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Brasilianer wählen Frau an Staatsspitze

4. November 2010

Die Präsidenten-Stichwahl in Brasilien hat die Kandidatin der regierenden Arbeiterpartei für sich entschieden: Dilma Rousseff setzte sich gegen ihren Konkurrenten José Serra durch.

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Dilma Rousseff (Foto: AP)
Gewonnen: Dilma RousseffBild: AP

Das größte Land Lateinamerikas wird künftig von einer Frau regiert: Nachfolgerin des scheidenden Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva wird seine Vertraute Dilma Rousseff. Nach offizieller Auszählung erhielt sie bei der Stichwahl vom Sonntag (31.10.2010) rund 56 Prozent der Stimmen, auf den Kandidaten der Opposition, José Serra, entfielen etwa 44 Prozent.

Luiz Inacio Lula da Silva (Foto: AP)
Nur noch bis Jahresende im Amt: Luiz Inácio Lula da SilvaBild: AP

Die 62-jährige Rousseff war die Wunschkandidatin Lulas, der nach acht Jahren im Amt nicht noch einmal antreten durfte. Der frühere Gewerkschafter holte sie 2003 als Energieministerin in sein Kabinett, machte sie 2005 zur Kabinettschefin und baute sie systematisch zu seiner Nachfolgerin auf.

Rousseff auf Reformkurs

Rousseff kündigte Reformen des Steuersystems sowie der Verwaltung an und versprach, das unter Lula wirtschaftlich aufgeblühte Land zu weiterem Wachstum zu führen. Sie kündigte an, den Kurs ihres populären Vorgängers fortzusetzen. Dazu zähle vor allem der Kampf gegen Armut, für Demokratie und Menschenrechte. Lulas Nachfolge anzutreten, sei eine "schwierige Aufgabe" und sie werde "häufig an seiner Tür klopfen", sagte Rousseff.

Die Anhänger der Regierung versammelten sich nach Schließung der Wahllokale zu Tausenden in der Metropole Sao Paulo unweit der Küste und der Hauptstadt Brasilia im Landesinneren. Die Straßen wurden zu einem Meer aus den roten Fahnen der Arbeiterpartei und der Gewerkschaften, die die Basis der Partei bilden.

Von der Guerrillera zur Präsidentin

Jose Serra und Dilma Rousseff (Foto: AP)
Wahlverlierer und Wahlsiegerin: José Serra und Dilma RousseffBild: AP

In ihrer Jugend kämpfte Rousseff in linken Guerillagruppen gegen die Militärdiktatur (1964 bis 1985). Knapp drei Jahre saß sie im Gefängnis und musste Folter ertragen. Nach dem Ende der Diktatur gehörte sie zu den Neugründern der brasilianischen Arbeiterpartei. Im ersten Wahlgang vor einem Monat hatte Rousseff knapp 47 Prozent der Stimmen erhalten, für Serra stimmten knapp 33 Prozent. Eine absolute Mehrheit Rousseffs machte die Grünen-Kandidatin Marina Silva zunichte, die überraschend auf 19 Prozent kam.

Opposition bestätigt Wahlniederlage

Die Opposition räumte ihre Niederlage ein, signalisierte aber, dass sie der neuen Staats- und Regierungschefin stärker als ihrem Vorgänger auf die Finger schauen will. Er werde die Wünsche der Wirtschaft aufnehmen und eine ganze Reihe von Gesetzesreformen vorschlagen, um die Regierung vor sich herzutreiben, sagte Oppositionschef Aécio Neves Reuters. Unter Lula hatten die Konservativen direkte Konfrontationen vermieden.

Insgesamt waren 136 Millionen Brasilianer zur Wahl aufgerufen. Die Wahlbeteiligung lag bei 79 Prozent, obwohl Wahlpflicht herrscht. In neun der 27 Bundesstaaten fand zudem eine Stichwahl um das Gouverneursamt statt.

Brasilien hat unter Lula einen starken Aufschwung erlebt und dürfte in diesem Jahr um mehr als sieben Prozent wachsen. Vielen Familien gelang der Aufstieg in die Mittelschicht, die dank ihres frisch erworbenen Wohlstands nun Konsum und Industrie befeuert. Zugleich hat sich die Republik neben China und Indien als eines der wichtigsten Schwellenländer etabliert und nimmt großen Einfluss auf die Entscheidungen der mächtigen G20-Gruppe.

Autor: Christian Walz/Reinhard Kleber (afp, dpa, rtr, epd)
Redaktion: Susanne Eickenfonder/Hans Ziegler