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Leipziger Buchmesse: Speeddating für Autoren

Sabine Peschel20. März 2016

Es gehört auch zu den Aufgaben einer Messe, Verlage und Autoren zusammenzubringen. Ein neues Format macht die Begegnung effizient und spannend: Präsentationen im Fünfminutentakt.

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Bild einer Stoppuhr (Foto: Lucky Dragon USA)
Bild: Fotolia/Lucky Dragon USA

Adina Popescu ist aufgeregt, das ist deutlich. Sie spricht schnell, füllt die fünf Minuten, die ihr zur Verfügung stehen, mit möglichst vielen Worten. Das Publikum hat Mühe, ihr zu folgen. Dabei hat sie interessierte Zuhörer vor sich: Literaturexperten, Lektoren und Verlagsvertreter, die gekommen sind, um acht europäische Autoren kennenzulernen, die in Deutschland noch nicht verlegt sind.

"Book Pitch" heißt das neue Format, zu dem die Leipziger Buchmesse das erste Mal geladen hat. Eine Form der kurzen Selbstdarstellung, die im angelsächsischen Raum und in der Filmindustrie schon etabliert ist. Was ist die Killerschlagzeile für mein Buch? Ist sein Thema originell und schnell einleuchtend? Wie fasse ich seinen Inhalt in maximal 500 Worten zusammen? Im Internet gibt es Anleitungen für "Book Pitchs", mit deren Hilfe es einem gelingen soll, eine Literaturagentin selbst bei einer Fahrt im Aufzug zu überzeugen.

Präsentiert Geschichten aus dem "Vampirland": Adina Popescu

Die 38-jährige Adina Popescu aus Rumänien scheint jedoch keinem der Ratgeber zu folgen. Schade, denn ihr neustes Buch, "Die geheime Geschichte des Vampirlandes" ("The Secret History of the Vampire County"), ist in Rumänien sehr erfolgreich. Über zehn Jahre hinweg hat Adina Popescu an der Fantasy-Trilogie geschrieben. Als Broterwerb arbeitet sie als Kulturjournalistin. Der Roman huldigt alten rumänischen Märchen und Mythen und konfrontiert sie mit der Neuzeit - aus dem Vampirland wird ein Themenpark, mit sehr amüsanten Effekten. Eigentlich als Roman für Erwachsene geschrieben, ist er in Rumänien auch bei jugendlichen Lesern sehr beliebt.

Bild aus der Präsentation von Abo Iaschagaschwili beim "Book Pitch" auf der Leipziger Buchmesse (Bild: A. Iaschagaschwili)
Abo Iaschagaschwili setzt auf eine Powerpoint-PräsentationBild: A. Iaschagaschwili

Leipzig gilt im Gegensatz zu Frankfurt, wo sich ein internationales Fachpublikum trifft, als nationale Buchmesse, bei der die direkte Begegnung mit dem lesenden Publikum im Vordergrund steht. Unter den mehr als 2250 Ausstellern in diesem Jahr stammen nur rund 200 aus dem nicht deutschsprachigen Ausland, vor allem aus ost- und südosteuropäischen Ländern. Traditionell ist die Vorstellung von Autoren aus diesen Regionen ein Schwerpunkt der Messe. So ist es auch beim "Book Pitch". Die Autoren wurden von Buchagenten oder Institutionen in Georgien, Slowenien, Rumänien, Tschechien, Ungarn und Kroatien ausgewählt, einer kommt aus Liechtenstein. Popescu ist die einzige Frau unter ihnen. Sechzehn Verlage haben sich angemeldet, darunter auch große wie "dtv" und "Aufbau".

