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Brasiliens Wirtschaft auf Achterbahnfahrt

Astrid Prange28. Oktober 2014

Die Börse stürzt ab, die Investoren sind misstrauisch: Nach der Wiederwahl von Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff rätseln Experten über den Wirtschaftskurs der Regierung. Die Bevölkerung muss mit Einschnitten rechnen.

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Brasilien Wahl 25.10.2014 Dilma Rousseff
Bild: picture-alliance/dpa/Neco Varella

Dilma Rousseff überbrachte die gute Nachricht im Fernsehen: "Brasilien wird 2015 besser dastehen als heute", erklärte sie und kündigte in allen Wirtschaftsbereichen "Impulse für Wachstum" an. "Es reicht nicht, einfach einen Maßnahmenkatalog vorzulegen. Wir müssen warten, bis der Markt sich beruhigt und mit allen Sektoren einen Dialog darüber führen, wie wir die Wirtschaft ankurbeln".

Dilmas Angebot zum Dialog wurde bereits angenommen. Der Magnat Abilio Diniz, Nummer eins in der brasilianischen Lebensmittelbranche, empfahl Rousseff in einem offenen Brief, das Vertrauen zu den einheimischen Unternehmern wieder herzustellen. "Zeigen Sie, dass Sie für alle regieren", schrieb er. "Für die Armen, aber auch für die Mittelschicht und die Unternehmer".

Diniz beließ es nicht bei Apellen. Er gab der Präsidentin auch gleich ein paar Ratschläge mit auf den Weg. "Wir haben keine Zeit zu verlieren", schreibt er in dem offenen Brief. Wir brauchen eine Steuerreform, eine effiziente Verwaltung, wir müssen die Korruption bekämpfen und die richtigen Leute auf die richtigen Posten setzen".

Verzweifelt gesucht: Ein neuer Finanzminister

Schlüsselfigur für den künftigen Wirtschaftskurs ist die Position des Finanzministers im neuen Kabinett. Brasiliens aktueller Finanzminister Guido Mantega, seit 2006 im Amt, hat bereits seinen Rücktritt angekündigt. Als Nachfolger von Mantega wird unter anderem Präsidialamtsminister Aloizio Mercadante gehandelt. Der Wirtschaftswissenschaftler gehört zu den Mitbegründern der Arbeiterpartei PT und war im Kabinett von Rousseff bereits als Bildungs- und Wissenschaftsminister vertreten.

Guido Mantega (Foto: ALEXANDRE MOREIRA / BRAZIL PHOTO PRESS)
Dienstältester Finanzminister Brasiliens: Guido Mantega hat seinen Rücktritt angekündigtBild: picture alliance/ALEXANDRE MOREIRA

Von dem künftigen Finanzminister wird nicht nur eine strenge Haushaltspolitik erwartet, sondern auch eine Verbesserung des Investitionsklimas sowie eine Abkehr vom bisherigen Kurs der Arbeiterpartei, die in der Stimulation der Binnennachfrage den wichtigsten Motor für Wirtschaftswachstum sah.

Größte Herausforderung ist nach Einschätzung von Experten die Sanierung des Staatshaushaltes. Nach einem Bericht der Tageszeitung "O Globo" wird die Regierung das Haushaltsziel, einen Primärüberschuss in Höhe von umgerechnet rund 17 Milliarden Euro zu erwirtschaften, in diesem Jahr weit verfehlen. Sie verstößt damit gegen das brasilianische Haushaltgesetz, das einen Überschuss in Höhe von 2,15 Prozent des Bruttoinlandsproduktes vorsieht. Dies entspräche einer Summe von umgerechnet 38 Milliarden Euro.

Sinkende Kreditwürdigkeit

Bereits im März 2014 hatte die Ratingagentur Standard & Poor's aufgrund des wachsenden Haushaltsdefizits Brasiliens Kreditwürdigkeit herabgestuft. Ein Grund dafür ist unter anderem die Subventionierung der Verbraucherpreise für Strom und Treibstoff. Diese sorgte zwar für niedrige Preise an Tankstellen und verhinderte eine Explosion der Inflation. Doch bei den Staatskonzernen "Electrobras" und "Petrobras" führte die Subventionierung zu großen Verlusten.

Tankstelle von Petrobras in Brasilien (Foto: EPA/MARCELO SAYAO)
Billiges Benzin: Die Subventionierung von Treibstoffen belastet Brasiliens StaatshaushaltBild: picture-alliance/dpa

Nach Ansicht des Wirtschaftskolumnisten Gustavo Patu von der brasilianischen Tageszeitung "Folha de São Paulo" befindet sich die brasilianische Regierung nach den Wahlen nun in einer Zwickmühle: "Entweder kürzt die Regierung bei den Sozialprogrammen, oder sie erhöht die Steuern", schreibt er in seiner Kolumne. Beides habe gravierende wirtschaftliche und politische Auswirkungen.

Die Ausgangslage von Dilma Rousseffs zweiter Amtszeit ist somit kompliziert: Die Inflation liegt offiziell bereits bei 6,5 Prozent, die Leistungsbilanz ist negativ, weil Brasilien mehr importiert als exportiert, die Staatsverschuldung wächst und das Wirtschaftswachstum lahmt. 2013 legte es um 2,49 Prozent zu, für das laufende Jahr wird nur noch eine Rate von 0,27 Prozent vorausgesagt. Chinesische Wachstumsraten von über sieben Prozent, die Brasilien 2010 verzeichnete, scheinen definitv der Vergangenheit anzugehören.

"Bis zur offiziellen Erklärung der Regierung zur Wirtschaftspolitik und der Ernennung des Finanzministers wird der Markt nervös reagieren", erklärte Alex Agostini, Finanzexperte aus der Versicherungsbranche, gegenüber der brasilianischen Presse. "Der Markt durchlebt eine Achterbahnfahrt - allerdings geht es mehr abwärts als aufwärts".