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Bezeichnung "polnische KZs" bald strafbar

Jo Harper / ust18. August 2016

In Polen soll es illegal werden, von "polnischen" Todes- oder Konzentrationslagern zu sprechen, wenn von den Nazis betriebene Lager auf polnischem Gebiet gemeint sind. Das könnte künftig sogar zu Haftstrafen führen.

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Die Gleise, die zum Eingang des Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau führen (Foto: Getty Images)
Die Gleise, die zum Eingang des Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau führenBild: Getty Images/C. Furlong

Polnische Regierungen unterschiedlicher politischer Couleur hatten sich über die Wortwahl ausländischer Beobachter und Medien beschwert, die dem Land unterstellt, für den Holocaust im Zweiten Weltkrieg verantwortlich zu sein. "Den Polen kocht das Blut in den Adern, wenn sie - auch in deutschen Medien - lesen, es habe 'polnische Todeslager gegeben'", sagte Justizminister Zbigniew Ziobro, der die treibende Kraft hinter dem neuen Gesetzentwurf des Kabinetts von Ministerpräsidentin Beata Szydlo zu diesem Thema war. Es wird erwartet, dass auch das Parlament für das neue Gesetz stimmt - die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hat dort die Mehrheit.

Problematische Fehlinterpretationen

Polen, wo vor dem Zweiten Weltkrieg ungefähr drei Millionen Juden lebten, war ein Hauptschauplatz des Holocaust. Das Wort "polnisch" ist in den beanstandeten Ausdrücken häufig als geografische Zuordnung gemeint. Viele Todeslager der Nazis - wie Auschwitz, Treblinka und Sobibor - befanden sich auf polnischem Gebiet, das damals von den Deutschen besetzt worden war. Neben Millionen Juden aus verschiedenen europäischen Regionen wurden auch viele nicht-jüdische Polen zu Opfern der Nationalsozialisten - innerhalb und außerhalb der Lager.

Eine Frau in eine israelische Flagge gehüllt läuft auf den Eingang des KZ Auschwitz zu (Foto: DPA)
Beim "Marsch der Lebenden" hat sich eine Teilnehmerin in eine israelische Flagge gehülltBild: picture-alliance/dpa/G. Momot

Ein Gesetz mit Ansage

Als die PiS-Regierung Ende 2015 ins Amt kam, machte sie es sich auch zur Aufgabe, darauf zu achten, wie die Polen über ihre eigene Geschichte denken, sprechen und lernen. Das Gesetz, so die Regierung, sei Teil einer größeren Strategie, den Nationalstolz zu stärken.

"Die Neuregelung bestraft diese beleidigenden Beschreibungen, die Polens Ansehen schädigen", hieß es in einer Erklärung der Regierung. Schon seit einigen Monaten wird über das Gesetz diskutiert. Ursprünglich sollte eine Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren möglich sein. Der nun verabschiedete Entwurf wurde etwas entschärft, aber Verurteilte könnten immer noch zu bis zu drei Jahren hinter Gittern verurteilt werden.

Justizminister Zbigniew Ziobro sagte, die dreijährige Gefängnisstrafe wäre denjenigen vorbehalten, "die Polens guten Ruf vorsätzlichen beschmutzen, indem sie Begriffe wie 'polnische Todeslager' oder 'polnische Konzentrationslager' benutzen." Wer die Worte unabsichtlich gebrauche, habe weniger harte Strafen zu befürchten, zum Beispiel Bußgelder.

Polens Justizminister Zbigniew Ziobro (Foto: Picture Alliance)
Polens Justizminister Zbigniew ZiobroBild: picture alliance/NurPhoto/K. Dobuszynski

Worte des Anstoßes

Dass die Bezeichnung beleidigend sei, betonte 2005 erstmals der damalige Außenminister Adam Daniel Rotfeld, der selbst den Holocaust überlebt hatte. Er sagte, dass sich dadurch - ob beabsichtigt oder nicht - die Verantwortung für die Planung, den Bau und den Betrieb der Lager von den Deutschen zu den Polen verschiebe.

