube schon, dass auch manche wichtigen Entscheidungen direkt von den Bürgern getroffen werden sollten. Aber die EU-Mitgliedschaft ist ein sehr komplexes Thema: hard Brexit oder soft Brexit? Wie viel müssen wir bezahlen und welche Rechte sollen EU-Bürger behalten, nachdem wir ausgetreten sind? Solch eine Frage kann man nicht mit Ja oder Nein beantworten.

Der Ökonom Bernd Lucke gehörte ab Gründung der Alternative für Deutschland (AfD) im Februar 2013 dem AfD-Bundesvorstand an. Als Konsequenz auf eine verlorene Kampfabstimmung um die Führung und die Ausrichtung der Partei trat Lucke mit einer Gruppe Unterstützer Mitte 2015 aus und gründete die "Allianz für Fortschritt und Aufbruch" (ALFA), die seit November 2016 "Liberal-Konservative Reformer" (LKR) heißt. Seit 2014 ist Lucke Mitglied des Europäischen Parlaments.

Die Fragen stellte Sumi Somaskanda.