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Frankreich adieu

Michael Knigge / ar25. Juli 2012

Im Gegensatz zu George W. Bush, der wegen seiner geringen internationalen Erfahrung viel kritisiert wurde, hat Mitt Romney zweieinhalb Jahre im Ausland verbracht. Warum spricht er dann im Wahlkampf so wenig darüber?

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Mitt Romney, Präsidentschaftskandidat der Republikaner beim WahlkampfU.S. Republican presidential candidate and former Massachusetts governor, addresses a crowd of supporters during a rally at Lansing Community College in Lansing, Michigan May 8, 2012. REUTERS/Rebecca Cook (UNITED STATES - Tags: POLITICS) //Eingestellt von wa
Bild: Reuters

Für einen amerikanischen Studenten mit geringen Französischkenntnissen muss es schon eine bewusstseinserweiternde Erfahrung gewesen sein, Ende der 1960er Jahre in Südfrankreich von Tür zu Tür zu ziehen und das Gespräch über den mormonischen Glauben zu suchen.

Der Vietnamkrieg war auf seinem Höhepunkt und Mitt Romney und andere junge mormonische Missionare aus den USA, die auf die andere Seite des Atlantiks geschickt worden waren, um die Menschen zu bekehren, bekamen häufig nicht die geringste Chance, mit den vorwiegend katholischen Franzosen über ihren Glauben zu sprechen.

"Viele Menschen waren dem US-amerikanischen Engagement [im Vietnamkrieg, Anm. d. Red.] gegenüber sehr kritisch eingestellt, und das haben sie auch unmissverständlich klar gemacht", sagt Michael Bush, der Mitt Romney während des gemeinsamen 30-monatigen Aufenthalts als Missionare in Frankreich kennengelernt hat.  

Gemischte Reaktionen

Bush erinnert sich, dass sie, wenn sie von Haus zu Haus zogen und die Leute herausfanden, dass sie Amerikaner waren, häufig als Erstes aufgefordert wurden, aus Vietnam abzuziehen.

Nicht alle Reaktionen waren ablehnend. Die jungen Missionare trafen auch viele Menschen, die sich gerne an die Unterstützung der US-Amerikaner gegen die Nazis erinnerten, sagt Bush, der mittlerweile an der Universität Brigham Young im Bundesstaat Utah lehrt und außerdem einen pro-Romney Blog verfasst.

US Kampfhubschrauber im Vietnamkrieg
Die Missionare mussten sich unangenehme Fragen zum Vietnamkrieg gefallen lassenBild: AP

"Das war in vielerlei Hinsicht eine sehr positive Erfahrung, wenn Menschen, die erfreut waren, dass wir Amerikaner waren, uns sehr freundlich in ihr Haus eingeladen haben."

Dennoch waren die Jahre als Missionar für Romney eine sehr herausfordernde Zeit, weil es - wie er der New York Times im Jahr 2007 erzählte - die einzige Zeit in seinem Leben gewesen sei, in der "das meiste von dem, was ich versuchte zu tun, abgelehnt wurde."

Stärkerer Glaube, veränderte Weltanschauung?

Die Zeit als Missionar, sagte Romney, sorgt dafür, dass man seinen Glauben entweder verliert oder dass er noch stärker wird. "Mein Glaube wurde stärker."

Romney erklärte der New York Times, dass durch die Zeit im Ausland in ihm "eine große Wertschätzung für Freiheit und freie Marktwirtschaft" entstanden sei, und dass ihm klar geworden sei, "dass es diese Dinge nicht überall gibt, und dass das, was wir in den USA haben, in Wahrheit ziemlich einzigartig und deshalb auch sehr zerbrechlich ist."

Prägende Jahre

Öffentlich mag Romney wenig über seine Zeit in Frankreich gesprochen haben, privat sah das aber wohl anders aus. Zumindest erzählte sein ältester Sohn Tagg der New York Times in demselben Artikel aus dem Jahr 2007, dass die Zeit in Frankreich seinen Vater mehr als jede andere Phase seines Lebens "zu dem gemacht hat, der er heute ist."

Newt Gingrich und Mitt Romney
Gingrich attackierte Romney wegen seiner französischen SprachkenntnisseBild: reuters

Warum also erzählt Romney der Öffentlichkeit so wenig über diese prägende Erfahrung?

Zum einen, weil bestimmte konservative Amerikaner das Wort "Frankreich" als Schimpfwort betrachten. Für sie steht Frankreich für Elitedenken, Sozialismus, Unzuverlässigkeit und eine ganze Menge anderer Dinge, die für diese Amerikaner genau das sind, was in Europa schief läuft.

