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Bessere Berufschancen für Frauen gefordert

8. März 2010

Pünktlich zum Weltfrauentag ist die Debatte um die Gleichberechtigung von Frau und Mann in Deutschland neu entfacht. Derweil fordert ausgerechnet Alice Schwarzer die Abschaffung des Internationalen Frauentages.

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Symbolbild: Weibliche Spielfigur (l.) sitzt auf kleinerem Münzstapel als eine männliche Figur (Foto: dpa)
Noch keine Realität in Deutschland: gleicher Lohn für Frauen und MännerBild: picture-alliance/ dpa

Wer hoffte, am diesjährigen Weltfrauentag (08.03.2010) hagele es höchstens rote Nelken, wurde am Montag schwer enttäuscht. Vielmehr hagelte es schlechte Nachrichten zur Lage der Frau in der deutschen Gesellschaft. Die "tatsächliche Gleichstellung" der Frauen in der Arbeitswelt sei "noch nicht erreicht", erklärte die Bundesregierung auf eine Anfrage zu dem Thema. "Denn obwohl Frauen heute durchschnittlich höhere und bessere Bildungsabschlüsse als Männer erreichen, sind sie in zukunftsträchtigen Berufen und Entscheidungspositionen immer noch unterrepräsentiert."

Nur vier von zehn Frauen können von ihrer Arbeit leben

Doch damit nicht genug: Immer weniger Frauen in Deutschland finden einem Zeitungsbericht zufolge eine Vollzeitstelle. Dies berichtet die "Frankfurter Rundschau", die ein Papier der Bundesregierung zu dem Thema zitiert. Demnach arbeiteten 2009 trotz steigender Erwerbsbeteiligung 640.000 weniger Frauen in einer Vollzeitbeschäftigung als ein Jahrzehnt zuvor. Zugleich nahm die Zahl der Teilzeitjobs um 1,13 Millionen zu, die der Minijobs seit 2003 um 930.000. Außerdem stieg laut Bundesregierung die Zahl derjenigen Frauen, die trotz Erwerbstätigkeit auf Hartz IV angewiesen sind, seit 2005 um fast die Hälfte auf fast 743.000.

Laut Statistischem Bundesamt können gerade einmal vier von zehn Frauen von ihrer Arbeit leben. Den Zahlen zufolge finanzieren von den 32,5 Millionen Frauen, die hierzulande einen Privathaushalt führen, 42 Prozent ihren Lebensunterhalt überwiegend durch ihre eigene Berufstätigkeit. Weitere 29 Prozent leben überwiegend von einer Rente oder Pension. 19 Prozent sind auf die Einkünfte von Angehörigen angewiesen, zehn Prozent leben von Arbeitslosengeld oder ihrem eigenen Vermögen.

Wenige Frauen in Führungspositionen

Junger Mann im Anzug beugt sich zu dem Laptop seiner Assistentin mit Headset (Foto: picture alliance/chromorange)
Frauen in Deutschland haben immer noch zu selten die Chefposition inneBild: picture alliance/chromorange

Haben die deutschen Wirtschaftsbosse etwas gegen Frauen? Sogar Top-Manager stimmen kritische Töne an. Hans-Olaf Henkel, früherer Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), hat sich für eine Frauenquote in den Kontrollgremien deutscher Unternehmen ausgesprochen. Frauen in den Aufsichtsräten kämen meistens von der Arbeitnehmerseite, sagte er in einem Radiointerview. Henkel findet deutliche Worte: "Ich finde, das ist ein Armutszeugnis für die deutsche Wirtschaft." Er verwies auf Norwegen als Vorbild, wo in den Aufsichtsräten mindestens 40 Prozent Frauen sitzen müssen. Er hält die stufenweise Einführung einer Quote in Deutschland für denkbar. "Wenn sich nichts ändert, dann muss der Gesetzgeber nach meiner festen Überzeugung auch nachhelfen."

Selbst der gern seine Männlichkeit zur Schau stellende russische Regierungschef Wladimir Putin will mehr für die Gleichberechtigung von Frauen tun. In Russland gebe es auf diesem Gebiet noch "viel, viel zu tun", sagte Putin am Montag im russischen Fernsehen. Putin, in dessen Kabinett nur drei weibliche Minister sitzen, nannte dabei insbesondere den Schutz von Müttern und Kindern, einen verbesserten Zugang für Frauen zu verschiedenen Berufen, und gleiche Löhne und Arbeitsbedingungen als Ziele im russischen Geschlechterverhältnis.

Alice Schwarzer kritisiert den 8. März


Schwarzer präsentiert zwei Ausgaben der Zeitschrift Emma (Foto: AP)
Alice Schwarzer gilt als eine der prägenden Köpfe der deutschen Frauenbewegung (Archivbild)Bild: AP

Kritik am Frauentag kommt ausgerechnet von einer der Vorkämpferinnen für die Rechte der Frauen in Deutschland: Alice Schwarzer hält den Internationalen Frauentag für überflüssig. "Schaffen wir ihn also endlich ab, diesen gönnerhaften 8. März. Und machen wir aus dem einen Frauentag im Jahr 365 Tage für Menschen, Frauen wie Männer", forderte die Herausgeberin der Zeitschrift "Emma" in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Rundschau". Der 8. März sei eine "sozialistische Erfindung", die auf einen Streik von Textilarbeiterinnen zurückgehe, erklärte Schwarzer. Die Frauenbewegung sei aber zu Beginn der 70er-Jahre im Westen nicht zuletzt aus Protest gegen die Linke entstanden. "Eine Linke, die zwar noch die letzten bolivianischen Bauern befreien wollte, die eigenen Frauen und Freundinnen aber weiter Kaffee kochen, Flugblätter tippen und Kinder versorgen ließ."

Clara Zetkin begründete den Frauentag

Historische Aufnahme von Clara Zetkin (Foto: dpa)
Die deutsche linkssozialistische Politikerin und Frauenrechtlerin Clara Zetkin (1857-1933) begründete den FrauentagBild: picture-alliance/dpa

Der Weltfrauentag ist eine deutsche Erfindung: Begründerin war die Sozialdemokratin und spätere Kommunistin Clara Zetkin. Ihr wurde 1907 die Leitung des Frauensekretariats der SPD übertragen. Sie wurde bei der ersten "Sozialistischen Fraueninternationale" im Januar 1907 in Zetkins damaligem Wohnort Stuttgart zur Internationalen Sekretärin der gleichlautenden Organisation bestimmt.

Auf ihre Anregung hin versammelten sich im März des Jahres 1911 Frauen in Deutschland, Dänemark, Österreich, Schweden und in der Schweiz und begingen den ersten Weltfrauentag. Sie forderten das Recht auf Mitbestimmung, gleichen Lohn wie ihre männlichen Kollegen sowie mehr Gesundheitsschutz. Während der Diktatur der Nationalsozialisten war der Frauentag verboten. In der DDR ließ die SED den Festtag alljährlich mit viel Pomp feiern. Die Frauenbewegung begeht dieses Jahr den Internationalen Frauentag bereits zum 100. Mal.

Autor: Marcus Bölz (apn, dpa, afp)
Redaktion: Julia Elvers-Guyot