Besucht Pelosi Taiwan oder nicht?
1. August 2022Inmitten von Spannungen zwischen Peking und Washington wegen des Status von Taiwan hat Nancy Pelosi an der Spitze einer Delegation des US-Kongresses ihre Asienreise in Singapur begonnen. Singapurs Regierungschef Lee Hsien Loong appellierte an die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, sich um "stabile Beziehungen" zu Peking zu bemühen. Diese seien entscheidend für "Frieden und Sicherheit" in der Region, wurde Lee in einer Erklärung zitiert.
Weitere angekündigte Stationen sind Malaysia, Japan und Südkorea. Offen blieb weiterhin, ob Pelosi trotz Drohungen aus China auch nach Taiwan reisen würde. Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses ist die dritthöchste Repräsentantin der Vereinigten Staaten. Ihr Besuch wäre der ranghöchste eines US-Politikers in Taipeh seit 25 Jahren.
Kommt sie oder kommt sie nicht?
Taiwan wird im offiziellen Programm ihrer Reise nicht erwähnt. Trotzdem reißen die Spekulationen nicht ab, dass es dazu kommen könnte. Taiwans Ministerpräsident Su Tseng-chang wich einer klaren Antwort aus, ob Pelosi nach Taiwan kommen werde. "Wir begrüßen immer Besuche hochdekorierter ausländischer Gäste in unserem Land", sagte er in der Hauptstadt Taipeh zu Reportern.
Der US-Sender CNN und der taiwanische Kanal TVBS berichteten unter Berufung auf anonyme Quellen, dass Pelosi vorhabe, Taiwan zu besuchen. Das taiwanesische Außenministerium lehnte eine Stellungnahme zu den Berichten ab.
Peking droht mit Gegenmaßnahmen
China hat die USA erneut mit scharfen Worten vor einem Besuch von Spitzenpolitikerin Pelosi in Taiwan gewarnt. Ein Sprecher des Außenministeriums in Peking sagte, das Militär der Volksrepublik werde nicht einfach tatenlos zuschauen, sollte die Präsidentin des US-Repräsentantenhauses in Taiwan eintreffen und drohte mit "entschlossenen und starken Gegenmaßnahmen". Welche Konsequenzen konkret zu erwarten seien, führte der Sprecher auch auf Nachfrage nicht aus.
Das Weiße Haus warnte indes, China könnte sich "in Stellung bringen", um in Taiwan etwa mit Raketenstarts militärische Stärke zu demonstrieren. China "scheint sich darauf einzustellen, möglicherweise in den kommenden Tagen weitere Schritte zu ergreifen", sagte John Kirby, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats am Weißen Haus. Zugleich betonte er, Pelosi habe "das Recht, Taiwan zu besuchen". "Es gibt keinen Grund für Peking, einen mögilchen Besuch, der seit langem bestehenden US-Leitlinien entspricht, in eine Krise zu verwandeln, sagte Kirby.
US-Präsident Joe Biden hatte zu Journalisten am vergangenen Mittwoch gesagt, das US-Militär halte einen Pelosi-Besuch in Taiwan "derzeit für keine gute Idee". Die US-Demokratin Pelosi gilt seit langem eine scharfe Kritikerin Chinas und hat schon länger vor, Taiwan zu besuchen, um damit ein Zeichen gegen die Drohungen aus Peking zu setzen.
Die Führung in Peking betrachtet die Insel Taiwan als abtrünnige Provinz, die wieder mit dem Festland vereinigt werden soll - notfalls mit militärischer Gewalt. Der Status Taiwans ist einer der Hauptkonfliktpunkte zwischen den Supermächten USA und China. Nach chinesischer Lesart würde ein Besuch Taiwans ein Signal der Hoffnung an die Unabhängigkeitsbefürworter in Taiwan senden. Washington erkennt zwar Taiwan nicht offiziell als unabhängigen Staat an, unterstützt aber die Regierung des Landes.
Baerbock zu Taiwan: Überfall würde nicht akzeptiert
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock warnte Peking vor einer Eskalation. "Wir akzeptieren nicht, wenn das internationale Recht gebrochen wird und ein größerer Nachbar völkerrechtswidrig seinen kleineren Nachbarn überfällt - und das gilt natürlich auch für China", sagte Baerbock in New York. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Befürchtungen wachsen lassen, dass Peking gegenüber Taiwan auf ein ähnliches Vorgehen zusteuern könnte.
Chinas Präsident Xi spricht von "Spiel mit dem Feuer"
Der chinesische Präsident Xi Jinping hatte US-Präsident Joe Biden erst vergangene Woche aufgefordert, das von Peking verfolgte Ein-China-Prinzip anzuerkennen und gewarnt: "Wer mit dem Feuer spielt, wird darin umkommen." China hat in der Vergangenheit mehrfach mit Manövern nahe der Insel seinen Anspruch unterstrichen.
Die DW sprach mit Bi-Yu Chang, der stellvertretenden Direktorin des Zentrums für Taiwan-Studien an der Universität London, über die jüngsten Drohungen aus Peking bezüglich eines möglichen Besuchs von Pelosi in Taiwan. Bi-Yu Chang sagte der Deutschen Welle, sie glaube, die chinesischen Drohungen seien mehr "Rhetorik" als Realität.
qu/ehl (dpa, rtr, afp, dw)