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Neustart für Boeings 737 Max

Andreas Spaeth
18. November 2020

Das Flugverbot für Boeings 737 Max bestand über anderthalb Jahre. Jetzt hat die US-Aufsicht grünes Licht für den Neustart gegeben. Bereits zum Jahresende könnte das Passagierflugzeug wieder im Liniendienst stehen.

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Boeing 737 MAX 8
Bild: Getty Images/S. Brashear

Es ist war am längsten währende weltweite Flugverbot für ein Passagierflugzeug in der Geschichte der zivilen Luftfahrt und galt seit dem 13. März 2019 bis heute. Jetzt wurde es von der US-Flugaufsicht FAA aufgehoben. Für die Rückkehr der 737 Max muss Boeing diverse Auflagen erfüllen, beispielsweise eine neue Steuerungssoftware installieren.   

American Airlines hat bereits für den 29. Dezember wieder erste geplante Linienflüge mit dem Boeing-Flugzeug zwischen New York und Miami in ihr Reservierungssystem eingestellt. Nach zwei Abstürzen mit zusammen 346 Toten war Boeings Bestseller mit einem weltweiten Flugverbot belegt worden. Es hatte sich zuvor herausgestellt, dass Mängel und Fehlfunktionen im neuen Flugtrimmungssystem MCAS wesentliche Ursachen für die Katastrophen waren, aber auch die aus Kostengründen zuvor bewusst unterlassene Schulung der Piloten in der Handhabung von MCAS.

Überwachungs-Skandal der anderen Art

Gleichzeitig waren eklatante Missstände bei der behördlichen Überwachung des Herstellers Boeing zu Tage getreten, die FAA hatte wesentliche Aufsichts-Aufgaben zuvor an Boeing selbst delegiert. Die Erkenntnisse hatten sowohl Glaubwürdigkeit und Geschäft des weltgrößten Flugzeugherstellers Boeing nachhaltig geschädigt als auch ein weltweit seit Jahrzehnten eingespieltes System der Zulassungsverfahren für neue Flugzeuge in Frage gestellt. Vor allem die Rolle der FAA dabei, deren Anordnungen zuvor quasi automatisch alle anderen Zulassungsbehörden der Welt gefolgt waren.

Äthiopien Jahrestag Flugzeugabsturz Ethiopian Airlines Flug ET302
Blumen und brennende Kerzen an einer Gedenkwand für die Opfer des Ethiopien-Absturzes am 10. März 2019Bild: picture-alliance/AP/M. Ayene

Die europäische Flugsicherheitsagentur EASA mit Sitz in Köln hat bereits angekündigt, dass sie sich der Wiederzulassung der 737 Max durch die FAA zeitnah anschließen wird. Zuvor hatte sich die europäische Behörde zufrieden geäußert mit den Veränderungen an dem Flugzeugtyp, vor allem in der Software des MCAS-Trimmsystems. Damit steht auch einem erneuten Abheben Boeing-Sorgenkindes bei europäischen Airlines bald nichts mehr im Wege.

Gleichwohl verlangt die EASA zusätzlich die Entwicklung eines weiteren sogenannten synthetischen Sensors zur zweifelsfreien Erkennung der Fluglage durch die Bordsysteme. Deren Entwicklung allerdings soll bei bereits wieder laufendem Betrieb geschehen, da sie bis zu zwei Jahren dauern kann.

Airlines brauchen die neue Maschine

Dass der Flugbetrieb mit der 737 Max trotz geringer Passagierzahlen durch die Corona-Pandemie bald wieder läuft, ist sehr im Interesse zumindest eines europäischen Kunden. "Die Maschine ist der Schlüssel unserer Zukunfts-Strategie", sagt Ryanair-Chef Eddie Wilson. "Je eher die kommen, desto besser. Wir sind bereit dafür, denn mit der 737 Max können wir die Kosten weiter senken."

