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Politik

BND: Ex-Präsident für mehr Kontrolle

26. September 2016

Gerhard Schindler war bis Juni Chef des Auslandsgeheimdienstes. Im Innenausschuss des Bundestages lobt er nun die geplante BND-Reform. Andere Sachverständige halten den Gesetzentwurf jedoch für verfassungswidrig.

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Das Siegel des Bundesnachrichtendienst (BND)
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Edward Snowden hat den Stein ins Rollen gebracht. Der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter enthüllte im Sommer 2013 die globale Ausspähung der Telekommunikation durch die National Security Agency (NSA). Im Sog dieser Affäre wurde schnell klar, dass auch der Bundesnachrichtendienst (BND) gegen Recht und Gesetz verstoßen hat. Damit beschäftigt sich seit 2014 ein Untersuchungsausschuss des Bundestages. Und obwohl dieses Gremium noch bis ins nächste Jahr hinein seine Aufklärungsbemühungen fortsetzen wird, gibt es bereits eine Art Zwischenergebnis: Das BND-Gesetz soll reformiert werden - das ist eine Reaktion auf die Befragung zahlreicher Zeugen im Ausschuss.

Zum Gesetzgebungsverfahren gehörte auch die öffentliche Anhörung von Sachverständigen im Innenausschuss an diesem Montag in Berlin. Unter den sieben geladenen Experten: Gerhard Schindler, von 2012 bis Juni dieses Jahres BND-Präsident. Als Amtsinhaber musste er 2015 als Zeuge im Untersuchungsausschuss Fehler seiner Behörde einräumen. Dabei ging es insbesondere um Form und Inhalt der Datenübermittlung im Rahmen der Kooperation von NSA und BND.

Kritik der BND-Datenschützerin

Dass die Praxis des Auslandsgeheimdienstes auch intern umstritten war, wurde damals durch die Aussage der BND-Datenschutzbeauftragten deutlich. Die promovierte Volljuristin äußerte sich im Untersuchungsausschuss zur sogenannten Ausland-Ausland-Aufklärung. Damit ist die Überwachung der via Satellit geführten Telekommunikation außerhalb Deutschlands gemeint. Dafür betreibt der BND Stationen wie die in Bad Aibling. Aus Schindlers Sicht sind die Betroffenen derartiger Datenerfassung gewissermaßen vogelfrei. Die Datenschutzbeauftragte schätzte das völlig anders ein: Ob ein abgehörtes Telefonat in Deutschland stattgefunden hat oder in Afghanistan und wer die Gesprächspartner waren, dürfe keine Rolle für den korrekten Umgang mit den gewonnenen Daten spielen.

Gerhard Schindler, ehemaliger BND-Präsident (Foto: picture-alliance/dpa/J. Carstensen)
Wäre gerne BND-Präsident geblieben: Gerhard SchindlerBild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Die höchst unterschiedlichen Ansichten sind Folge des unscharf formulierten BND-Gesetzes, das nun präzisiert werden soll. Ein Ziel: Der deutsche Auslandsgeheimdienst soll künftig besser kontrolliert werden. Dessen ehemaliger Chef hält das für unverzichtbar. Denn seine früheren Kolleginnen und Kollegen wollten nicht Mitarbeiter einer Behörde sein, die angeblich ein "Staat im Staate" sei und Menschenrechte mit Füßen trete. Unter diesem Image leidet der BND aufgrund zahlreicher Affären schon lange. Schindler plädiert deshalb nicht nur für mehr Kontrolle, sondern auch für regelmäßige öffentliche Befragungen des BND-Präsidenten. Vorurteile und Misstrauen könnten nur durch mehr Transparenz abgebaut werden.

Schindler gegen Unabhängiges Kontrollorgan

Da sich seine Forderungen im Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD wiederfinden, ist Schindler im Kern mit den Reformplänen einverstanden. "Nicht überzeugend" findet er allerdings die Absicht, künftig ein mit Bundesrichtern besetztes sogenanntes Unabhängiges Gremium über beabsichtigte Abhörmaßnahmen entscheiden zu lassen. Für besser geeignet hält Schindler die nach dem Grundgesetz-Artikel 10 benannte G-10-Kommission. In der sitzen neben Juristen aktive und ehemalige Abgeordnete. Sie entscheiden bislang über beabsichtigte Eingriffe ins Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis.

Zudem verweist der in den vorzeitigen Ruhestand versetzte frühere BND-Präsident auf das ebenfalls schon lange bestehende Parlamentarische Kontrollgremium für die Geheimdienste (PKGr). Eine weitere Instanz hält Schindler deshalb, wie die meisten anderen Sachverständigen, für überflüssig. Lediglich der ehemalige Bundesrichter Kurt Graulich befürwortet die Schaffung eines weiteren Kontrollorgans. Denn die Zuständigkeit der G-10-Kommission sei "streng begrenzt" und das PKGr könne wegen des Prinzips der Gewaltenteilung "auf keinen Fall" über Abhörmaßnahmen entscheiden. In der Tat ist die G-10-Kommission nur dann gefragt, wenn es um das gezielte Belauschen Verdächtiger geht. Und die Abgeordneten des PKGr haben keine exekutiven Befugnisse.

Experten: Reform verfassungswidrig

Obwohl diese Aspekte in der geplanten BND-Reform berücksichtigt zu sein scheinen, hält die Mehrheit der Sachverständigen den Gesetzentwurf für absehbar verfassungswidrig. Rechtswissenschaftler Matthias Bäcker vom Karlsruher Institut für Technologie kritisiert unter anderem die beabsichtigte anlasslose Speicherung von Daten. Die dürfte der BND im Rahmen der sogenannten strategischen Fernmeldeaufklärung sechs Monate lang sammeln - ohne jeden Verdacht. Damit würden die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtsurteils zur Vorratsdatenspeicherung "weit unterschritten", mahnt Bäcker.

Bundesnachrichtendienst (BND) Radarkuppeln der der BND-Abhörstation Bad Aibling (Foto: picture-alliance/dpa/A. Warmuth)
Symbolträchtig: dunkle Wolken über der BND-Abhörstation Bad AiblingBild: picture-alliance/dpa/A. Warmuth

Sein Kollege Heinrich Amadeus Wolff von der Universität Bayreuth teilt diese Kritik. Als "Knüller" bezeichnet er das geplante Unabhängige Gremium. Die darin vorgesehenen Bundesrichter sollen nämlich von der Exekutive vorgeschlagen werden. "Die Bundesregierung sucht sich ihre Kontrolleure selber aus", sagt Wolff mit hörbar spöttischem Unterton. Sein Gesamturteil: Der Gesetzentwurf sei "handwerklich nicht wirklich gut". 

Ex-BND-Chef Schindler bewertet das geplante Gesamtpaket trotz mancher Bedenken positiv. So sei der im Gesetzentwurf vorgesehene regelmäßige Informationsaustausch zwischen dem BND und seinen Partnerdiensten "nachhaltig" zu begrüßen. Damit werde eine "wichtige Lücke im nachrichtendienstlichen Alltag geschlossen". Auch die Speicherung von Telekommunikationsdaten findet Schindler richtig. Allerdings seien sechs Monate zu kurz. Begründung: Längere Speicherzeiten wären bei der Aufklärung von Terroranschlägen und zur Vermeidung geplanter Attentate hilfreich. Zwei Jahre Speicherzeit hält Schindler für das Minimum.