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BKA-Gesetz: Wie entscheidet Karlsruhe?

Marcel Fürstenau, Berlin20. April 2016

Sicherheitsbehörden halten die Überwachung von Wohnräumen und Telekommunikation im Anti-Terror-Kampf für unentbehrlich. Bürgerrechtler sehen das anders. Das letzte Wort haben nun die Verfassungsrichter.

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Zwei Videokameras auf einer Computer-Tatstatur nehmen eine Person von allen Seiten in den Blick und symboliiseren so die Totalüberwachung.
Bild: Fotolia/kebox

Kurz vor Heiligabend 2008 erhielt die zentrale deutsche Polizeibehörde ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk. Die Politik machte den Weg frei für das "Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt". Nach langen, zähen Verhandlungen hatten sich die regierenden Konservativen und Sozialdemokraten auf das BKA-Gesetz verständigt. Am 19. Dezember 2008 wurde die letzte legislative Hürde genommen: Mit 35 zu 34 Stimmen gab nach dem Bundestag auch die Länderkammer (Bundesrat) ihren Segen - gegen den Willen der Freien Demokraten, Grünen und Linken.

An diesem Mittwoch entscheidet sich vor dem Bundesverfassungsgericht das Schicksal dieses von Anfang an höchst umstrittenen Gesetzes. Unter den Klägern sind ehemalige und aktive Politiker. Darunter der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) und die amtierende Vorsitzende des Rechtsausschusses im Deutschen Bundestag, Renate Künast (Grüne). Sie kritisieren einen Paradigmenwechsel in der deutschen Sicherheitspolitik. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes kann das BKA vorbeugend ermitteln. Mit Methoden, die lange Zeit nur Geheimdiensten wie dem Verfassungsschutz vorbehalten waren.

Journalisten sind Berufsgeheimnisträger zweiter Klasse

Kritiker halten insbesondere die Möglichkeit zur Überwachung der Telekommunikation von sogenannten Berufsgeheimnisträgern für verfassungswidrig. Zu dieser Gruppe zählen unter anderem Anwälte, Ärzte und Journalisten. Für sie gilt lediglich ein eingeschränkter Schutz, während politische Abgeordnete, Geistliche und Juristen in ihrer Eigenschaft als Strafverteidiger für Lauschaktionen tabu sind.

Symbolbild Online-Überwachung
Auch die Angst vor maßloser Überwachung ist gestiegenBild: picture-alliance / dpa

In einer parlamentarischen Anhörung warnten seinerzeit nicht nur Staatsrechtler vor einer Aufweichung des Trennungsgebots zwischen Polizei und Nachrichtendienst. Sogar der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Hansjörg Geiger, äußerte gravierende Bedenken: In seiner Privatwohnung müsse der Einzelne frei von der Befürchtung sein, "dass staatliche Stellen sein Verhalten überwachen". Das BKA hingegen verwies in Person seines damaligen Präsidenten Jörg Ziercke auf die stetig wachsende Gefahr terroristischer Attentate. Etwa 50 Deutsche würden sich im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet zu potenziellen Attentätern ausbilden lassen. Zudem stünden etwa 100 sogenannte Gefährder unter Beobachtung des BKA und der Landeskriminalämter.

Als das BKA-Gesetz beschlossen wurde, kannte niemand den IS

Seitdem sind fast acht Jahre vergangen, und Zierckes Nachfolger Holger Münch verweist unablässig auf jene, die auf Seiten des selbsternannten Islamischen Staats (IS) in Syrien und im Irak kämpfen. Die Zahl der Kriegs- und Konfliktgebiete hat sich ebenso erhöht, wie die Zahl der nach Deutschland zurückkehrenden Gefährder nach Angaben der Sicherheitsbehörden stetig zunimmt. Das BKA-Gesetz, so könnte es scheinen, kam gerade zur rechten Zeit. Seine Befürworter können außerdem darauf verweisen, ohne Genehmigung eines Richters sei die Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) etwa von Skype-Gesprächen unzulässig. Von absoluten Ausnahmefällen abgesehen - "wenn Gefahr in Verzug ist", sagte Ziercke 2008.

Aus Sicht des Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU) haben sich die erweiterten Befugnisse für das Bundeskriminalamt bewährt. Es habe rund 1500 "gefährdungsrelevante Hinweise" gegeben, aber nur 15 Ermittlungsverfahren auf Grundlage des BKA-Gesetzes. Dies zeige, dass mit den Ermächtigungen "sorgsam" umgegangen werde, sagte de Maizière im Juli 2015 in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht. Das hat in den zurückliegenden neun Monaten geprüft, ob beim BKA-Gesetz die Verhältnismäßigkeit gewahrt wurde.

Kritiker sprechen von einem deutschen FBI

Dabei geht es nicht nur um die Anzahl der Überwachungsmaßnahmen, sondern auch um die Qualität der Maßnahmen. Denn das BKA darf auch eigene verdeckte Ermittler einsetzen und Vertrauensleute aus dem Umfeld Verdächtiger anheuern, sogenannte V-Leute. Staatsrechtler Möllers lehnte die zusätzlichen Kompetenzen schon 2008 mit dem Hinweis auf das US-amerikanische BKA-Pendant FBI ab. Die zentrale amerikanische Sicherheits-Architektur sei eine, die im Vergleich mit der föderalen deutschen "nicht besonders funktioniert".

Gegner des BKA-Gesetzes warnten auch davor, die mögliche Weitergabe von BKA-Erkenntnissen an ausländische Geheimdienste könnte zur Verschleppung deutscher Terror-Verdächtiger führen. Die Sorge hatte einen realen Hintergrund, denn im Anti-Terror-Kampf hat es nach den Attentaten vom 11. September 2001 in den USA tatsächlich solche Fälle gegeben. Murat Kurnaz und Khaled el-Masri wurden Opfer widerrechtlicher Entführungen durch den US-Geheimdienst CIA.

Die Angst vor Attentaten ist gewachsen, aber auch die vor Überwachung

Mit dem Schicksal der beiden befassten sich auch Untersuchungsausschüsse des Bundestages. Dabei ging es nicht zuletzt um die Rolle deutscher Nachrichtendienste. El-Masri will während seiner Verschleppung auch von Mitarbeitern des BND und des BKA verhört worden sein. Medienberichten zufolge soll er aber auch Kontakte zur islamistischen Szene in Neu-Ulm gehabt haben. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Aussagen aller Beteiligten belegen diese Beispiele, wie aus Verdächtigten Verfolgte werden können.

Das Bundesverfassungsgericht wird nun abwägen müssen, wie die Sicherheitsbedürfnisse des Staates am besten mit Bürgerrechten ausbalanciert werden können. Keine leichte Entscheidung angesichts der Attentate in Paris und Brüssel. Die Angst vor tödlichen Anschlägen auch in Deutschland ist seit Einführung des BKA-Gesetzes also spürbar größer geworden. Aber auch die Angst vor maßloser Überwachung. Dafür stehen die Enthüllungen Edward Snowdens über die Ausspähung der globalen Telekommunikation durch den US-Dienst NSA und den BND.