Euro-Krise
28. Januar 2011Man wüsste nur zu gern, was die vielen Gäste aus China und Indien hier in Davos über die aufgeregte Euro-Debatte denken. Das behalten sie aber lieber für sich und sagen stattdessen Dinge wie: "Der westliche Lebensstil funktioniert bald nicht mehr." So Zhu Min, hochrangigster Vertreter Chinas beim Internationalen Währungsfonds auf einer der zahllosen Debatten. Freilich wissen die Europäer hier, dass China durchaus als Unterstützer des Euro gilt, und auch kriselnden Ländern wie Portugal seine Unterstützung zugesagt hat. Braucht es noch mehr, um die neue Gewichtsverteilung der Weltwirtschaft zu erklären?
Zwergendasein für Europa?
Die Entwicklung hat längst Fahrt aufgenommen. Nach einer Studie der Unternehmensberatung PWC wird China im Jahr 2050 gemessen am Bruttoinlandsprodukt die mit Abstand größte Wirtschaftsmacht sein, gefolgt von den USA und Indien. Noch drastischer sagte es Stephen King, der Chefökonom der britischen Großbank HSBC hier in Davos. "Das Wachstum der Schwellenländer ist einfach zu überwältigend." Seiner Meinung nach wird Europa in den kommenden Jahrzehnten ein "Zwerg" sein. Daraus abgeleitet darf man die Frage stellen: Und welche Rolle spielt dann noch der Euro?
Unfaire Märkte?
Die Sorge um die europäische Gemeinschaftswährung überlagert die Debatten hier in Davos. Immer öfter ist von einer Umschuldung Griechenlands die Rede – dann müssten Gläubiger möglicherweise auf ein Drittel ihrer Forderungen verzichten. Premier Giorgos Papandreou wirkte fast schon verzweifelt, als er auf dem Davoser Forum von den Anstrengungen berichtete, die sein Land unternehme, um eben genau dieses Szenario zu verhindern: "Wir gehen bis an die Schmerzgrenze, aber die Märkte honorieren das einfach nicht." Ähnlich unfair würden Spanien und Portugal von den Märkten behandelt, monierte auch Angel Gurria, der Chef der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in einem Reuters-Interview .
Klare Worte
Kein Wunder, dass in dieser angespannten Lage jede Menge Beruhigungspillen verteilt werden. Am deutlichsten wurde Nicolas Sarkozy: "Wir werden den Euro niemals – hören Sie genau zu – niemals aufgeben", warnte Frankreichs Präsident alle, die auf eine Ende der Währungsunion spekulierten.
Jean-Claude Trichet, der Chef der Europäischen Zentralbank, sieht zwar Probleme in einzelnen Ländern, "aber die Eurozone selbst ist stabil." Schließlich habe man seit der Einführung des Euro vor zwölf Jahren Preisstabilität – der Euro habe damit geliefert, was man von ihm erwartet habe. Und auch Deutschlands Wirtschaftsminister Rainer Brüderle sieht die Eurokrise zwar als "noch nicht vorbei, aber entschärft."
Hungrige Konkurrenten
Sogar der legendäre Finanzinvestor George Soros sieht Europa auf dem Weg aus der Schuldenkrise: "Es gibt Wachstum", die Lage sei insgesamt nicht so schlecht, sagte Soros dem Fernsehsender CNBC. Gleichzeitig mahnte er aber auch an, nicht bis zum Jahr 2013 zu warten, und erst dann mit der Restrukturierung der Schulden zu beginnen.
Jacob Wallenberg, milliardenschwerer Investor aus Schweden, mahnte in Davos, zunächst das Vertrauen in die finanzielle Stabilität zurückzugewinnen und dann "müssen wir uns schnell um die strukturellen Defizite kümmern." Seine Liste ist anspruchsvoll, aber nicht wirklich neu: Mehr Investitionen in Bildung und Forschung, bessere Infrastruktur, Modernisierung der Arbeitsmärkte. Eine Schwäche könne sich Europa nicht leisten: "China und Indien sind hungrig und werden uns einfach überrollen."
Autor: Henrik Böhme, z.Zt. Davos (mit rtr)
Redaktion: Klaus Ulrich