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John Bolton zu Gast bei Conflict Zone

Frank Suyak hk
9. Juli 2020

In einem exklusiven DW-Interview spricht der frühere Sicherheitsberater Donald Trumps, John Bolton, über das "Misstrauen" des US-Präsidenten gegenüber seinem Amt und seinen Neid auf die "großen Typen" der Weltpolitik.

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Donald Trump und John Bolton
John Bolton (r.) veröffentlichte im Juni ein Enthüllungsbuch über seine Zeit als Nationaler Sicherheitsberater unter TrumpBild: picture-alliance/abaca/O. Douliery

Vier Monate vor der US-Präsidentschaftswahl steckt Donald Trump in einem Umfragetief. Unzufriedene Konservative nennen den republikanischen Präsidenten inkompetent und machen gegen ihn mobil. Sie verweisen auf den Anstieg neuer Corona-Infektionen in den USA, die Millionen Arbeitslosen im Land und die Proteste und Spannungen rund um das Thema Rassismus seit der Tötung von George Floyd. Damit stimmen sie mit mit Joe Biden überein, dem voraussichtlichen demokratischen Herausforderer Trumps, der ihm unzureichende Führung attestiert.

John Bolton, einer von drei ehemaligen Nationalen Sicherheitsberatern unter Trump, sprach kürzlich in der DW-Sendung Conflict Zone mit Moderator Tim Sebastian über seine persönlichen Eindrücke, die er während dieser Zeit vom US-Präsidenten gewonnen hat. In seinem jüngsten Buch "The Room Where It Happened" zeichnet Bolton ein verstörendes Bild von Trump: Da geht es um zweifelhafte Angebote an Machthaber, die Trump bewundert, und um einen Präsidenten, der nicht einmal liest, geschweige denn Briefing-Material zu komplexen Fragen der nationalen Sicherheit studiert.

Die internen Machtkämpfe im Weißen Haus beschreibt Bolton als Teil von Trumps Führungsstil. "Ich denke, dass Trump sehr misstrauisch ist, nicht nur gegenüber der Bürokratie an sich, sondern sogar seinen eigenen Mitarbeiter gegenüber." Trump habe "immer noch nicht richtig begriffen, was es bedeutet, Präsident der Vereinigten Staaten zu sein".

Neid auf Putin und Xi

Der Frage nach Trumps Bewunderung für Diktatoren weicht Bolton im DW-Interview aus. "Ich bin kein Psychotherapeut, ich analysiere Menschen nicht." Eines sagt er aber dann doch: "In gewisser Weise war Trump neidisch auf die Xi Jinpings und die Wladimir Putins. Es hat ihm gefallen, mit den 'großen Typen' zu sprechen. Sie wissen schon, die 'großen Typen' treffen sich und machen Große-Typen-Dinge. So einfach war es glaube ich."

Ob Trump Angst vor dem russischen Präsidenten habe, fragt Tim Sebastian. "Ich denke nicht, dass er ihn fürchtet", antwortet Bolton - und warnt vor Übertreibung. "Es gibt viel zu kritisieren, aber wenn die Leute über das hinausgehen, was sie brauchen, um Kritik zu üben, stärkt dies nicht ihre Argumentation gegen Trump. Es schwächt sie. Es ermutigt viele seiner Anhänger zu sagen, dass wir Opfer einer Verschwörung sind."

War Behinderung der Justiz für Trump eine Lebensart, wie es Bolton in seinem Buch schreibt? "Ich bin kein Staatsanwalt", sagt Bolton, aber er habe den Justizminister und den Rechtsberater des Weißen Hauses über fragwürdige Entscheidungen des Präsidenten informiert.

Händedruck Donald Trump Wladimir Putin
Trump schaue zu Politikern wie Wladimir Putin (rechts) und Chinas Präsidenten Xi Jinping auf, sagte Bolton der DWBild: picture alliance/UPI Photo/newscom/D. Silpa

Heute seien weniger Amsträger bereit, Trump zu widersprechen, so der ehemalige Sicherheitsberater. "Die Zahl der Regierungsmitglieder, die bereit waren, Trump bei einigen dieser Themen herauszufordern, hat mit der Zeit abgenommen".

Mit Kritik an Trump oder "virtue signaling" - ein englischsprachiger Neologismus, der so viel bedeutet wie "seine Tugendhaftigkeit zur Schau stellen" - mache man es sich zu einfach, findet Bolton. "Die Pflicht, die man der Verfassung gegenüber hat, wenn man es mit so einem Präsidenten zu tun hat, ist nicht einfach nur, sich selbst durch tugendhafte Pietäten ein gutes Gefühl zu geben, sondern dadurch, dass man das Richtige tut." Wer einen Befehl nicht ausführen wolle, solle zurücktreten, das sei "der verantwortungsvolle Schritt".

Russische Prämien für Anschläge auf US-Armee

Ob es pausibel sei, dass Trump nicht darüber informiert worden sei, dass russische Spione den Taliban eine Art Kopfgeld für die Tötung von US-Soldaten in Afghanistan angeboten hätten, fragt DW-Moderator Sebastian. "Es überrascht mich, dass der Präsident nicht darüber informiert wurde." Über US-Geheimdienst-Erkenntnisse zu dem Fall will Bolton nicht sprechen, sagt aber, er glaube nicht, dass Trump die für ihn vorbereiteten Geheimdienstinformationen überhaupt gelesen habe.

