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Musik

Beethoven am Ural

23. November 2020

In der Kulturmetropole Jekaterinburg findet ein internationales Beethovenfest statt - unter verschärften Hygieneregeln. Die DW ist Medienpartner.

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Schriftszug des Festivals "Be@thoven" in Jekaterinburg (Philharmonie Jekaterinburg).
Alle 60 Minuten lüften: Festival "Be@thoven" in JekaterinburgBild: Philharmonie Jekaterinburg

Es hört sich fast wie ein Märchen an: Während das Beethovenfest in Bonn, der Heimatstadt des großen Komponisten, im Jahr von dessen 250. Jubiläum pandemiebedingt abgesagt werden musste, findet im russischen Jekaterinburg vom 23. bis zum 30. November 2020 ein internationales Beethovenfest statt:"Be@thoven".

DW ist Medienpartner des Projektes und wird drei der Konzerte auf dem Kanal DW Classical Music ausstrahlen (ausführliche Informationen am Ende dieses Artikels).

Beethovens Werk: die ganze Bandbreite

Das Programm des Festivals ist beeindruckend: Sechs Konzerte präsentieren den Meisterkomponisten Ludwig van Beethoven in seinen Kerngattungen - mit großen symphonischen Werken, Kammer-, Klavier- und Vokalmusik.

Saal der Sverdlovsker Philharmonie in Jekaterinburg mit Säulen, Kronleuchtern und Stuck (Philharmonie Jekaterinburg).
Einer der schönsten Säle Russlands: die Sverdlovsker Philharmonie in Jekaterinburg ("vor-Corona" Zeiten)Bild: Philharmonie Jekaterinburg

Zur Eröffnung in der städtischen Sverdlovsker Philharmonie begleiten die Hausherren und -damen, Musiker des renommierten Ural Philharmonic Orchestra, den deutschen Pianisten Severin von Eckardtstein bei Beethovens 4. Klavierkonzert. Es erklingt auch "Be@thoven-Invocation": Das Werk des Moskauer Komponisten Vladimir Tarnopolski entstand 2016 im Auftrag des Beethovenfestes Bonn und wurde dort auch uraufgeführt. Es bezieht sich inhaltlich auf das 4. Klavierkonzert und das Dilemma von Beethovens Taubheit. Nun wurde es zum Namen eines ganzen Festivals, das zunächst als einmalige Aktion zu Beethovens 250. Geburtstag geplant ist.

Plakat Beethovenfest Jeakterinburg Russland
Überall in der Stadt hängt das Logo des Festivals

Ein weiterer Höhepunkt verspricht der Abend mit Vokalmusik unter dem Obertitel "An die ferne Geliebte" zu werden: Thomas E. Bauer wird den gleichnamigen Zyklus interpretieren, während Elena Zhidkova, die im Sommer 2019 als Venus im "Tannhäuser" bei den Bayreuther Festspielen begeisterte, mit Richard Wagners Wesendonck-Lieder zu hören sein wird.

Das Konzert "Die Stars von Morgen" präsentiert junge Musiker der Deutsch-Russischen Musikakademie, die seit zehn Jahren Nachwuchskünstler aus Russland und Studierdende deutscher Musikhochschulen zusammenbringt. Das "Internationale Tschaikowski Jugendorchester", das von Mitgliedern des philharmonischen Jugendorchesters von Jekaterinburg verstärkt wird, bestreitet auch das Abschlusskonzert mit der 9. Sinfonie.

Thomas Zehetmair zu Gast

Ein wahrer Held des Beethoven-Festivals in Jekaterinburg ist Thomas Zehetmair: Der österreichische Star-Violinist wird nicht nur als Solist bei Beethovens Violinkonzert zu erleben sein, sondern sowohl beim Eröffnungs- als auch beim Abschlusskonzert am Pult stehen.

Thomas Zehetmair an der Violine (Michel Neumeister).
Zu Gast in Jekaterinburg: Thomas ZehetmairBild: Michel Neumeister/imago images

Damit springt er als Dirigent für gleich zwei Kollegen ein: den Chefdirigenten des Ural Philharmonic Orchestra Dmitri Liss, der sich noch nicht von einer Corona-Erkrankung erholt hat, und für Lothar Zagrosek, der nicht anreisen konnte. "Es ist für mich eine Premiere in Jekaterinburg", so Thomas Zehetmair im DW-Gespräch. "Und ich freue mich sehr, dass dieses Festival genau hier, in Russland, und jetzt stattfinden kann. Schließlich ist Musik unser Leben".

Insgesamt kommen über zwanzig junge und renommierte Künstler aus Deutschland an den Ural und musizieren gemeinsam mit russischen Kollegen.

"Wunder" von Jekaterinburg

Angesichts der Pandemie-Situation erscheint ein so großes internationales Beethovenfest am Ural beinahe als Wunder. Wie ist das möglich? Und warum ausgerechnet in Jekaterinburg?

Die zweite Frage ist einfacher zu beantworten: Jekaterinburg, eine Industriemetropole an der Grenze zwischen Europa und Asien, mit fast anderthalb Millionen Einwohnern die viertgrößte Stadt Russlands, ist eine Kulturhauptstadt, die weit über die Region Ural hinausstrahlt.

"So konnten wir es einfach nicht zulassen, dass das große Beethoven-Jubiläum an uns vorbeirauscht", so der langjährige Direktor der städtischen Ural-Philharmonie Alexander Koloturski. Sein Haus zählt neben der Konkurrenz in Moskau und Sankt Petersburg zu den bedeutendsten philharmonischen Institutionen Russlands.

