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Bildergeschichten

Tillmann Bendikowski19. November 2013

Wir stellen jede Woche ein Bild vor und erzählen seine Geschichte. Diesmal gehen wir zurück in das Jahr 1806: Das Brandenburger Tor büßt seine Quadriga ein.

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Berlin,Demontage der Quadriga/Holzstich 1806 (Foto: picture alliance/akg-image)
Bild: picture alliance/akg-image

Auch Götter sind bekanntlich vor den guten und weniger guten Taten der Menschen nicht sicher. Das muss 1806 auch Eirene erfahren, die in der griechischen Mythologie als Friedensgöttin galt. Seit nunmehr 20 Jahren thront sie samt Triumphwagen und Pferden hoch oben auf dem Brandenburger Tor. Von dort beobachtet sie, wie nach Preußens Niederlage gegen Napoleon französische Truppen durch das Brandenburger Tor in Berlin einziehen. Und mehr noch: Den Franzosen gefällt das Ensemble so gut, dass sie die Quadriga kurzerhand abmontieren, in Einzelteile zerlegen und in Kisten verpackt nach Paris transportieren lassen.

Preußen ist am Boden zerstört. Die Niederlage gegen Frankreich ist gleichermaßen militärisches Fiasko wie kollektive Demütigung. Umso größer sind Freude und Erleichterung 1814, als Napoleon in der Völkerschlacht geschlagen ist. Umgehend lässt der preußische König Friedrich Wilhelm III. nach der verschleppten Quadriga fahnden. Tatsächlich wird sie in Paris gefunden – noch immer in Kisten schlummernd. Die Rückreise nach Berlin wird zum Triumphzug, an der Strecke jubeln die Menschen und feiern patriotische Volksfeste.

Vor ihrer Wiederaufstellung wird die Quadriga nun aber erst noch schön gemacht – und auf Wunsch des preußischen Königs geschichtspolitisch angehübscht: Jetzt wird der preußische Adler und ein riesiges Eisernes Kreuz hinzugefügt, aus der griechischen Friedengöttin wird die römische Siegesgöttin Viktoria. Jetzt soll das Gespann hoch oben vom Sieg über Frankreich künden (weshalb auch der Platz vor dem Tor ab sofort nicht mehr "Quarree" heißt [vom französischen Wort "carré" für das Quadrat], sondern "Pariser Platz").

Die Berliner bejubeln die Rückkehr der Quadriga – und der berüchtigte Berliner Volksmund spricht von ihr als der berühmtesten "Retour-Kutsche" der Stadt. Deren abwechslungsreiche Geschichte ist allerdings noch lange nicht zu Ende: Die DDR nutzt 1958 bei der Restaurierung der im Zweiten Weltkrieg beschädigten Quadriga die Chance, den preußischen Adler und das Eiserne Kreuz wieder zu entfernen. Dass beide heute indes wieder zu sehen sind, liegt an der jüngsten Reparatur, die unmittelbar nach der deutschen Vereinigung notwendig wird: In der Silvesternacht 1989/90 erklimmen zahlreiche Partygäste das Brandenburger Tor und ramponieren dabei auch die Quadriga. Die Göttin auf ihrem Wagen dürfte das ausgelassene Treiben mit Gelassenheit betrachtet haben: Immerhin wurde diesmal auch der Frieden gefeiert – und es kamen keine fremden Soldaten, die sie wieder in Kisten packen wollten…