Boeing 737 Max
Fertig produzierte Boeing 737 Max, geparkt auf beim Hersteller in SeattleBild: Reuters/G. He

Der irische Billigflieger ist der größte europäische Abnehmer des Modells mit 135 Bestellungen, gehörte allerdings nicht zu den Kunden, die bereits vor dem Flugverbot insgesamt 385 Flugzeuge des Typs im Einsatz hatten. "Wir gehen davon aus, dass wir spätestens im nächsten Sommer die Max fliegen werden", sagte der Ryanair-Chef jetzt während einer Online-Veranstaltung.

Keine Eile beim Abholen

Allerdings besteht bei den meisten anderen Abnehmern, zu denen in Europa Norwegian Air Shuttle (110 Orders), Turkish Airlines (75) und die TUI-Gruppe (72) gehören, keine große Dringlichkeit bei der Abholung der mittlerweile 470 in Seattle und Umgebung abgestellten Flugzeuge. "Durch das Virus hat damit niemand Eile außer Boeing", sagt Sean Broderick, Experte für Flugsicherheit beim US-Branchenportal "Aviation Week". Denn Boeing wird erst bei Übergabe bezahlt, vorher kosten den Hersteller die stillstehenden Maschinen Geld.

Und inzwischen sind viele Kunden abgesprungen - von ehemals fast 4400 Bestellungen für das vermeintliche Erfolgsmodell sind mittlerweile 1043 storniert oder auf andere Flugzeugtypen umgewandelt worden. Allein im Oktober gab es einen Rückgang des Orderbestands um 448 Stück.

Seit dem Grounding produzierte Boeing weiter, obwohl die Fertigung für insgesamt fünf Monate stillstand seit Jahresbeginn. "Von diesen 470 fertigen Maschinen haben derzeit etwa 60 keinen Kunden mehr", sagt Sean Broderick, "aber insgesamt wollen die Airlines die Max haben, weil sie so viel effizienter ist." Das Flugzeug soll sogar auf Langstrecken fliegen und ist etwa bei der kanadischen Gesellschaft WestJet für Transatlantik-Flüge eingeplant.

Wie sag ich's meinen Kunden?

Zunächst müssen jetzt alle für die 737 Max ausgebildeten Piloten ihr Zusatztraining absolvieren, sobald die Prozeduren, Anforderungen und Inhalte behördlich abgesegnet sind. Das insgesamt fünfstündige Training besteht unter anderem aus zwei Stunden im Simulator und einer einstündigen Schulung im Flugzeug. Das kann für mehrere tausend Piloten bei großen Betreibern Monate dauern - bei American Airlines für alle 2500 Betroffenen beispielsweise bis März des nächsten Jahres.

USA Boeing 737 MAX Krise
Aus dem Verkehr gezogen: 737 Max verschiedenster Airlines, geparkt in Moses Lake, US-Bundesstaat WashingtonBild: Getty Images/D. Ryder

Besonders wichtig ist es, dabei nicht nur Piloten großer westlicher Airlines im Blick zu haben - die Unfälle ereigneten sich nämlich in Indonesien und Äthiopien. "Es muss jetzt mehr um die globalen Pilotenstandards gehen und wie die mit der Max-Philosophie klarkommen, das ist eine der Lehren aus den Vorfällen", sagt Sean Broderick. Mindestens genauso groß wird aber die Aufgabe für die Airlines werden, ihre Mitarbeiter und vor allem Passagiere an den Gedanken zu gewöhnen, dass sie jetzt im bisher als Unglücksflugzeug bekanntgewordenen Typ 737 Max sicher reisen können.

"Für manche Passagiere wird das Problem, wieder in eine Max zu steigen, größer sein als die Angst vor dem Coronavirus", vermutet Broderick. American Airlines plant bereits umfangreiche Aktionen wie Rundflüge für Mitarbeiter und Vielflieger, auch Max-Besichtigungen an Flughäfen und Online-Fragestunden mit Piloten und Mechanikern sind vorgesehen. Europäische Betreiber wie TUIfly in Deutschland planen ebenfalls, die 737 Max öffentlichkeitswirksam als jetzt sicheres Flugzeug zu präsentieren.

Der Artikel wurde am 17.11. 2020 veröffentlicht und am 18.11. aktualisiert.