"Schließlich ist Beethoven eng mit Russland verbunden: nicht nur durch seine russischen Mäzene und Auftraggeber Golizyn und Rasumowski und nicht nur durch die Uraufführung der 'Missa solemnis', die ebenso in Russland stattfand. Die gesamte russische Musik ist von tiefer Beethoven-Begeisterung geprägt." Auch die Musik von Pjotr Iljitsch Tschaikowski, der 1840 in der heutigen Stadt Wotkinsk in der Region Ural geboren wurde, ist ein Grund für die Jekaterinburger, den Komponisten als Landsmann zu ehren.

Musikalische Gemeinschaft über Grenzen hinweg

Philharmonie-Direktor Koloturski steht inmitten von Publikum (Philharmonie Jekaterinburg).
Philharmonie-Direktor Koloturski inmitten seines gut besetzten Hauses - vor der PandemieBild: Philharmonie Jekaterinburg

"Bereits vor zwei Jahren haben wir das internationale Beethovenfest in Jekaterinburg mit unseren wunderbaren deutschen Partnern geplant", erzählt Koloturski im DW-Gespräch. Auf der deutschen Seite zeichnet das Berliner Projektbüro RCCR Projects für inhaltliche und logistische Gestaltung des Festivals verantwortlich. Die 2012 gegründete Organisation plant und organisiert Veranstaltungen, die, so erklärtes Ziel, "über politische und gesellschaftliche Grenzen hinweg musikalische Gemeinschaft" zwischen Russland und Deutschland stiftet.

Das vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik und dem Gouverneur des Sverdlovsker Gebiets unterstützte Projekt fügt sich nahtlos ins Programm des "Deutschlandjahres in Russland", das 2020 und 2021 allen Hindernissen zum Trotz stattfindet.

"Die Künstler sind anwesend"

Die Umsetzung eines Festivals in der Situation einer Pandemie, die Russland wie Deutschland fest im Griff hält, war dennoch "ein logistischer Kraftakt, der durch Enthusiasmus aller Beteiligten möglich war", räumt Nikolaus Rexroth von"RCCR Projects" ein. Zwar können die Künstler mit sondergenehmigten Visa und einem negativen Covid-19-Test problemlos einreisen, bei der Rückreise ist aber eine zehntägige Quarantäne einzuhalten (die bei einem negativen Test ab dem fünften Tag entsprechend verkürzt werden kann).

Vor Ort werden sämtliche Sicherheitsvorkehrungen getroffen: Der Saal der Philharmonie wird nur zur Hälfte gefüllt und alle 60 Minuten gelüftet, sämtliche Beteiligte müssen sich regelmäßig einem Corona-Test unterziehen. "Dennoch werden viele, besonders unsere älteren Musikliebhaber nicht in die Philharmonie kommen, sondern auf digitale Übertragung der Konzerte zurückgreifen", meint Alexander Koloturski.

Dafür hat der Philharmonie-Direktor Verständnis und eine gute Lösung - der "digitale Konzertsaal" des Hauses ist der beste von ganz Russland, und genauso kostenlos, wie die Beethoven-Ausstellung im Foyer der Philharmonie, die mit Unterstützung des Beethovenhauses in Bonn organisiert wurde.

"Beethoven-Tram" in Jekaterinburg (Philharmonie Jekaterinburg).
Mit Beethoven unterwegs: Auf Linie 7 fährt jetzt die "Beethoven-Tram"Bild: Philharmonie Jekaterinburg

Neue Tram namens "Beethoven"

Und um möglichst viele Jekaterinburger zu erreichen, gingen die Festivalmacher auch neue Wege: So rollt seit vergangenem Wochenende eine "Beethoven-Tram" durch die Hauptachse der Stadt, den Lenin-Prospekt. Im Außenraum schaut Beethoven vom Festspiellogo etwas verlegen auf den ersten Schnee, drinnen erklingt seine Musik - man scant einen QR-Code auf dem Sitzrücken und hört sich die "Mondscheinsonate" oder etwa die 7. Sinfonie an - die "Beethoven-Tram" fährt nämlich auf der Linie Sieben.

DW überträgt drei Konzerte des Festivals

Drei Konzerte des Internationalen "Be@thoven":- Festivals erscheinen auf dem YouTube-Kanal DW Classical Music:

26. November (Donnerstag)
THOMAS ZEHETMAIR UND ORCHESTER
Ural Philharmonic Orchestra
Dirigent und Solist - Thomas Zehetmair (Violine)
Ruth Killius (Viola)
Ludwig van Beethoven: Violinkonzert D-Dur op. 61
Benjamin Britten: Doppelkonzert für Violine, Viola und Orchester h-Moll Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67

29. November (Sonntag)
AN DIE FERNE GELIEBTE
Maria Bayankina (Sopran)
Elena Zhidkova (Mezzosopran)
Thomas Bauer (Bariton)
Nikolaus Rexroth (Klavier)
Ludwig van Beethoven: Liederzyklus "An die ferne Geliebte" op. 98
Richard Wagner: Wesendonck-Lieder (Ausschnitte) WWV 91
Russische Romanzen

30. November (Montag) 19:00
ODE AN DIE FREUDE
Internationales Tschaikowski Jugendorchester
Sinfoniechor der Sverdlovsker Philharmonie
Dirigent – Thomas Zehetmair  
Maria Bayankina (Sopran)
Elena Zhidkova (Mezzosopran)
Ilya Selivanov (Tenor)
Thomas Bauer (Bariton)
Jörg Widmann: Konzertouvertüre "Con brio"
Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 9