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China und Russland lassen Brasiliens Wirtschaft blühen

Tobias Käufer mit Ramona Samuel, Rio
12. März 2024

Der Westen geht verstärkt auf Distanz zu Russland und China. Diese Lücke nutzt Brasilien aus und lässt seine Wirtschaft an der Seite Moskaus und Pekings wachsen.

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Sojabohnen aus Brasilien werden im Hafen von Nantong (China) entladen
Brasiliens Agarindustrie ist enorm effizient. Sojabohnen aus Brasilien sind daher auch im Hafen von Nantong (China) gefragt. Bild: AFP via Getty Images

Seit einigen Monaten ist Marcio Pochmann der neue Chef des brasilianischen Statistik-Instituts IBGE. Und der von Staatspräsident Luiz Inacio Lula da Silva ausgewählte Wirtschaftswissenschaftler kann seinem Chef gleich zu Beginn seiner Amtszeit mit erfreulichen Zahlen dienen: Mit 2,9 Prozent Wirtschaftswachstum schaffte Brasilien 2023 mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 2,17 Billionen US-Dollar das Comeback in die Top Neun der größten Volkswirtschaften weltweit.

Die Wirtschaft des größten lateinamerikanischen Landes konnte damit an den Aufschwung aus dem Vorjahr noch unter dem umstrittenen Vorgänger Jair Bolsonaro anknüpfen: 2022 lag das Wachstum sogar bei 3,0 Prozent. Der ehemalige Präsidentschaftskandidat Ciro Gomes kommentierte deshalb beim US-Nachrichtensender CNN bissig: Lula habe einfach "nichts" an Bolsonaros Wirtschaftspolitik geändert.

Der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva trifft in Berlin auf Unterstützer. Lula lächelt. Im Hintergrund sind jubelnde Frauen zu sehen, die Lula-Schilder in die Luft halten.
Brasiliens Präsident Lula da Silvas hatte sich dazu entschieden, sein Land trotz geopolitischer Konflikte weiterhin an der Seite Pekings und Moskaus zu platzieren. Die Entscheidung zahlt sich jetzt ökonomisch aus.Bild: Ricardo Stuckert/PR

Agrarwirtschaft und China als Motor des Aufschwungs

Dass Brasiliens Wirtschaft wächst, liegt zunächst an der enorm effizienten Agarindustrie: Bei der Soja- und Maisproduktion verzeichnete die Land- und Viehwirtschaft vergangenes Jahr einen Rekordanstieg von 15,1 Prozent. Brasiliens wirtschaftlicher Erfolg hängt aber auch von Lula da Silvas Entscheidung ab, sein Land in den aktuellen geopolitischen Konflikten weiterhin an der Seite Pekings und Moskaus zu platzieren. Das zahlt sich nun ökonomisch aus.

"Brasiliens internationaler Handel ist heute ohne China nicht mehr denkbar", sagt Professor Roberto Goulart von der Universität Brasilia im Gespräch mit der DW. "Es ist das wichtigste Zielland für brasilianische Exporte. Im Jahr 2023 wurden Waren im Wert von 104 Milliarden Dollar nach China geliefert. Das ist dreimal so viel wie in die USA."

China habe in den vergangenen zehn Jahren auch seine Investitionen in Brasilien erhöht und seine Präsenz in der brasilianischen Wirtschaft diversifiziert: Automobile, Energie und Landwirtschaft seien die Sektoren, denen die Chinesen die größte Aufmerksamkeit schenkten, so Goulart. "Russland wiederum ist für Brasilien wirtschaftlich wichtig, weil es Düngemittel exportiert", sagt Goulart mit Blick auf die brasilianische Agrarindustrie.

Gruppenfoto beim 15. BRICS-Gipfel in Johannesburg. Von links nach rechts: Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva, Chinas Präsident Xi Jinping, der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa, der indische Premierminister Narendra Modi und der russische Außenminister Sergej Lawrow posieren für das Gruppenfoto.
Vier Präsidenten, ein Außenminister: Gipfel der BRICS-Staaten in Johannesburg (Südafrika) im August 2023 ohne Russland Präsident Putin, der vorsichtshalber seinen Außenminister Lawrow (rechts) schickteBild: Prime Ministers Office/ZUMA Press/picture alliance

Aufgrund des europäischen Embargos wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ist Brasilien zum drittgrößten Importeur von fossilen Brennstoffen aus Russland geworden. Vor allem russischer Dieselkraftstoff ist ein wichtiges Importgut geworden. "Schließlich sollte man nicht vergessen, dass Brasilien, Russland und China Mitglieder der BRICS und Partner der Neuen Entwicklungsbank sind, deren Haupttätigkeitsbereich die Infrastruktur ist", sagt Goulart. BRICS steht für einen Schwellenländerbund aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, der sich zunehmend für neue Mitglieder öffnet.

Rückschläge trüben das Bild

Rückschläge wie beim staatlichen Ölkonzern Petrobras, der jüngst massiv an Börsenwert verlor, trüben zwar das Bild. Tatsächlich weist aber viel daraufhin, dass Brasilien zu einem Motor des Aufschwungs in Lateinamerika werden kann. Fast im Wochentakt gibt es Milliarden-Investitionszusagen der internationalen Automobilindustrie, die Brasilien als Zukunftsmarkt betrachten. Das wird mittelfristig seine Wirkung nicht verfehlen, auch wenn sich Brasilien wieder deutlich mehr Staatsausgaben leistet und damit den Haushalt belastet.

Montagelinie im Werk des Fiat Chrysler-Konzerns in Betim (Brasilien)
Die internationale Automobilindustrie sieht Brasilien als Zukunftsmarkt. Dadurch zieht Brasilien aktuell viele internationale Investitionen an.Bild: Pedro Vilela/Getty Images

Brasilien ist nach allen Seiten offen

Wirtschaftswissenschaftler Felipe Rodrigues von der Universität Federal Fluminense (UFF) sieht Brasilien noch aus einem anderen Grund gut aufgestellt. Denn das Land zeige sich nach allen Seiten offen. "Brasiliens Handel mit China ist sehr ausgeprägt, aber Brasilien ist eben auch immer noch ein Handelspartner der Vereinigten Staaten." Allerdings habe die Handelsbilanz mit den USA rein rechnerisch einen Verlust, mit China aber einen Überschuss von 51 Milliarden Dollar erbracht, rechnet Rodrigues vor.

Zudem drängt das Land im Rahmen des südamerikanischen Staatenbündnisses Mercosur auch auf einen Abschluss eines Freihandelsvertrages mit der Europäischen Union. Den kann Brüssel zwar derzeit nicht liefern, doch Brasilia hält sich jede Option offen und treibt auch Verhandlungen mit weiteren asiatischen Ländern wie Japan voran.