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Brasilien empfängt die Welt

Olivia Fritz1. Januar 2014

Samba, Sonne, Strand und garantierte Fußballeuphorie: Brasilien lädt zur Fußball-WM und will nichts anderes als den Titel. Doch den wollen auch andere. Der Weg dahin war von heftigen Protesten begleitet.

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Bunte geschmückte brasilianische Fußballfans
Bild: Getty Images

Bem-vindo ao Brasil! Wenn am 12. Juni 2014 der Anpfiff des WM-Eröffnungsspiels ertönt, schaut die Fußball-Welt zum zweiten Mal nach 1950 gespannt nach Brasilien. 32 Nationen werden dann in 64 Spielen den Weltmeister ermitteln. Brasiliens legendärster und mit Abstand erfolgreichster Spieler Pelé sieht Brasilien im Endspiel. "Ich will Brasilien siegen sehen", sagte der Jahrhundertspieler, dem (wie allen Brasilianern) die bittere Final-Niederlage gegen Uruguay bei der letzten Heim-WM noch schwer im Magen liegt. Diese Schmach soll nun getilgt werden. Während Gastgeber Brasilien bereits automatisch qualifiziert war, mussten sich die anderen Teams die Turnierteilnahme in der Qualifikation erspielen, und dabei gab es einige Überraschungen: Bosnien-Herzegowina nimmt zum ersten Mal an einer Fußball-WM teil. Frankreich um Europas Fußballer des Jahres, Franck Ribéry vom FC Bayern München, schaffte es erst auf den letzten Drücker und auch Portugal musste sich erst mit Schweden in den Play Offs messen, bevor es das Ticket lösen konnte.

Der ehemaliger brasilianischer Fußballspieler Pele
Ist dreifacher Weltmeister, Welt-Jahrhundertspieler und einfach der beste Fußballer aller Zeiten: PeléBild: VANESSA CARVALHO/AFP/Getty Images

Deutschland zog souverän als Gruppenerster in die Endrunde ein und trifft dort in der Vorrunde auf gute Bekannte: die USA mit Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann, Ghana mit dem Bundesliga-Profi Kevin-Prince Boateng, sowie auf Portugal mit Superstar Cristiano Ronaldo. Während Oliver Bierhoff, der Manager der DFB-Elf, von einer "machbaren Gruppe" sprach, erklärte Klinsmann: "Es ist eine Hammergruppe, aber wir trauen uns zu, da weiterzukommen", sagte Klinsmann. Gastgeber Brasilien bekommt es in einer vermeintlich leichten Gruppe mit Kroatien, Mexiko und Kamerun zu tun und Weltmeister Spanien trifft auf die Niederlande, Chile und Australien.

Große Temperaturunterschiede und weite Wege

Die Fußball-Welt reist im kommenden Sommer in ein Land mit großen Visionen und Dimensionen. Brasilien ist das fünftgrößte Land der Welt und nimmt flächenmäßig fast die Hälfte des südamerikanischen Kontinents ein. Daher werden die Touristen vorwiegend mit Inlandsflügen an den Drehkreuzen der Hauptstadt Brasília, der größten Stadt des Landes, São Paulo, und über Rio de Janeiro befördert. Viele Flughäfen wurden ausgebaut, doch hier gab es massive Zeitverzögerung in der Bauphase und längst nicht alle Pläne können rechtzeitig umgesetzt werden. Geschätzt 600.000 ausländische WM-Touristen werden sich auf den Weg in die zwölf WM-Städte machen, im Gepäck je nach Spielort nur T-Shirts und kurze Hosen oder doch auch mal einen dicken Pullover. Die Juni-Temperaturen reichen in Brasilien von 15 Grad Celsius in den Stadien von Porto Alegre und Curitiba im Süden Brasiliens über angenehme 20 bis 25 Grad in Rio de Janeiro und São Paulo bis hin zu schwül-heißen 30 bis 35 Grad im Nordosten mit seinen WM-Stadion von Salvador da Bahia, Recife und Fortaleza - genau dort, wo die deutsche Nationalelf ihre Gruppenspiele austragen wird. Am heißesten wird es in Manaus und Cuiabá. Die eine Hälfte der Stadien wurde runderneuert, die andere neu gebaut. Das Eröffnungsspiel soll in der Wirtschaftsmetropole São Paulo stattfinden, das Finale im legendären Maracanã in Rio. Sorgen und Probleme bereiteten lange die Arbeiten an den WM-Baustellen, die größtenteils nicht nach Plan verliefen. So kam es in São Paulo zu einem tödlichen Unfall.

