"Besuch im Zeichen des Friedens"
23. Mai 2014"Papst Franziskus - Willkommen im Staat Palästina" - steht auf den Plakaten, mit denen Bethlehem den Heiligen Vater begrüßt. Noch zimmern Handwerker an den Tribünen für die große Messe, zu der rund 10 000 Gläubige auf dem Krippenplatz vor der Geburtskirche erwartet werden. "Dieser Besuch kommt zu einer wichtigen Zeit", sagt Vera Baboun, Bethlehems resolute Bürgermeisterin. "Wir brauchen jemanden wie Papst Franziskus, der unsere Realität sieht und einem Frieden neue Impulse gibt."
Bei seinem ersten Besuch im Heiligen Land richten sich sehr unterschiedliche Erwartungen an den Papst. Franziskus selbst will die Versöhnung mit den christlichen Ostkirchen vorantreiben und den Dialog zwischen den Religionen fördern. Für Franziskus sei es wichtig, die einfachen Pilger zu treffen, heißt es, auch wenn das dichte Programm dafür kaum Zeit lässt. Anders als seine Vorgänger wird Franziskus nicht nach Nazareth, ins israelische Galiläa, reisen.
Kurze Reise - viele Erwartungen
In Bethlehem bleibt er knapp sieben Stunden. Doch die Palästinenser hoffen, dass Franziskus ein wenig von ihrem schwierigen Alltag mitbekommt. So steht ein Besuch im palästinensischen Flüchtlingslager Deheische an. Der Papst will hier - statt mit Würdenträgern - mit Gläubigen zu Mittag essen. Darunter wird auch eine Christin aus Gaza sein, die ihm von der schwierigen Situation in dem von Israel abgeriegelten Gebiet erzählen wird.
Die christliche Gemeinde in Gaza-Stadt zählt nur noch etwa 1300 Mitglieder. Die Papstreise hat für die arabischen Christen im Heiligen Land Symbolwert. Nur noch rund 50 000 Christen leben im Westjordanland, im Gazastreifen und Ostjerusalem, in Israel sind es rund 120 000 arabischsprachige Christen. Viele palästinensische Christen haben das Land verlassen, laut Organisatoren des Papstbesuchs leben heute fast 80 Prozent von ihnen in der Diaspora - verstreut über die ganze Welt.
Schuld sei die schwierige politische und wirtschaftliche Situation im Land. "Für jeden Besuch in Jerusalem braucht ein Bethlehemer eine Genehmigung der israelischen Behörden", erklärt Vera Baboun, die katholische Bürgermeisterin der Stadt. "Die Mauer trennt die spirituelle Verbindung zwischen den beiden Städten Jerusalem und Bethlehem." Theoretisch lebe man nur zehn Autominuten voneinander entfernt, rechnet sie vor, "und doch wächst hier eine Generation heran, die weder die Grabeskirche noch die Al Aqsa-Moschee kennt."
Christen wie Muslime seien gleichermaßen von der israelischen Besatzung betroffen, meint Falafel-Verkäufer Mohammed. "So Gott will, wird dies ein Besuch im Zeichen des Friedens. Mehr erwarte ich nicht." Seinen Falafel-Stand am Rande des Krippenplatzes freilich muss er am Sonntag schließen - aus Sicherheitsgründen.
Hohe Sicherheitsvorkehrungen in Jerusalem
Noch strenger geht es in Jerusalem zu. "In den 48 Stunden des Besuchs bieten wir alles auf", sagt Polizeioffizier Micky Rosenfeld. Ein Bad in der Menge wird es kaum geben. Die Altstadt wird abgeriegelt. Man könne nie sicher sein, "ob Papst Franziskus nicht doch einmal mit dem Protokoll bricht", heißt es hinter vorgehaltender Hand im Lateinischen Patriarchat. Davor graut es den Sicherheitsleuten.
Sorgen bereiten in Israel neue anti-christliche Schmierereien. Im Vorfeld der Reise hatten vermutlich jüdische Extremisten Hassparolen auf Kirchen und Klosterwände gesprüht - auch am katholischen Zentrum Notre Dame, wo Papst Franziskus am Montag den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu treffen wird. "Tod den Arabern und Christen, und allen, die Israel hassen" heißt es da in hebräischer Schrift. In den letzten Monaten häuften sich solche Vorfälle, die sich gegen Christen und Muslime, aber auch gegen säkulare jüdische Einrichtungen richten. Israelische Sicherheitsbehörden befürchten, dass die Attacken während des Papst-Besuchs noch einmal zunehmen.
Historisches Treffen der Ost- und Westkirche
Das wichtigste Treffen findet am Sonntagabend in Jerusalem statt. In der Grabeskirche wollen sich das Oberhaupt der Westkirche, der katholische Papst aus Rom, und das Oberhaupt der Ostkirche, der orthodoxe Patriarch von Konstantinopel die Hand geben. Ein symbolischer Akt, zuletzt geschehen vor 50 Jahren, an gleicher Stelle. Damals, 1964, reichten sich der katholische Papst Paul VI. und der orthodoxe Patriarch Athenagoras die Hände, ein historischer Schulterschluss.
Die Ordensschwester Frida Nasser hat damals den Besuch von Papst Paul VI. in Jerusalem miterlebt. Seither habe sich schon einiges getan, erzählt sie, was die praktischen Beziehungen zwischen Katholiken und Griechisch-Orthodoxen angeht. Heute leitet Schwester Frieda die Terra Sanctae Mädchenschule in Jerusalem. "Als ich ein Kind war, haben die Trauerglocken geläutet, wenn eine katholische Frau und ein griechisch-orthodoxer Mann heirateten", erzählt sie mit einem Lächeln. "Heute sind wir da schon viel weiter."
Brennpunkt Abendmahlssaal auf dem Zionsberg
Am Montag wird der Papst mit dem Großmufti Mohammed Hussein den Felsendom auf dem Haram Al Sharif, dem Tempelberg treffen. Danach geht er zur jüdischen Klagemauer, und besucht die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Um die politischen Beziehungen zwischen dem Vatikan und Israel wird es bei einem Treffen mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu gehen.
Einer der sensibelsten Programmpunkte beschließt die Reise des Papstes am Montag. Dann will Papst Franziskus gemeinsam mit anderen Würdenträgern eine Messe im Abendmahlsaal auf dem Zionsberg vor den Toren der Altstadt feiern. Der Abendmahlsaal ist Teil eines Gebäudekomplexes, der Juden, Christen und Muslime heilig ist und seit Jahren ein Streitfall. Der komplizierte Mikrokosmos im Miteinander der Religionen dürfte auch Papst Franziskus auf seiner Reise in den Nahen Osten immer begleiten.