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Streit um fragwürdiges Fleisch

Neher, Clarissa Schimunda (glh)26. April 2013

Die brasilianische Staatsanwaltschaft klagt 26 Fleisch verarbeitende Betriebe an. Sie sollen Rinder von Betrieben gekauft haben, die die Umwelt zerstören und ihre Arbeiter wie Sklaven behandeln.

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Fleischstücke, (Foto: MAURICIO LIMA/AFP/Getty Images)
Bild: AFP/Getty Images

Brasilien ist der größte Rindfleischexporteur der Welt. Täglich werden allein 150.000 Rinder geschlachtet und weiter verarbeitet. Der Produktionskette eines Fleischprodukts kann mehr oder weniger lang und verworren sein. Doch sie beginnt immer auf einer Farm oder einem Zuchtbetrieb: Und genau hier soll es schon seit Jahren zu Unstimmigkeiten und Problemen kommen.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft der drei im Amazonasgebiet liegenden brasilianischen Bundesstaaten Amazonas, Mato Grosso und Rordônia werden auf zahlreichen Rinderzuchtbetrieben im Nordwesten des Landes grundlegende Menschenrechte und der Umweltschutz missachtet. Es herrsche Sklavenarbeit, die Betriebe verletzten die Rechte der indigenen Bevölkerung und trügen maßgeblich zur Abholzung des Amazonasregenwaldes bei, so die Staatsanwälte.

Größter fleischverarbeitende Betrieb Brasiliens angeklagt

Angeklagt wurden jetzt allerdings die Unternehmen, die die Tiere kaufen, schlachten und weiter verarbeiten - die Fleisch verarbeitende Industrie. Der Grund: Die 26 Unternehmen weigern sich, ein Abkommen zu unterzeichnen, das die Unternehmen dazu verpflichtet, keine Rinder von fragwürdigen Betrieben mehr zu beziehen. Viele der fraglichen Höfe stehen auf schwarzen Listen des brasilianischen Arbeitsministeriums oder der Umweltschutzbehörde Ibama; der Industrie ist es verboten, von Betrieben, die auf schwarzen Listen stehen, Rinder oder andere Produkte zu kaufen.

Zu den 26 angeklagten Unternehmen gehören auch die größten Fleisch verarbeitenden Betriebe Brasiliens BRF Brasil Foods und Sadia. Die Unternehmensgruppe exportiert Fleischprodukte in mehr als 140 Länder, auch nach Deutschland. Nach Angaben des Unternehmens sind sie für neun Prozent des weltweiten Fleischexports verantwortlich.

Industrie fühlt sich unschuldig

Kühe auf Weide. (Foto: ANTONIO SCORZA/AFP/Getty Images)
Brasilien ist der größte Rindfleischexporteur der WeltBild: AFP/Getty Images

Der Verband der Fleisch verarbeitenden Industrie Brasiliens wehrt sich vor dem brasilianischen Bundesgericht gegen die Maßnahmen der Staatsanwaltschaft. Der Präsident des Verbands, Péricles Salazar, sagt, dass die Staatsanwaltschaft an der falschen Stelle ansetze: "Die fleischverarbeitende Industrie ist nicht schuldig, sie bezieht die Rinder lediglich von den Höfen. Die Züchter sind diejenigen, die Wald abholzen und ihre Arbeiter unter sklavenähnlichen Bedingungen beschäftigen."

Der Verband unterstütze die Ziele der Staatsanwaltschaft, so Salazar, doch mit den Mitteln sei er nicht einverstanden. "Die Staatsanwaltschaft droht den Betrieben nun, weil sie das Abkommen nicht unterschreiben wollen. Sie setzt die Unternehmen unter starken Druck und bremst somit ihre Geschäfte."

Staatsanwaltschaft sieht Unternehmen in der Pflicht

Staatsanwalt Leonardo Macedo dagegen betont, dass es sehr wohl in der Verantwortung der fleischverarbeitenden Unternehmen liege, kein Fleisch von fragwürdigen Betrieben zu kaufen: "Die brasilianische Gesetzgebung sagt, dass jeder, der direkt oder indirekt an Umweltzerstörung beteiligt ist, auch dafür verantwortlich ist. Sobald die Fleisch verarbeitenden Unternehmen, Rinder oder Fleisch kaufen, müssen sie sich sicher sein, dass es aus regulären und vertrauenswürdigen Quellen stammt", so Macedo.

Fleischverarbeitung in Fabrik (Foto: MAURICIO LIMA/AFP/Getty Images)
Die fleischverarbeitende Industrie wehrt sich gegen die VorwürfeBild: AFP/Getty Images

Außerdem wurde das Abkommen den Fleisch verarbeitenden Unternehmen nicht einfach so vorgesetzt. Laut Macedo gab es bereits vor zwei Jahren Verhandlungen mit den Unternehmen: "Das Abkommen entspringt dem Dialog zwischen uns und der Fleisch verarbeitenden Industrie, es ist nicht irgendein einseitiges Dokument, das wir uns ausgedacht haben", erklärt der Staatsanwalt.

Fehlender internationaler Druck

Carlos Juliano Barros arbeitet für die Nichtregierungsorganisation Repórter Brasil, die ein kritisches Dossier zu den Arbeitsbedingungen in der Branche veröffentlicht hat. Er bemängelt, dass es bisher noch keinerlei internationalen Druck auf die Fleisch verarbeitenden Betriebe gegeben habe: "Der internationale Druck konzentriert sich eher auf Fragen der Hygiene als auf soziale Aspekte und Arbeitsrechte. Bei Krankheiten oder Hygienemängeln hören die Länder sofort auf, das Fleisch zu kaufen, aber nicht, wenn die Arbeitsbedingungen der Arbeiter unwürdig sind."

Carlos Juliano Barros begrüßt das Vorgehen der Staatsanwaltschaft. Die Anklage sei ein  wichtiger Schritt: "Wenn es eine Überwachung der Unternehmen gibt und sie sich vor der Justiz erklären müssen, dann bewegen sie sich viel mehr, als wenn der Druck von der öffentlichen Meinung oder von Nichtregierungsorganisationen ausgeht", sagt Barros.