Panoramaaufnahme des neuen Stadions Maracana in Rio de Janeiro
Hier wird der Weltmeister gekürt: Das legendäre Maracanã in Rio de JaneiroBild: WM-OK Brasilien

Über 1,1 Milliarden Euro flossen nach Auskunft des brasilianischen Fußballverbandes CBF in die Stadien, die Kosten dürften sich aber inzwischen mindestens mehr als verdoppelt haben, es werden auch Zahlen jenseits der 3 Milliarden Euro gehandelt. In jeder der zwölf Arenen soll ein ausgeklügeltes Überwachungssystem mit 200 Kameras zum Einsatz kommen. Umgerechnet 400 Millionen Euro hat sich das Land des Rekord-Weltmeisters das Thema Sicherheit und Gewaltprävention kosten lassen. In die nationale Liga hat es das System aber noch nicht geschafft. So sorgten die schweren Ausschreitungen Anfang Dezember bei dem Erstligaspiel zwischen Atlético Paranaense und CR Vasco da Gama, bei denen sich Hunderte von Fans prügelten, für weltweites Entsetzen.

Gelungene Generalprobe mit Protesten

Brasilien möchte ein perfekter Gastgeber sein. Dazu wurden auch die berüchtigten Favelas, die Armenviertel der Großstädte, mithilfe massiver Polizeiaktionen "befriedet". Die Touristen sollen sich sicher fühlen. Zudem fiebert das fußballverrückte Land dem sehnlich erhofften sechsten WM-Titel entgegen, alles andere als der Sieg bei der Heim-WM wäre eine riesige Enttäuschung. Das bekam man schon bei der Generalprobe zu spüren, dem Confed-Cup, den Brasilien mit einer furiosen Turnierleistung gewann. Die Seleção besiegte den Weltmeister Spanien im Finale, sicherte sich einen Rekord (drei Confed-Siege in Folge) und die Herzen der Fans. Vor allem Brasiliens Superstar Neymar, beim großen FC Barcelona unter Vertrag, erweckt viele Hoffnungen. Der 22-jährige Edeltechniker startete mit einem Traumtor in das Turnier, legte noch drei nach und deklassierte Spanien fast im Alleingang.

Brasiliens Nationalspieler Neymar dreht jubelnd ab.
Große Hoffnungen liegen auf Neymar (r.)Bild: Reuters

Dennoch gab es auch eine Schattenseite: Der Confed-Cup war begleitet von Massenprotesten, in einer der größten Demonstration der Geschichte Brasiliens gingen im Juni Hunderttausende Menschen in über 100 Städten auf die Straße. Die Proteste richteten sich unter anderem gegen die enormen Investitionen zugunsten der Fußball-Weltmeisterschaft statt in die Infrastruktur des Landes, gegen Korruption, gegen soziale Ungerechtigkeiten, die Zwangsräumungen in Stadionnähe und die Erhöhung der Preise im Nahverkehr. "Wir werden sicher nicht wegschauen und das in diesem Land vielleicht sehen und erleben, wenn wir vier, fünf Wochen in Brasilien sind", sagte Löw zu möglichen neuen Protesten der brasilianischen Bevölkerung in einem Land mit so extremen sozialen Unterschieden.

"Wembleytore" gehören Vergangenheit an

Zum ersten Mal bei einer Weltmeisterschaft wird eine Torlinientechnik eingesetzt. Das deutsche System der Würselener Firma GoalControl ermittelt mithilfe von Kameras, die an den Stadiondächern montiert sind, ob der Ball die Torlinie überquert hat. Diese Technik war bereits beim Confed-Cup getestet worden. "Die Schiedsrichter sind alle glücklich, dass sie diese Hilfe haben", sagte FIFA-Boss Joseph Blatter. "Ich bin sehr gespannt, wie es funktioniert und hoffe, dass es zum Einsatz kommt."

Computeranimation der Torlinientechnik GoalControl
Mithilfe von Kameras wird ermittelt, ob der Ball die Torlinie überquert hatBild: picture-alliance/dpa

Brasilien Favorit

Noch nie hat eine europäische Mannschaft in Südamerika eine Weltmeisterschaft gewonnen und so gelten vor allem die Südamerikaner als Favoriten auf den Titel: Allen voran Gastgeber Brasilien und dessen Nachbar Argentinien. Das findet auch Bundestrainer Joachim Löw, der aber auch noch die möglichen Überraschungs-Mannschaften Kolumbien, Chile und Mexiko auf dem Zettel hat. "Bei den Europäern ist es nach wie vor Spanien. Es ist natürlich Italien mit seinen großen taktischen Fähigkeiten. Die Niederlande sind mit Trainer Louis van Gaal auch wieder sehr stark geworden, haben in der Qualifikation gut gespielt. Frankreich kann immer weit kommen. Belgien ist vielleicht so etwas wie der Geheimfavorit", sagte Löw. "Bei den Asiaten ist Japan stark."

Spanien dürfte wegen seiner Erfahrungen im Confed-Cup einen leichten Vorteil gegenüber Deutschland haben, das ebenfalls hoch gehandelt wird - ausgerechnet auch in Brasilien. Die dort sehr berühmte TV-Wahrsagerin Marcia Fernandes sagte vor allerdings 40.000 Anhängern bei einem Esoterik-Festival in São Paulo: "Deutschland wird die Oberhand behalten." Dann kann ja nichts mehr schief gehen.