Bischofskonferenz 2023 in Dresden unter Zugzwang
1. März 2023Kalt ist es am frühen Morgen. Im hohen Raum der katholischen Dresdner Kathedralkirche predigt der Münchner Kardinal Reinhard Marx, und 60 Bischöfe hören zu. Sie sind in der Stadt an der Elbe im Osten Deutschlands zur Frühjahrskonferenz der Deutschen Bischofskonferenz versammelt. Von turbulenten und herausfordernden Zeiten spricht der Kardinal, von Ratlosigkeit, Verwundungen und Enttäuschungen. "Unsere Köpfe rauchen."
Marx wirkt, seitdem er im März 2020 als Vorsitzender der Konferenz abtrat, freier, auch launiger. Er predigt nicht mehr hinter einem erhöhten Pult, sondern noch vor der ersten Stufe zum Altarraum auf der Höhe seiner Mitbrüder. Und mit seinen letzten Sätzen wird der Kardinal konkret wie ungenau gleichermaßen.
"Warum so viel Angst? Warum so viel Sorge vor dem, was kommt?", fragt er. Er lässt offen, wer denn da Angst habe. "Vielleicht sind die synodalen Suchbewegungen, die wir im Augenblick erleben, bei uns in Deutschland und darüber hinaus, eben der Beginn eines Beginns."
Die "synodalen Suchbewegungen" - das zielt vor allem auf den sogenannten "Synodalen Weg", letztlich eine Erfindung dieser Bischofskonferenz. Angesichts der Skandale um tausendfachen Missbrauch, um sexuelle Gewalt und den breiten Verlust des Vertrauens hatten die Bischöfe bei ihrem Frühjahrstreffen 2019 einstimmig einen verbindlichen Synodalen Weg beschlossen.
Sie wollten ihn gemeinsam mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), der Vertretung der katholischen Laien in Deutschland, einschlagen. Klar war, dass es um die Missstände der Kirche gehen sollte: den Machtmissbrauch durch die männlichen Kleriker, die längst von der Wissenschaft überholte kirchliche Sexualmoral und die Rolle der Frauen in der Kirche.
Papst Franz Franziskus: Klares Nein zum Synodalen Weg
Trotz Corona gab es seit Anfang 2020 vier Vollversammlungen des Synodalen Weges. Ende nächster Woche, vom 9. bis 11. März, steht in Frankfurt am Main die abschließende fünfte Runde an. Einiges an konkreten Zielen wurde beschlossen, so ein neuer Umgang mit sexuellen Minderheiten in der Kirche, weg von der Ausgrenzung. Anderes - etwa die Frage des Weiheamts für Frauen - ist völlig in der Schwebe. Doch mit der Einstimmigkeit von einst und der Verbindlichkeit des Anfangs ist es längst vorbei. Einige Bischöfe fürchten ein Zuviel an Reformen und agieren dagegen. Die Zentrale in Rom, Papst Franziskus und die Kirchenspitze, schauen kritisch auf das, was da in Deutschland passiert, auf diesen "Synodalen Weg". Und sie haben schon im Januar klar gemacht, dass sie Nein sagen würden zu einem neuen sogenannten "Synodalen Rat", den die Kirche in Deutschland für die Zukunft als dauerhaftes Beratungs- und Entscheidungsgremium anstrebt.
Bischofskonferenz gleicht einer Aufführung
Da wirkte der Auftakt der Vollversammlung in Dresden fast wie ein Theaterstück. Da trat der Konferenz-Vorsitzende, Bischof Georg Bätzing, auf die Bühne und pochte auf Reformen: "Wir müssen Zeichen setzen, dass wir uns verändern. Sonst glauben uns die Menschen nicht mehr und laufen reihenweise weg." Und dann erläuterte er, dass die Bischöfe weiter an einem Synodalen Rat arbeiteten, aber gewiss in einer Form, die den römischen Vorgaben entspreche.
Bätzing sprach es - und begrüßte einige Minuten später, noch in Gegenwart der Medienvertreter, den Botschafter des Papstes in Deutschland, Nuntius Nikola Eterovic. Der 72-Jährige saß auf dem Podium, gleich zwischen Bätzing und Kardinal Marx.
Doch kaum waren die Journalistinnen und Journalisten draußen und die Türen verschlossen, verbreitete die Pressestelle der Bischofskonferenz den Text der Ansprache von Eterovic. Sie ist ausgesprochen deutlich. Der Nuntius weist auch Reformanliegen zurück und kommt dann zur Frage des "Synodalen Rates".
