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BKA warnt vor fremdenfeindlicher Gewalt

22. Oktober 2015

Brandstiftung, Stahlkugeln, Knüppel - das Bundeskriminalamt rechnet mit einer Zunahme von rechten Angriffen auf Flüchtlinge und Politiker. Eine interne Analyse verrät zudem, wer hinter den Anschlägen auf Heime steckt.

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Demonstration der Partei "Die Rechte", die vom Verfassungsschutz in Zusammenhang mit Anschlägen gebracht wird (Foto: Imago)
Demonstration der Partei "Die Rechte", die vom Verfassungsschutz in Zusammenhang mit Anschlägen gebracht wirdBild: Imago/J. Tack

Flüchtlinge und ihre Helfer könnten nach einer Warnung des Bundeskriminalamts (BKA) zunehmend in das Visier fremdenfeindlicher Gewalttäter geraten. Das ergebe sich aus einer vertraulichen Lagebewertung, die wenige Tage vor dem Anschlag auf die inzwischen gewählte Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker entstanden sei, berichten die "Süddeutsche Zeitung" und die beiden Regionalsender NDR und WDR. Das Papier warnt, dass auch Betreiber von Unterkünften und Politiker ins "Zielspektrum entsprechend fremdenfeindlich motivierter Täterkreise" geraten könnten. Auch Personen, die vom Äußeren her für Asylbewerber gehalten würden, könnten verstärkt Opfer werden.

Es sei davon auszugehen, dass die rechte Szene ihre "Agitation" gegen die Asylpolitik weiter verschärfe, schreibt das BKA. Das ansonsten "sehr heterogene rechtsextremistische Spektrum" finde hier einen "ideologischen Konsens". Neben Brandstiftung griffen die Täter zu Waffen wie Zwillen mit Stahlkugeln und Holzknüppeln sowie Buttersäure. Das BKA befürchte auch neue Formen, etwa die Blockade von Bahnstrecken und Autobahnen, um die Ankunft weiterer Flüchtlinge zu verhindern, heißt es weiter.

BKA-Präsident Jörg Ziercke und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (Foto: Reuters)
BKA-Präsident Jörg Ziercke und Bundesinnenminister Thomas de MaizièreBild: Reuters

Die Mehrzahl der Angriffe richtete sich demnach vor allem gegen bereits bewohnte oder im Bau befindliche Sammelunterkünfte. Sie würden weiter stark ansteigen. In den ersten drei Quartalen dieses Jahres waren es 461 Taten, bei denen die Behörde einen rechten Hintergrund annimmt. Damit habe sich die Zahl der Delikte gegenüber dem gesamten Vorjahr mehr als verdoppelt. Die meisten Angriffe seien im August 2015 verzeichnet worden. Nordrhein-Westfalen führe mit 121 Delikten die Statistik an, gefolgt von Sachsen mit 57 Straftaten.

Am Montag hatte Bundesinnenminster Thomas de Maizière aktuellere Zahlen genannt: Demzufolge wurden bis zum 12. Oktober rund 520 Straftaten gegen Asylbewerbereinrichtungen registriert. Allein in diesem Monat seien 43 Verletzte gezählt worden.

14 Serientäter ermittelt

Von den ermittelten Tatverdächtigen seien 228 namentlich bekannt, 14 von ihnen begingen demnach zwei oder drei solcher Straftaten. 167 stammten aus der Nachbarschaft. Weitere 38 lebten nur rund 20 Kilometer vom Tatort entfernt. Die Täter seien zumeist zwischen 20 und 25 Jahren alt und stünden nur selten unter Alkoholeinfluss. Über die Hälfte sei "polizeilich bekannt", ein Drittel der Tatverdächtigen sei bereits dem Staatsschutz aufgefallen - etwa wegen Volksverhetzung. 34 Prozent der Tatverdächtigen ließen sich dem Bericht zufolge einer rechtsextremistischen Szene zuordnen.

Nicht alle Unterkünfte, auf die Anschläge verübt wurden, waren - wie diese Mitte Oktober in Flensburg - noch unbewohnt (Foto: dpa)
Nicht alle Unterkünfte, auf die Anschläge verübt wurden, waren - wie diese Mitte Oktober in Flensburg - noch unbewohntBild: picture-alliance/dpa/K. Sörensen

Unterdessen warnte Bundesinnenminister de Maizière vor einer "gefährlichen Radikalisierung" von Teilen der Gesellschaft. "Es gibt Hass und Hetze bei den Pegida-Organisatoren. Darunter sind gefährliche Rechtsextremisten", sagte de Maizière der "Passauer Neuen Presse". "Dem müssen wir entschlossen entgegentreten, denn hier werden nicht nur in der Sprache und im Inhalt Grenzen überschritten."

De Maizière machte rechtsextremen "Hass und Hetze" auch für die Zunahme von Gewalt gegen Flüchtlinge und Politiker, die sich für Asylbewerber einsetzen, verantwortlich. Die Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte bezeichnete er als "beschämend und eine Schande für unser Land". Es handele sich oft um Einzeltäter. "Noch kann nicht von einem Rechtsterrorismus gesprochen werden", sagte de Maizière. "Eine solche Gefahr besteht allerdings und wir haben das im Blick."

"Die Hemmschwelle sinkt"

Der deutsche Inlandsgeheimdienst hatte bereits im September vor der Gefahr eines neuen Rechtsterrorismus gewarnt. "Wir können nicht ausschließen, dass sich im derzeitigen Klima Gruppen bilden, die dazu bereit sind, rechtsextremistische Anschläge zu verüben", sagte der Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen der Zeitschrift "Stern". Die steigende Zahl von Angriffen auf Asylbewerberheime zeige sehr deutlich, "dass die Hemmschwelle, Gewalt anzuwenden, weiter sinkt".

Die Verantwortung dafür sieht Maaßen vor allem bei rechtsextremen Parteien wie der NPD oder "Die Rechte". "Durch ihre Hetze tragen sie eine Mitschuld daran, wenn einige zur Gewalt schreiten", sagte Maaßen. Es gebe "einen Zusammenhang zwischen der Zahl von Angriffen auf Asylbewerberheime und dem Organisationsgrad der NPD".

stu/se (afp, dpa, epd, rtr)