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Bildergeschichten: Die Demütigung des "Sühneprinzen"

Tillmann Bendikowski13. Januar 2014

Wir stellen jede Woche ein Bild vor und erzählen seine Geschichte. Diesmal gehen wir zurück in das Jahr 1901. Eine chinesische Delegation kommt nach Potsdam.

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Sühnegesandtschaft in Potsdam 1901
Die "Sühnegesandtschaft" im Jahr 1901 in PotsdamBild: picture-alliance/akg-images

Es ist das Dokument einer Demütigung: Der chinesische Prinz Chun und seine Begleitung stellen sich im Neuen Palais in Potsdam dem Fotografen. Nicht zufällig sind sie eingerahmt von preußischen Militärs. Hier im historischen Zentrum preußischer Macht beugen sich die Besucher aus China der neuen Stärke und dem neuen Weltanspruch des Deutschen Reiches. Im Namen des Kaisers von China müssen sie sich offiziell bei Kaiser Wilhelm II. für den sogenannten "Boxer-Aufstand" entschuldigen. Bei diesen Unruhen war im Jahr 1900 unter anderem der deutsche Gesandte von Ketteler getötet worden. Das hatte in Deutschland für Empörung gesorgt.

Doch acht europäische Mächte hatten den Boxer-Aufstand zugleich genutzt, um militärisch in China einzugreifen und ihre kolonialen Ansprüche in dieser Region zu festigen beziehungsweise noch auszudehnen. Das traditionsreiche und stolze chinesische Kaiserhaus wurde anschließend zu einem schmachvollen Frieden gezwungen. Als besondere Demütigung ließ man sich die Zustimmung zu einer prominent besetzten "Sühnemission" ins Deutsche Reich einfallen. Zu dieser bricht Prinz Chun, ein Bruder des regierenden Kaisers von China, schließlich im Sommer 1901 auf.

Die deutsche Öffentlichkeit verfolgte das Ereignis mit größtem Interesse, die Zeitungen berichteten ausführlich über den "Sühneprinzen". Als er am 4. September 1901 schließlich am Neuen Palais vorfuhr, ignorierte ihn die dort postierte Ehrenkompagnie. Wilhelm II. empfing Chun betont kühl und überheblich. Als Kopfbedeckung hatte sich der deutsche Kaiser ausgerechnet für einen Stahlhelm entschieden, den er auch während der folgenden Zeremonie nicht absetzte. Auch blieb er demonstrativ auf dem Thron sitzen, als der chinesische Prinz den Saal betrat, sich unter mehrmaligem Verbeugen dem Thron näherte, die vorbereitete offizielle Entschuldigung vorlas und sich – wieder unter Verbeugungen – rückwärts entfernte.

Der Prinz aus China habe sich wortreich entschuldigt, doch fortan, so mahnte Wilhelm II., müsse sich China gewissenschaft an "der Sitte zivilisierter Nationen" orientieren. Dabei hatte Wilhelm II. sich selbst geradezu barbarisch aufgeführt, als er im Jahr zuvor deutsche Soldaten zur Niederschlagung des Boxer-Aufstandes mit der sogenannten "Hunnen-Rede" aufgefordert hatte. Wie die Hunnen sollten sie sich in China aufführen: "Pardon wird nicht gegeben, Gefangene nicht gemacht." Deutsche Soldaten gingen daraufhin brutal gegen Zivilisten vor. Dass sich ihr Kaiser anschließend als Hüter der "zivilisierten Nationen" aufspielte, wirkt wie ein schlechter Witz der Weltgeschichte.