Seitdem hat es in Polen Gerichtsverfahren gegen deutsche Medien wie die Zeitung "Die Welt" oder den Sender ZDF gegeben, weil sie die Lager in Majdanek oder Auschwitz als "polnische Konzentrationslager" bezeichnet hatten. Geklagt hatten Holocaust-Überlebende oder Nachfahren von KZ-Insassen. Die polnischen Richter lehnten aber beide Klagen ab, da die Medien die Fehler berichtigt und sich entschuldigt hatten.

Auch US-Präsident Barack Obama sprach von einem "polnischen Todeslager", als er im Mai 2012 posthum die Freiheitsmedaille des Präsidenten an Jan Karski verlieh, der während des Krieges die Alliierten in London über den Genozid an den Juden in Polen informierte. Nach Beschwerden sagte ein Vertreter der Regierung, der Präsident habe dies falsch formuliert und hätte sich "auf Nazi-Todeslager im von Deutschland besetzten Polen bezogen".

Die PiS und Polens neue Geschichtspolitik

Neue Aspekte der Erinnerungspolitik sind Polens PiS-Regierung sehr wichtig: Zum Beispiel kritisierte sie das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig dafür, die Rolle Polens im Krieg nur unzureichend zu beachten. Außerdem wiederholte sie die Behauptung, dass Lech Walesa, Kultfigur der Gewerkschaft Solidarnosc, angeblich mit dem kommunistischen Geheimdienst kooperiert habe. Und die Partei griff Jan Gross, einen US-Historiker mit polnisch-jüdischen Wurzeln, für seine Aussage in der Zeitung "Die Welt" an, Polen hätte im Krieg mehr Juden umgebracht als Deutsche getötet.

Gross ist für die PiS ein rotes Tuch. Er stellt schwierige Fragen zu den polnisch-jüdischen Beziehungen, oft konträr zur traditionellen Selbstwahrnehmung der Polen. Vor allem hat er die Polen gefragt, ob es möglich ist, gleichzeitig Opfer und Schikaneur zu sein. Sein Buch "Nachbarn" über den Mord an Juden durch Polen im Sommer 1941 in Jedwabne, einer Kleinstadt nordöstlich von Warschau, löste zur Jahrtausendwende eine erhitzte Debatte aus. Sie war ein wichtiger Impuls in der sich verändernden polnischen Geschichtsschreibung über den Holocaust. Die PiS-Regierung hat darüber diskutiert, Jan Gross den Verdienstorden abzuerkennen.

Der US-polnische Historiker Jan Gross (Foto: Picture Alliance)
Von der PiS-Regierung geächtet: der Historiker Jan GrossBild: picture-alliance/picturedesk.com/R. Newald

Zweifel an Wirkung

Kritiker befürchten, hinter dem neuen Gesetz könnte die Absicht stecken, historische Nachforschungen über das Verhalten der Polen gegenüber Juden zu erschweren. Viele Polen unterstützen es aber, da sie das Gefühl haben, dass es sich kaum von Gesetzen anderer Länder zu diesem Thema unterscheidet - Deutschland eingeschlossen, wo die Leugnung des Holocaust eine Straftat ist. Viele sagen aber auch, dass die Regierung machtlos sei, Menschen außerhalb Polens zu bestrafen. Aber gerade bei jenen ist die Wahrscheinlichkeit am höchsten, dass sie die falschen Formulierungen benutzen.

Kurzfristige Abhilfe scheint das Auschwitz-Museum zu schaffen. Der Nachrichtenagentur AFP zufolge hat es ein Textkorrekturprogramm für gängige Schreibprogramme veröffentlicht. In 16 Sprachen soll es helfen, Todeslager der Nazis nicht als "polnisch" zu bezeichnen.