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BND bespitzelte Journalisten

11. November 2005

Wie weit darf ein Geheimdienst gehen, um sich zu sichern? Darüber ist Streit entbrannt, weil der deutsche Auslandsgeheimdienst BND Journalisten bespitzelt hat. Selbst die Regierung wurde darüber nicht informiert.

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Der deutsche Auslandsnachrichten-<br<>dienst gerät unter DruckBild: AP

Der Bundesnachrichtendienst hat 1993 und 1994 Journalisten bespitzelt, um undichte Stellen im eigenen Apparat aufzudecken. Entsprechende Medienberichte bestätigte BND-Chef August Hanning am Donnerstag (10.11.2005) grundsätzlich, ohne auf Einzelheiten einzugehen. Er kündigte eine umfassende Untersuchung an. "Ich nehme das außerordentlich ernst." Gleichzeitig verwies Hanning aber darauf, dass der BND das Recht und die Pflicht habe, seine eigene Funktionsfähigkeit sicherzustellen.

Der BND ist der Auslandsgeheimdienst der Bundesrepublik. Er darf nur im Inland ermitteln, wenn seine eigene Sicherheit bedroht ist.

Die "Süddeutsche Zeitung" hatte berichtet, dass der BND im Herbst 1994 den "Focus"-Redakteur und Wissenschaftler Erich Schmidt-Eenboom beschattet habe. "Das ist ein eklatanter Eingriff in die Pressefreiheit und es ist allerhöchste Zeit, dass die Politik und die Justiz in Deutschland dem Einhalt gebietet", sagte Schmidt-Eenboom jetzt. Auch weitere Journalisten seien ins Visier des Geheimdienstes geraten. Darüber gebe es eidesstattliche Versicherungen ehemaliger Beschatter.

August Hanning BND
August Hanning, Präsident des Bundesnachrichtendienstes BNDBild: AP

Nach Aussagen von Hanning wurden die Observationen 1993 nach der Veröffentlichung eines Buches von Schmidt-Eenboom über den BND eingeleitet. Der Autor selbst habe sich gerühmt, mit zehn Informanten beim Auslandsgeheimdienst gesprochen zu haben. Daraufhin seien Recherchen zur Eigensicherung aufgenommen worden. Zudem gab Hanning zu, dass "er nicht ausschließen könne, dass es solche Aktionen auch in den vergangenen vier oder fünf Jahren gegeben habe".

BND beruft sich auf Grauzone

Hanning betonte, dass sich nicht alle Angaben in den Medien mit der Aktenlage beim BND deckten. Er würde es bedauern, wenn gezielt Journalisten überwacht worden seien. Eine solche Maßnahme halte er weder für notwendig noch für statthaft. Grundsätzlich gelte: "Der BND beschattet nicht Journalisten, sondern er enttarnt ungetreue Mitarbeiter." Der BND-Chef verwies aber darauf, dass es bei der Eigensicherung eine Grauzone gebe. "Eine Grauzone insoweit als offenbar versucht worden ist, in Einzelfällen Mitarbeiter zu enttarnen, indem man sich in der Nähe von journalistischen Wohnungen oder wie auch immer aufgehalten hat. Das ist leider so."

Strafanzeige angekündigt

Kochbuch des Bundesnachrichtendienstes Top F Secret

Das Nachrichtenmagazin "Focus" will juristische Schritte einleiten. "Wir haben mittlerweile die eidesstattlichen Versicherungen der Leute gesehen, es ist ungeheuerlich", sagte "Focus"-Chefredakteur Helmut Markwort. "Die haben unseren Kollegen Josef Hufelschulte bis ins Familienleben hinein verfolgt. Offenbar dachten sie, der BND-Informant setzt sich bei Hufelschulte ins Wohnzimmer." Die Aktion habe damals mehrere 100.000 Mark an Steuergeldern gekostet. "Wir wollen Auskunft haben über die gespeicherten Daten. Wir überlegen eine Strafanzeige und wir möchten gern, dass es offiziell von einem Gericht festgestellt wird, dass dieses Vorgehen rechtswidrig ist."

"Das ist ein gezielter Angriff auf die Pressefreiheit", sagte der Sprecher des Deutschen Journalisten-Verbandes Hendrik Zörner. "Und das ausgerechnet in dem Land, das die Pressefreiheit als erstes Land der Geschichte in seine Verfassung aufgenommen hat." (kas)