Die Lacher auf seiner Seite: Abo Iaschagaschwili

"Es ist sehr schwierig, sich und sein Buch in fünf Minuten vorzustellen", weiß Abo Iaschagaschwili. "Das Einfache ist das Leichte", hat sich der georgische Schriftsteller daher gesagt und eine Powerpoint-Präsentation vorbereitet, auf Deutsch, nicht wie eigentlich in der Ausschreibung verlangt, auf Englisch. Das gelingt ihm gut, er hat in München studiert. Sein Roman "Royal-Mary" spielt Ende des 19. Jahrhunderts in Tiflis. Eine der ersten Folien zeigt ein Foto der Stadt, als sie noch ein Schmelztiegel der Kulturen war, zusammen mit einem Kommentar des Autors - und schon ist ein anschaulicher Horizont aufgespannt. Das Publikum folgt gebannt und nimmt auch die knappen akademischen Anspielungen auf literarische Vorbilder wie Puschkin, Borges und Kipling gerne auf, die Iaschagaschwili mit selbstironischem Unterton erwähnt.

Der georgische Autor Abo Iaschagaschwili bei der Präsentation seines Romans "Royal-Mary" beim Book Pitch auf der Leipziger Buchmesse 2016 (Foto: DW/S. Peschel)
Abo Iaschagaschwili klickt sich durch seine PräsentationBild: DW/S. Peschel

Erst recht hat der 1977 in Tiflis geborene Autor die Lacher auf seiner Seite, als er in seiner Präsentation zum Fazit kommt: "Das Buch liest man in einem Atemzug. Und danach hat man den Wunsch, das alles noch mal zu lesen, mehr darüber nachzudenken. Und jedes Mal findet man etwas Neues." Es wundert nicht, dass nach einer kurzen, dialogreichen Lesung aus der "leichten, aber hintergründigen Krimigeschichte" Vertreter von gleich drei kleineren Verlagen auf den georgischen Schriftsteller zugehen. Womöglich steht Iaschagaschwilis Buch schon im nächsten Frühjahr bei einem der deutschen Aussteller auf der Leipziger Buchmesse im Regal - die Aussichten scheinen nicht schlecht.

Tarantino in Ungarn: Benedekt Totth

Auch Benedekt Totth aus Ungarn gelingt eine spannende Präsentation seines preisgekrönten Romandebüts "Dead Heat". Das Buch erzählt die Geschichte von vier Jugendlichen, Schwimmern, die am Pool abhängen und denen ihre gefühlstauben Eltern und ausgebrannten Lehrer nicht mehr gewachsen sind. Party, Sex und Drogen - sein Buch sei wie ein Tarantinofilm in einer ungarischen Kleinstadt, sagt Totth - und hat damit schon seine Killerzeile gefunden.

Der ungarische Autor Benedekt Totth bei der Präsentation seines Romans "Deadhead" beim Book Pitch auf der Leipziger Buchmesse 2016 (Foto: DW/S. Peschel)
Benedekt Totth präsentiert "Dead Heat"Bild: DW/S. Peschel

Der ebenfalls 1977 geborene Schriftsteller und Übersetzer - 14 Romane namhafter englischer und amerikanischer Autoren verdanken ihm ihre ungarische Fassung - wirkt professionell. Man nimmt es ihm nicht ganz ab, als er sich selber als jemanden beschreibt, der es nicht gewohnt sei, sich anderen möglichst positiv vorzustellen. Nach Frankreich sind die Übersetzungsrechte jedenfalls schon verkauft. Auch ein Film über diesen "Krieg einer verlorenen Generation" ist schon in Vorbereitung. Benedekt Totth schreibt inzwischen schon an seinem zweiten Roman, der den Titel "Anderthalb" tragen soll. Da Verlage gern Autoren suchen, die sie aufbauen können, dürfte das ein weiteres Argument für eine deutsche Übersetzung sein.

Ein bisschen geschwindelt ist das Etikett "Speeddating", das die Messe ihrem Format verpasst hat, natürlich schon. Der Autor hat kein direktes Gegenüber, die verzögerten Reaktionen des interessierten Fachpublikums bleiben verhalten und diskret. Trotzdem erweist sich die schnelle Präsentationsform als reizvoll und vielfältig. Caroline Busch, die als Mitarbeiterin der Buchmesse die Kontaktaufnahme zwischen Verlag und Autor unterstützt, ist sicher, dass das Forum im nächsten Jahr wiederholt wird.