Ein Zukunftsauto zum 100. Geburtstag
8. März 2016BMW sieht die Zukunft golden. Bei der Feier zum 100. Jahrestag der Unternehmensgründung zeigte Vorstandschef Harald Krüger den 2000 Gästen am Montag in München ein futuristisches, bronze- bis goldfarbenes Fahrzeug - den "BMW Vision Next 100". Es werde autonom fahren und könnte in den nächsten 20 oder 30 Jahren auf den Markt kommen.
Den Blick so weit nach vorn zu richten, sei "so reizvoll wie schwierig", sagte BMW-Chefdesigner Adrian van Hooydonk. Vor 30 Jahren war Internet ein Fremdwort, Handys waren Autotelefone von Ministern und Managern. In ganz China waren gerade einmal 10.000 Autos zugelassen, der Außenhandel der Volksrepublik war halb so groß wie derjenige Belgiens. Aber "wenn man sich etwas vorstellen kann, ist der erste Schritt schon gemacht", meinte Hooydonk.
Digitaler Chauffeur
Das Auto der Zukunft werde zum "digitalen Chauffeur", ergänzte Krüger. Der Fahrer kann ihm das Steuer überlassen - muss es aber nicht. "Wir wollen jeden Fahrer zu einem besseren Fahrer machen", sagte Hooydonk. Die Technik zeigt ihm die Ideallinie und die optimale Geschwindigkeit. Auf der Windschutzscheibe erscheint ein digitales Abbild der Umgebung, das auch im Nebel die Straße zeigt und vor Hindernissen hinter der nächsten Kurve warnt. Auf dem Display erscheinen dagegen nur Informationen, die im Moment wichtig sind - alles andere wird ausgeblendet.
Im Stau, im Stop-and-go-Verkehr oder auf der Autobahn kann der Fahrer seine Zeit besser nutzen und das Steuer dem Computer übergeben. In Kalifornien akzeptiert der Gesetzgeber das bereits. Im "BMW Vision" klappt das Lenkrad ein, die Sitze von Fahrer und Mitfahrer drehen sich schräg zueinander. Der Fahrer kann entspannen oder arbeiten. Die Windschutzscheibe wird komplett zum Display, zeigt zum Beispiel ein Videobild des Menschen, mit dem der Fahrer jetzt telefoniert. "So stelle ich mir meine Zukunft auch vor", sagte Hooydonk.
Fabrik für Flugzeugmotoren
Das Unternehmen war am 7. März 1916 in München zunächst als Fabrik für Flugzeugmotoren gegründet worden. 1923 baute BMW sein erstes Motorrad, 1928 sein erstes Auto. Nach dem Ersten und nach dem Zweiten Weltkrieg stand BMW jeweils vor dem Aus, 1959 drohte die Pleite, Ende der 1990er Jahre folgte das Milliardendebakel mit Rover. Heute ist BMW Marktführer bei Oberklasseautos. Seine Strategie für die nächsten zehn Jahre will Krüger nächste Woche präsentieren.
Das weiß-blaue Logo auf jedem BMW erinnert noch heute an die Anfänge. Vor 100 Jahren, am 7. März 1916, wurden die Bayerischen Flugzeugwerke gegründet. Später benannte man sie in Bayerische Motorenwerke um - mit dem Propeller als Firmensymbol. Heute ist BMW mit 116.000 Mitarbeitern und über 80 Milliarden Euro Umsatz einer der größten deutschen Konzerne. Mitte März will Vorstandschef Harald Krüger mit der Bilanz die neue Strategie vorstellen und erklären, wohin die Reise in den nächsten zehn Jahren geht.
Bänderstillstand zur Feier des Tages
In den weltweit 30 BMW-Werken standen am Montag zur Feier des 100. Geburtstages die Bänder um 14.00 Uhr still, damit sich die Beschäftigten die Übertragung anschauen können - von Shenyang in China bis Spartanburg in den USA, wo inzwischen die größte BMW-Fabrik steht. Dabei kommt Spartanburg mit der Arbeit im Moment kaum nach, denn dort baut BMW den Großteil der derzeit besonders gefragten SUVs.
In der Oberklasse ist das Unternehmen seit 2005 die Nummer eins - aber das scheint sich gerade zu ändern. Mercedes ist auf dem besten Weg, seinen alten Platz an der Spitze zurück zu erobern.