"Während meiner 17 Monate im Weißen Haus habe ich keinen Beleg dafür gesehen, dass der Präsident ihn [den President's Daily Brief, einen von den Geheimdiensten täglich zusammengestellten Bericht, Anm. d. Red.] gelesen hat." Trump sei nicht, wie vom Weißen Haus behauptet, "die am besten informierte Person auf dem Planeten Erde", so Bolton. "Trotz der Aussagen einiger Berater des Präsidenten konsumiert er nicht so viele Geheimdienstinformationen, wie er sollte."

Trump wollte unbedingt Nordkorea-Abkommen

Auf seine Treffen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un war Trump nach Einschätzung Boltons nicht angemessen vorbereitet. Der Präsident sei einzig und allein von dem Ziel getrieben gewesen, irgendein Abkommen mit Kim zu schließen, sagt Bolten in Conflict Zone.

"Ich glaube nicht, dass er verstanden hat, was er tat. Ich glaube, er hat sich nach einem Abkommen mit Nordkorea zum Nuklearwaffenprogramm gesehnt. Ich denke nicht, dass er sich ausreichend mit der Thematik beschäftigt hat."

Den Gipfel mit Kim in Hanoi 2019 habe Trump nur deshalb vorzeitig beendet, weil er den potenziellen innenpolitischen Schaden eines "schlechten" Abkommens fürchtete, so Bolton. "Er wusste, dass es eine heftige politische Reaktion in Amerika ausgelöst hätte, wenn er es akzeptiert hätte."

Vietnam Hanoi | Treffen Kim Jong-Un und Donald Trump
Kim Jong-Un (l.) und Donald Trump beim Gipfeltreffen im vietnamesischen Hanoi im Februar 2019Bild: picture-alliance/AP Photo/E. Vucci

Trumps alleinige Fokussierung auf ein Abkommen sei verstörend gewesen, sagte Bolton. "Das war es, was mich am meisten beunruhigt hat. Dass er sich Nordkorea oder anderen Themen nicht auf der Grundlage von Philosophie, großer Strategie oder Politik genähert hat, sondern nur auf der Grundlage dessen, was für ihn politisch von Vorteil war." Das sei in einem gewissen Maß von allen Politikern zu erwarten, so Bolton, aber mit Trump habe das Phänomen neue Ausmaße angenommen.

"Der Unterschied bei Trump ist qualitativ: Es ist nicht nur ein Faktor, der seine Entscheidungen bei schwierigen Fragen bestimmt. Manchmal schien es mir der einzige Faktor zu sein, den er berücksichtigte."

"Man kann sich seine Verbündeten nicht immer aussuchen"

Nach dem Fall des "Washington Post"-Journalisten Jamal Khashoggi gefragt, der 2018 in der saudischen Botschaft in Istanbul getötet und dessen Leichnam im Anschluss zerstückelt wurde, verteidigt Bolton Trump. "Der Präsident entschied sich, zu den Saudis zu stehen...aufgrund der Bedeutung der Beziehung." Putin habe Trump gesagt, die Russen seien bereit, Waffen nach Saudi Arabien zu liefern, sollten die USA es nicht tun.

Ob das alles sei, was zähle, fragt Sebastian: Dass die USA mehr Waffen verkaufen könnten und was dies für Menschen bedeute, die vom saudischen Regime unterdrückt werden.

Der Generaldirektor von Alarab TV, Jamal Khashoggi
Jamal Khashoggi, hier 2014 in Manama, Bahrain, wurde 2018 von einem saudischen Sonderkommando brutal getötetBild: Getty Images/AFP/M. Al-Shaikh

"In einem schwierigen, instabilen Teil der Welt kann man sich seine Verbündeten nicht immer aussuchen", antwortet Bolton - und betont, dass kein Regierungsmitglied die Tötung saudischen Journalisten verteidigt habe. "Ich war der Nationale Sicherheitsberater, nicht der Nationale Sicherheitsentscheider", ergänzt der 71-Jährige.

Impeachment: Kritik an Demokraten

Bolton - schon immer ein Republikaner - kritisierte die Demokraten für das gescheiterte Amtsenthebungsverfahren im Frühjahr. Die Strategie, sich dabei allein auf die zurückgehaltenen Militärhilfen für die Ukraine zu konzentrieren, sei ein "Fehlverhalten" der Demokraten gewesen und habe die Situation verschlimmert. "Die Art, wie sie das Amtsenthebungsverfahren geführt haben, die sehr parteiliche Art, war der Garant für ein parteiliches Ergebnis. Und das Ergebnis war, dass der Senat Trump freigesprochen hat."

Auf die Frage, warum er mit dem, was er wusste, nicht schon während des Verfahrens an die Öffentlichkeit gegangen sei, antwortet Bolton: "Ist es nicht wichtiger, zu einem Ergebnis zu kommen?"

Die Demokraten hätten "das Ergebnis, das wir bekommen haben, garantiert… Der Hauptweg, einen Präsidenten aus dem Amt zu bekommen, ist durch Wahlen, nicht durch Amtsenthebung."

Die Wahl, bilanziert Bolton, habe die amerikanische Bevölkerung in vier Monaten wieder. "Ich vertraue ihrem Urteil."