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Von Lula zu Dilma

11. April 2011

Dilma Rousseff ist 100 Tage im Amt. In der Innen- und Wirtschaftspolitik führt sie den Kurs zur Armutsbekämpfung von Vorgänger Lula da Silva fort. In der Außenpolitik setzt sie jedoch deutlich andere Akzente.

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Präsidentin Dilma Rousseff ist seit 100 Tagen im Amt (Foto: AP)
Präsidentin Dilma Rousseff hat nach 100 Tagen im Amt 73% ZustimmungBild: picture-alliance/dpa

Zugeben: So ganz reichen ihre Beliebtheitswerte nicht an die ihres Vorgängers heran, aber immerhin: Fast drei Viertel der Brasilianer sind laut Meinungsumfrage zufrieden mit Dilma, wie sie landauf landab nur genannt wird. Ihr Vorgänger und Mentor Luiz Inácio Lula da Silva ist noch beliebter: 87 Prozent erreichten seine Popularitätswerte am Amtsende. Doch Dilmas Rousseffs Handschrift ist 100 Tage nach Amtsantritt erkennbar: Sie erscheint politischen Beobachtern als pragmatischer und besonnener als Lula.

Der iranische Präsident Mahmud Achmadinedschad und der frühere brasilianische Staatschef Lula da Silva
Ex-Präsident Lula setzte auf Dialog mit dem IranBild: AP

Rousseff löste im Januar Lula da Silva als Präsident ab, der nach zwei Amtsperioden nicht mehr kandidieren durfte. Schon im Wahlkampf machte sie deutlich, dass sie die Politik ihres politischen Ziehvaters fortsetzen würde. "Brasilien ist nur reich, wenn es keine Armut gibt" - lautet ihr Motto. Wie bereits Lula setzt auch sie darauf, die Menschen aus der zum Teil krassen Armut zu holen und breite Schichten der Bevölkerung in bescheidenen Wohlstand zu bringen.

Brasiliens Eiserne Lady

Rousseff verfügt mit Sicherheit über weniger Charisma als Lula und gilt als Technokratin. Doch in Sachen Zähigkeit dürfte sie ihm kaum nachstehen: Sie kämpfte in den 70er Jahren im Untergrund gegen die brasilianische Diktatur, wurde festgenommen und vom Militärregime gefoltert. Seit 2005 war sie Kabinettschefin unter Lula. „In ihre ersten 100 Tage hat sie sich vor allem als gute Verwalterin Akzente gesetzt, weniger als Politikerin. Sie ist mit Sicherheit eine eigenständige Persönlichkeit”, so der Soziologe Thomas Fatheuer, der früher die Heinrich-Böll-Stiftung in Rio de Janeiro geleitet hat.

Kurz nach ihrer Amtseinführung hat Dilma Rousseff ihren US-Amtskollegen Barack Obama in Brasilia empfangen (Foto: AP)
Brasilien und die USA nähern sich in der Außenpolitik wieder anBild: dapd

Die politische Eigenständigkeit macht sich in der Außenpolitik bemerkbar. Präsident Lula schien die gelegentlichen Ausflüge in die große Weltpolitik zwar zu genießen, sonderlich erfolgreich war er aber nicht, meinen Beobachter. Rousseff stellt den bisherigen Kurs auf den Prüfstand und befürwortet ein verstärktes diplomatisches Handeln. Im Streit um das iranische Atomprogramm beispielsweise zeigt sie sich weit weniger nachgiebig als Lula und schlägt eine härtere Gangart ein. Letzterer war nämlich für eine diplomatische Lösung statt Sanktionen eingetreten.

Neue Töne im Dialog Brasilien – USA

So hat Rousseff das Votum des UN-Menschenrechtsrates Ende März unterstützt. Zum ersten Mal seit 2002 bestimmte die Organisation einen Sonderermittler, der die Einhaltung der Menschenrechte im Iran überwachen soll. „Mit seinem Votum für die Resolution hat Brasilien seine veränderte Einstellung zuungunsten des Iran deutlich gemacht. Das ist ganz klar eine Abkehr von der bisherigen Position", sagt der Politikwissenschaftler Christian Lohbauer von der Universität von São Paulo. Der Experte rechnet zudem damit, dass sich die neue Regierung von den sogenannten bolivarischen Regimes, den sozialistischen Staaten Lateinamerikas wie Venezuela unter Präsident Chavez, distanzieren wird. Ex-Präsident Lula hingegen pflegte gute Kontakte zu diesen Staaten. Der Politikwissenschaftler Carlos Pio von der Universität Brasília vermutet, dass Lula auf diese Weise insbesondere Gruppierungen am linken Rand seiner Arbeiterpartei bei Laune halten wollte.

Thomas Fatheuer, ehemaliger Leiter des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Rio de Janeiro.
Thomas Fatheuer sieht Kontinuität in der SozialpolitikBild: privat

Der neue Kurs bringt Brasilien und die USA wieder näher. Sichtbaren Ausdruck fand dies im Besuch des US-Präsidenten Barack Obama in Brasilien vor wenigen Wochen. Experten rechnen nun damit, dass politische und wirtschaftliche Beziehungen zwischen den beiden Ländern wieder enger werden, denn Rousseff regte eine Intensivierung der Partnerschaft auf Augenhöhe an. Das würde sich auch positiv auf die Wirtschaftsbeziehungen auswirken und das brasilianische Defizit im bilateralen Handel verringern. Denn derzeit importiert Brasilien deutlich mehr Produkte aus den USA als es umgekehrt exportiert.

Autorin: Mariana Santos/Birgit Görtz
Redaktion: Mirjam Gehrke