Bewegte Historie
Als BMW 1928 in Eisenach sein erstes Automobil fertigte - einen mit Lizenz des englischen Herstellers Austin gebauten Kleinwagen namens Dixi -, da standen die Limousinen und Sportwagen von Daimler-Benz schon für automobilen Luxus. Angefangen hatte BMW als Rüstungsfirma. Im Ersten wie im Zweiten Weltkrieg baute das Unternehmen vor allem Motoren für Militärflugzeuge.
Im Zweiten Weltkrieg wurden etwa 25 000 Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge beschäftigt, wie BMW-Historiker Manfred Grunert sagt. Inzwischen hat sich der Konzern diesem Teil seiner Geschichte gestellt und auch Entschädigungen gezahlt.
Start der Mittelklasse
Nach dem Krieg nahm BMW die Fertigung von Autos und Motorrädern wieder auf, brachte 1952 den teuren BMW 501 "Barockengel" auf den Markt und kurz darauf die winzige BMW Isetta. Aber Geld verdiente man damit nicht - es fehlte ein Mittelklasse-Modell. 1959 stand das Münchner Unternehmen vor der Pleite und der Übernahme durch Daimler. Doch dann stieg der Industrielle Herbert Quandt als Sanierer ein. Mit dem Mittelklasse-BMW 1500 und der Übernahme der Glas-Autowerke im niederbayerischen Dingolfing 1967 begann eine Erfolgsgeschichte. Eberhard von Kuenheim, BMW-Vorstandschef von 1970 bis 1993, erweiterte die Modellpallette und baute weltweit neue Werke.
Um im Wettbewerb mit Rivalen wie Daimler oder Volkswagen mithalten und auf größere Stückzahlen kommen zu können, übernahm BMW 1994 den britischen Autobauer Rover. Die versuchte Erweiterung vom Premium- zum Massenhersteller wurde jedoch zum Fiasko. Nach Milliardenverlusten folgte sechs Jahre später der Rückzieher.
Abenteuer Rover
Nur die Marke Mini behielt BMW - und machte sie ebenfalls erfolgreich. Die bis 2020 ausgelegte Strategie "Number One", die der damalige BMW-Chef Norbert Reithofer 2007 verkündet hatte, ist bisher voll aufgegangen. Das Unternehmen hat mit Kooperationen und flexibler Produktion Kosten gesenkt, mit Kompaktwagen neue Kunden gewonnen, sich früh in China engagiert. Die Kasse ist voll.
Bei Elektroautos ist BMW mit dem i3 und seiner Karbon-Karosserie technisch Vorreiter. Großstädte wie Peking, Oslo oder London erschweren Autos mit Verbrennungsmotor die Zufahrt. Der Dieselantrieb steht wegen der VW-Abgas-Affäre unter Verdacht. Das könnte auch BMW treffen, weil jeder dritte BMW ein Diesel ist - aber bei den E-Modellen nutzen.
Digitalisierung als Herausforderung
Vor allem die Digitalisierung und die Entwicklung hin zum vernetzten und autonomen Fahren erfordern jetzt neue Antworten. "Nach dem technologischen Umbruch zur nachhaltigen Mobilität ist dies für uns der nächste fundamentale Wandel", sagte Konzernchef Krüger. Jetzt hat er die Strategie nachjustiert und an die neuen Trends angepasst. Der soeben zusammen mit Daimler und Audi für 2,8 Milliarden Euro gekaufte Kartendienst Here soll zur Plattform zum Datenaustausch zwischen Autos werden.
Aber Elektromobilität und autonomes Fahren erfordern erst einmal hohe Investitionen. Wegen der Abgasvorschriften der EU müssen zugleich Benzin- und Dieselmotoren effizienter werden. Und "die Modellpalette kommt in die Jahre", bemängelt Ute Haibach von der Bank J. Safra Sarasin. Nur 30 Prozent des Umsatzes, aber 80 Prozent des Gewinns stammten aus dem Verkauf der 5er, 6er und 7er-Serie. BMW habe "weniger Oberklasse-Autos und große SUVs" als Daimler. Die Münchner verdienten im Luxussegment weniger als Daimler, kritisiert auch Holger Schmidt von der Investmentbank Equinet.
Von den Erwartungen und Stimmungen der Börse ist BMW allerdings wenig abhängig, denn im Unterschied zu den Konkurrenten ist es im Kern ein Familienunternehmen. 47 Prozent der Anteile gehören der Familie Quandt. Dank ihnen kann BMW langfristig agieren, betont Haibach. Das US-Analysehaus Bernstein Research lobt, kein anderer europäischer Autokonzern habe in den vergangenen Jahren so beständig agiert.
ul/hb (dpa)