Er sei "von Amts wegen" beauftragt, klarzustellen, dass "nicht einmal ein Diözesanbischof einen synodalen Rat auf diözesaner oder pfarrlicher Ebene erleben kann". Will heißen: kein Synodaler Rat nirgends. Und wie bei Papstbotschaftern üblich, würzte Eterovic seine Rede mit der Warnung vor einer Irreführung durch "vieldeutige und fremde Lehren".
Eine Stunde später predigt Bischof Bätzing im Dom und schwärmt ein wenig von Synodalität, diesem Prinzip des Dialogs. Katholizität sei kein Standbild, sagt er, sondern eine gemeinsame Suchbewegung. "Das ist freilich kein Spaziergang." Und: "Wir müssen sprechen, uns auseinandersetzen." Diesmal ist der Nuntius wieder nur Zuhörer.
Kontroversen innerhalb der Bischofskonferenz
Fern von Dresden verfolgt im Ruhrgebiet Thomas Söding die Übertragungen und Berichte zum Bischofstreffen. Er ist katholischer Theologe und ZdK-Vizepräsident, federführend beim "Synodalen Weg". Er sagt der DW, Rom entwerfe ein Bild des "Synodalen Rates, als ob dieser Rat die Bischöfe entmachten würde. Dagegen läuft man Sturm". Dagegen gehe es aber um ein Modell der "partnerschaftlichen Leitung".
Aber Söding sieht hinter dem Konflikt mit Rom auch Kontroversen innerhalb der Bischofskonferenz, da doch fünf der 27 Ortsbischöfe in Rom auf Klarstellung gedrängt hätten, und spricht von "sehr deutlichen Spannungen". Da stehe eine kleine Minderheit, die Reformen ablehnten, gegen eine große Mehrheit. "Diese Spannungen gibt es eigentlich schon länger. Aber jetzt wird es öffentlich", sagt er.
Rund um die Vollversammlung der Bischöfe, die traditionell hinter verschlossenen Türen tagen und zum Abschluss am Donnerstag ihre Beratungsergebnisse vorlegen, gab es doch Wortmeldungen einiger Bischöfe in Zeitungen. Der reformorientierte Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer etwa warnte vor zu hohen Erwartungen an den "Synodalen Weg" in Frankfurt und bemängelte Ungeduld. Andere, wie der Münsteraner Bischof Felix Genn, bekräftigten ausdrücklich die Bedeutung des "Synodalen Weges".
Die Spannung wächst, ob der erhobene Zeigefinger des Nuntius Bischöfe bei ihrem Abstimmungsverhalten beim "Synodalen Weg" in Frankfurt beeinflussen wird. Denn dort gilt etwas nur als beschlossen, wenn neben der Mehrheit der Synodalen auch eine Zweidrittel-Mehrheit der Bischöfe zugestimmt hat. So bleiben viele der seit Jahren beworbenen Reformschritte, auch die Forderung nach einer künftigen Beteiligung von Frauen am Weiheamt, vorerst noch offen und unsicher.
Basis wirbt für Frauen als Priesterinnen
Und die Erwartungen der Basis? Einige Jugendliche aus Chemnitz sind eigens nach Dresden gekommen, um ihrem Ortsbischof Unterschriften zu übergeben. Unter dem Titel "Liebeserklärung an eine Kirche für Alle" wollen sie, dass die Kirche Frauen zum Priesteramt zulässt und homosexuelle Paare traut. Die Jugendlichen sammelten gut 1700 Unterschriften. Das ist keine große Zahl, aber für eine Kampagne in Chemnitz gewiss nicht wenig.
Der Bischof des Bistums von Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, trifft die Akteure, dankt für ihr großes Engagement und sagt spontan: "Weitermachen, und dann kommt es auf den Weg. Wir wissen alle, es wird nicht morgen sein, was Ihr wünscht, und wie es sein wird, das wissen wir auch nicht."
Beate Gilles ist mit Timmerevers gekommen, seit zwei Jahren ist sie die Generalsekretärin der Bischofskonferenz. Die erste Frau in diesem Amt, die einzige Frau bei den Beratungen der 60 Bischöfe. Sie freue sich, dass sich die Jugendlichen mit diesen theologischen Fragen auseinandersetzten. "Es ist einfach gut, wenn es auf diese Weise am Brodeln bleibt."
Und dann erinnert sich die 52-Jährige, wie es ihr mit 14 Jahren vor der Firmung ergangen sei. "Da musste ich noch diskutieren, ob Mädchen Messdienerinnen werden dürfen." Damals habe man als Argument dagegen schon darauf verwiesen, dass es um das Priestertum gehe. "Es gibt Dinge", sagt Gilles, "wo es sich durchaus weiterentwickelt."