Im Laufe der Jahre und insbesondere während der Vorwahlen der Republikaner wurde Romney für seine Verbindung zu Frankreich scharf kritisiert - sogar dafür, dass er die französische Sprache beherrscht.

Anfang des Jahres verglich ein Wahlwerbe-Spot aus dem Wahlkampf seines Konkurrenten Newt Gingrich Mitt Romney mit John Kerry, dem weltoffenen Senator der Demokraten aus dem Staat Massachusetts. Titel des Spots:  "Die französische Connection"

Französischkenntnisse als Wahlkampfthema

Der Höhepunkt des Spots zeigte Kerry und Romney jeweils, wie sie einen Satz auf Französisch sagten. Dazu sagte die Offstimme: "Genau wie John Kerry spricht auch Mitt Romney französisch."

Angesichts solcher Spots ist es wohl verständlich, dass Romney, der bei den besonders konservativen Tea Party-Anhängern innerhalb seiner Partei immer noch einen schweren Stand hat, eine geringe Lust verspürt, über seinen Aufenthalt in Frankreich zu plaudern.

Ein weiterer Grund besteht weniger in Frankreich als Land, als in Romneys Glauben, sagt Vincent Michelot, Politikwissenschaftler an der Universität Sciences Po in Lyon:

"Es geht nicht so sehr um Frankreich, als um den Mormonismus. Mitt Romney hat während der gesamten Kampagne in den Vorwahlen seinen Glauben heruntergespielt. Sobald in einer Unterhaltung oder einem Interview das Wort 'Frankreich' fällt, erinnert das die Menschen wieder daran, dass er als Missionar der Mormonen unterwegs war."

Ein politischer Doppel-Flop

Für Teile der Republikanischen Wählerschaft ist Romneys Glaube immer noch ein Problem - insbesondere für die Evangelikalen, die das Mormonentum für eine Sekte halten, die nicht zum Christentum gehört.

"Falls er zögert, über diese Erfahrung zu sprechen, liegt es möglicherweise daran, dass er möchte, dass im Zentrum der Aufmerksamkeit statt irgendwelcher Randaspekte weiterhin die Herausforderungen bleiben, vor denen die Vereinigten Staaten stehen", meint Romneys Missionarskollege Michael Bush.

Die politische Gleichung ist ganz einfach: Frankreich in Verbindung mit dem Mormonentum ist ein Art politischer Doppel-Flop für viele Republikaner. Dies zu einem Wahlkampfthema zu machen, könnte Romney möglicherweise einiges an Unterstützung kosten.

Parallele zu Clinton

Interessanterweise ist es genau 20 Jahre her, dass ein anderer Präsidentschaftskandidat genauso rücksichtslos auseinandergenommen wurde. Ungefähr zur gleichen Zeit zu der Romney als Missionar in Frankreich war, studierte Bill Clinton an der Universität von Oxford.

Dafür bekam er vom damaligen Präsidenten George Bush, der selbst auf eine Elite-Uni gegangen war und zur High Society der USA gehört, das Prädikat ‘Oxford man'. Aus dem Ausdruck sprach Verachtung für einen, der seine Zeit lieber mit weltoffenen Briten verbrachte, als mit seinen eigenen Landsleuten in Vietnam in den Krieg zu ziehen.

Frankreich wird ausgelassen

Als Präsidentschaftskandidat der Republikaner, der auch von George Bush Senior offiziell unterstützt wird, muss Mitt Romney nicht damit rechnen, dass seine Zeit in Frankreich und die damit einhergehende Abwesenheit in Vietnam genauso kritisch durchleuchtet wird wie bei dem Präsidentschaftskandidaten Clinton vor 20 Jahren.

Der Elysee Palast in Paris
Paris steht nicht auf dem Reiseplan Mitt RomneysBild: picture-alliance/dpa

Dennoch sehen die Wahlkampfstrategen um Mitt Romney wohl keine Vorteile darin, die Frankreich-Erfahrung ihres Kandidaten besonders zu betonen und die offizielle Biografie auf der Webseite der Romney-Kampagne erwähnt die zweieinhalb Jahre in Frankreich mit keinem Wort.

Und ein Blick auf den vorläufigen Verlauf seiner in Kürze anstehenden Auslandsreise verrät, dass Romney Großbritannien, Israel und Polen besuchen wird. Ein Stopp in Frankreich hingegen steht nicht auf dem Programm.